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Morning BriefingKI-Revoluzzer Deepseek – Triumph der schöpferischen Zerstörung

Christian Rickens 31.01.2025 - 06:05 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Deepseek-Revolution: Wie ein Start-up die KI-Branche aufmischt

31.01.2025
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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

Diese Woche hat eindrucksvoll gezeigt, was schöpferische Zerstörung so alles vermag. Noch vor einer Woche schien es, als sei der Zukunftsmarkt der Künstlichen Intelligenz (KI) weitgehend verteilt. Mit dem Silicon Valley als Ort, an dem die neuen KI-Modelle entwickelt werden.

Mit US-Konzernen wie Microsoft, die für jene gewaltigen Rechenkapazitäten sorgen, die Training und Betrieb der KI-Modelle erst möglich machen. Und mit dem Chipkonzern Nvidia, der mit seinen Hochleistungshalbleitern quasi die Schaufeln für den KI-Goldrausch liefert – und so zum wertvollsten Börsenunternehmen der Welt aufstieg.

Dann kommt ein Start-up aus der chinesischen Provinz und stellt das alles in Frage: Das neue KI-Modell von Deepseek ist offenbar auf älterer Hardware und zu konkurrenzlos geringen Kosten entstanden. „Deepseeks Modell ist extrem beeindruckend“, sagte Microsoft-Chef Satya Nadella.

Ich denke, wir sollten die Entwicklung in China sehr, sehr ernst nehmen.

Allein die Aussicht, dass die KI-Welt in Zukunft vielleicht doch nicht ganz so süchtig nach immer neuen Nvidia-Hochleistungschips sein könnte, ließ den Börsenwert des Konzerns an einem Tag um 600 Milliarden Dollar einbrechen. Und lieferte nebenbei einen schönen Beleg für das legendäre Zitat von Amazon-Gründer Jeff Bezos:

Ich mache mir keine Sorgen um die Konkurrenten, die wir kennen. Ich mache mir Sorgen um die Konkurrenten, die wir nicht kennen und die irgendwo in einer Garage arbeiten.

Natürlich gibt es auch bei der roten KI-Revolution viele offene Fragen:

Antworten sucht unsere Titelstory zum Wochenende, die mit großem Team innerhalb der vergangenen 48 Stunden zwischen Peking, Düsseldorf und San Francisco entstand.

Schwächelnde KI, starke Zahlen: Bei Apple stiegen Umsätze, Gewinne und Aktien. Foto: dpa

In Sachen KI ist Apple ziemlich hinten dran, und auch das China- und das iPhone-Geschäft schwächeln. Der Erfolg der neuesten iPad- und Mac-Generation und die robusten Umsätze im Bereich Dienstleistungen haben Apple dennoch ein überraschend starkes Quartalsergebnis beschert. „Heute gibt Apple die besten Quartalszahlen aller Zeiten bekannt“, sagte Konzernchef Tim Cook gestern. Der Umsatz sei um vier Prozent auf 124,3 Milliarden Dollar und der Gewinn um rund zehn Prozent auf 2,40 Dollar je Aktie gestiegen. Apple-Aktien stiegen nachbörslich zunächst um drei Prozent.

Und noch ein Thema hat uns die ganze Woche beschäftigt: Friedrich Merz und seine Asylanträge. Gestern gab es nochmal eine neue Volte, als sich Altkanzlerin Angela Merkel aus dem Ruhestand zu Wort meldete und Merz ungewöhnlich deutlich (und fein säuberlich mit Auszügen aus Bundestagsprotokollen belegt) für seine Kehrtwende in Sachen AfD zur Ordnung rief.

Nach Unionsvotum mit AfD: Altkanzlerin Merkel übt scharfe Kritik an Merz Foto: Handelsblatt

Die Frage, die für mich bislang unbeantwortet geblieben ist: Hat der CDU-Kanzlerkandidat das alles genau so geplant, weil er durch den kalkulierten Tabubruch auf jenes Momentum im Wahlkampf hofft, das ihm bislang versagt blieb? Oder hat sich Merz angesichts der Aschaffenburger Mordtat von seinen Emotionen davontragen lassen?

Politik-Ressortleiterin Leila Al-Serori und unser Unions-Reporter Daniel Delhaes sind bei ihren Recherchen im Maschinenraum der CDU auf überraschend viele Stimmen gestoßen, die Letzteres für wahrscheinlich halten. Was zumindest die seltsam kleinlaute Reaktion von Merz am Mittwoch erklären würde, nachdem sein Fünf-Punkte-Plan mithilfe der AfD angenommen worden war („Ich bedaure das“).

Die mühsame Suche nach Mehrheiten hat Daniel Ortega längst hinter sich. Der seit 2007 regierende Präsident von Nicaragua hat gestern seine Vollmachten noch einmal deutlich erweitert. Das Parlament billigte einstimmig eine von ihm vorgelegte Verfassungsreform. Damit wird der 79-Jährige ermächtigt, die Aufgaben der Justiz und der Legislative zu „koordinieren“.

Daniel Ortega, seit 2007 Präsident von Nicaragua, und seine Frau Rosario Murillo. Foto: dpa

Mit der neuen Verfassung wird auch die Rolle des Vizepräsidenten, die Ortegas Ehefrau Rosario Murillo innehat, in die eines „Co-Präsidenten“ umgewandelt. Im Falle des Todes von Ortega würde die 73 Jahre alte Murillo automatisch die Macht übernehmen, ohne dass es eine Neuwahl geben müsste. Nach der neuen Regelung können Präsident und Co-Präsidentin zudem eine unbegrenzte Anzahl von Vizepräsidenten ernennen. Spekuliert wird, dass dafür eines oder mehrere der Kinder von Ortega und Murillo in Frage kommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Sonntag zu einem Kurzbesuch nach London fliegen. Premierminister Keir Starmer nimmt einen Tag später als erster britischer Regierungschef seit dem Brexit am informellen Teil eines EU-Gipfels teil.

Doch der Premier setzt der Annäherung enge Grenzen: Eine Rückkehr in die Zollunion hat er ebenso ausgeschlossen wie den Wiedereintritt in den europäischen Binnenmarkt. Selbst eine sehr begrenzte Personenfreizügigkeit für junge Europäer ist in der aufgeheizten Migrationsdebatte in Großbritannien ein Tabu. Dabei haben sich die Hoffnungen auf niedrigere Migrationszahlen durch den Brexit nicht einmal bewahrheitet, wie unsere Grafik zeigt.

„Die meisten Briten sehen den Brexit inzwischen als großen Fehler“, sagt John Curtice, Meinungsforscher an der Universität Strathclyde. Mehr als die Hälfte der Briten wolle lieber zurück in die EU.

Das heißt aber nicht, dass eine Mehrheit auch für eine immer engere Zusammenarbeit mit den früheren Partnern ist.

Ein Widerspruch, der wohl nur in einem Land zu verstehen ist, in dem man einen Hahn mit kaltem Wasser und einen mit kochend heißem für das Gleiche wie fließend warmes Wasser hält.

Bundeskanzler Olaf Scholz reist am Sonntag zu einem Kurzbesuch für Gespräche mit dem britischen Premierminister Keir Starmer nach London. Foto: Getty Images

Worüber können Starmer, Scholz und die übrigen EU-Regierungschefs dann überhaupt reden? Unser London-Korrespondent Torsten Riecke weiß die Antwort: Den größten Spielraum für eine engere Zusammenarbeit mit der EU gibt es in der Sicherheitspolitik.

Der Gedanke eines Brexit war noch nicht einmal am Horizont aufgetaucht und die EU feierte gerade erst ihre Osterweiterung, da nahm mich meine Londoner Mitbewohnerin Louise eines Nachmittags mit in eine Aufführung von „Black Rider“, der Freischütz-Adaption mit der Musik von Tom Waits. In der Rolle des Teufels auf der Bühne: Marianne Faithfull. Sie spielte und sang die Rolle so beklemmend, als habe sie dem Leibhaftigen jahrelang bei der Arbeit zugesehen.

Marianne Faithfull, die Schauspielerin, Sängerin und Zeugin unzähliger Exzesse des Rock'n'Roll-Zeitalters ist gestern im Alter von 78 Jahren gestorben. Ich bin zuversichtlich, dass für sie ein Platz im Elysium reserviert ist.

Ihnen wünsche ich einen göttlichen Wochenausklang.

Herzliche Grüße,

Ihr

Verwandte Themen Brexit Apple Künstliche Intelligenz Software Großbritannien Friedrich Merz

Christian Rickens

PS: Seit 2009 ehrt das Handelsblatt zu Jahresbeginn herausragende Unternehmerpersönlichkeiten. In die Hall of Fame der Familienunternehmen wurden diesmal aufgenommen: Sabine und Wolf Herold, Hans Beckhoff und Michael Otto. Alles über die Geehrten und ihre Lebensleistung lesen Sie hier.

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