1. Startseite
  2. Arts und Style
  3. Kunstmarkt
  4. Kunstfälschung: Spurensuche nach Bilderfälscher in Paris

KunstfälschungSpurensuche nach Bilderfälscher in Paris

Anfang der neunziger Jahre lieferte Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi alias Fischer drei Gemälde bei einem Pariser Auktionator ein. Darunter befand sich ein mutmaßlich gefälschtes Bild von Auguste Herbin. Ist der Fall verjährt? Über die Auslegung des französischen Rechts herrscht Uneinigkeit.Olga Grimm-Weissert 02.05.2012 - 18:48 Uhr Artikel anhören

Das Gemälde "Maternité" (Mutterschaft) auf dem Cover des Katalogs der Auktion im Hotel Drouot, Paris am 22.11.1991. (Ausschnitt)

Foto: Katalog Drouot

Paris. Wolfgang Beltracchi alias Fischer wurde nur wegen 14 gefälschter Gemälde verurteilt. Er bleibt jedoch diskret, was den Großteil seiner Fälschungen betrifft, deren strafrechtliche Verfolgung nach deutschem Recht verjährt ist. In Frankreich, wo ein bedeutender Teil seiner Fälschungen auf den Markt kam, ist es bereits erwiesen, dass bedeutende Galerien und Kunstmakler viele fragwürdige Bilder umsetzten. Dass Beltracchi auch Pariser Auktionen belieferte, wurde erst im Zuge eines Verfahrens vor dem Pariser Landgericht (Tribunal de Grande Instance) bekannt. Dort reichte die Pariser Galerie Lahumière Klage gegen einen Pariser Auktionator ein.

Am 30. Oktober 1991 lieferte Beltracchi, damals noch unter dem Namen Wolfgang Fischer, persönlich bei dem früher im Hôtel Drouot aktiven Auktionator Jean-Louis Picard drei Gemälde ein. Die Gemälde kamen bereits am 22. November 1991, also nur drei Wochen nach der Einlieferung, zur Versteigerung. Eine kubistische Komposition von Georges Valmier, „Composition cubiste“, 1919, blieb bei einer Taxe von 300.000 bis 400.000 Francs unverkauft, ein Blumenstillleben von Moise Kisling, „Bouquet de fleurs“ 1920, wurde für 600.000 Francs netto zugeschlagen, obwohl die Schätzung 800.000 bis 1 Million Francs betrug. Man weiß nicht, ob es sich bei diesen beiden Gemälden um Fälschungen handelte. Das dritte Gemälde, das auf dem Umschlag des Katalogs abgebildet ist, trägt den Titel „Maternité“ (Mutterschaft) und ist mit 1917 datiert. Die Pariser Galerie Lahumière erwarb es für 953.265 Francs inklusive Aufgeld oder umgerechnet 145.324 Euro (Hammerpreis 780.000 Francs). Zu diesen belegten Fakten um eine Stellungnahme via seines Anwalts Reinhard Birkenstock gebeten, antwortete weder der Anwalt noch das Ehepaar Beltracchi, trotz einer Frist von vierzehn Tagen.

Ergebnis der Pigmentanalyse

Ende August 2011 informierte das Bundeskriminalamt Berlin die Galerie Lahumière, dass ein von ihr 1993 erworbenes Gemälde von Auguste Herbin, „Femme et enfants“ (Frau und Kinder) von 1917 vermutlich zu den von Beltracchi gemalten Bildern zähle. Höchst beunruhigt gab Galerist Jean-Claude Lahumière gleich zwei mit 1917 datierte Herbin-Gemälde seiner umfangreichen Sammlung zur Pigment-Analyse: „Femme et enfants“ und „Maternité“. Denn stilistisch und motivisch sind die beiden  Herbin-Gemälde sehr ähnlich. Die Pigment-Analyse, die dem Handelsblatt vorliegt, ergab, dass für beide Gemälde Titanweiß verwendet wurde, was laut der Labor-Studie „für ein 1917 datiertes Gemälde ziemlich früh scheint. Erst 1918 startete die Produktion und Kommerzialisierung der Herstellung von Titanweiß“. In der Labor-Studie heißt es am Schluss, die Analyse der Pigment-Kompositionen erlaube die Annahme, „dass die beiden Malereien vom gleichen Maler angefertigt wurden“.

Das Gemälde „Femme et enfants“ hatte Lahumière 1993 bei einem der großen internationalen Auktionshäuser erworben, deren Maxime und Praxis in der Affäre Beltracchi darin besteht, ihre Kunden rasch finanziell zu entschädigen. Sie nehmen das fragliche Bild zurück und wenden sich an den Einlieferer wegen Reparationszahlungen. Dies wurde auch im Fall des Herbin-Gemäldes so gehandhabt.

In die Schweiz verzogen

Was den Drouot-Auktionator Jean-Louis Picard betrifft, der „Materinité“ versteigerte, ist der Fall komplizierter, weil Picard inzwischen pensioniert und in die Schweiz gezogen ist. Jean-Louis Picard war in den 1980er-Jahren Partner von Antoine Ader und Jacques Tajan, öffnete 1991 sein eigenes Auktionshaus und gründete 1996 Piasa mit seinen Kollegen Audap, Solanet und Velliet am Sitz des bestehenden Auktionshauses Picard. Piasa wurde im Jahr 2000 von François Pinaults Holding Artémis übernommen und 2011 definitiv von einer Gruppierung von Auktionatoren aufgekauft.

Um Entschädigung für das mutmaßlich falsche Herbin-Gemälde „Maternité“ zu erlangen, wandte sich Jean-Claude Lahumière an den pensionierten Auktionator Picard, der ihn an seinen Nachfolger Piasa verwies. Piasa deutet jedoch auf eine Klausel im Vertrag mit den vier Gründern der Aktiengesellschaft hin, die festlegt, dass die vier Auktionatoren für die Aktivitäten und eventuell daraus resultierenden Reklamationen ihrer früheren Firma verantwortlich bleiben.

Da man sich nicht gütlich einigen konnte, veranlasste Lahumière ein Verfahren beim Pariser Landgericht (Tribunal de Grande Instance) gegen Picard und Piasa, in dem er – gemäß der französischen Gesetzeslage – zuerst die Annullierung der Auktion und anschließend die Rückerstattung der Kaufsumme von 145.324 Euro plus 150.000 Euro Schadenersatz und Zinsen verlangte. Erst daraufhin wurde Lahumière die Identität des Einlieferers Wolfgang Fischer mitgeteilt. Jean-Louis Picard erklärte dem Handelsblatt telefonisch: „Die Galerie Lahumière hat das Recht, die Identität des Verkäufers zu kennen“. Picard übermittelte außerdem sämtliche Unterlagen, die Wolfgang Fischers Einlieferung betreffen (und dem Handelsblatt vorliegen). Daraus geht der Name Fischer und eine Adresse im nordrhein-westfälischen Viersen hervor. Picard händigte auch den Einlieferungsvertrag vom 30. Oktober 1991 und die am 18. Dezember 1991 erstellte Abrechnung für die beiden verkauften Gemälde (Herbin, Kisling) über 1.238.205,99 Francs aus. (Pikanterweise nach Abzügen für „Reinigung, Transport und Folgerechtsabgabe“.) Alle diese Unterlagen liegen dem Handelsblatt vor.

Interpretierungsbedürftige Gesetzeslage?

Der Einlieferer Wolfgang Fischer hatte bei der Herbin-Expertin Geneviève Claisse im Jahr 1991 ein Authentizität-Gutachten für „Maternité“ ausstellen lassen. Inzwischen meint Claisse, dass die beiden Herbin-Gemälde von 1917 nicht authentisch sind. Sie teilt dem Handelsblatt telefonisch mit, dass man vor 20 Jahren das Frühwerk von Auguste Herbin (1882-1960) kaum kannte und die Gemälde sehr feinsinnig gemalt seien. Sie erklärt schließlich: „Nach genauester Studie und auf der Basis von neuen Erkenntnissen äußere ich ernsthafte Vorbehalte bezüglich der Authentizität dieses Werkes“. Sie übergeht, dass sie 1993 das Gutachten für das vom Bundeskriminalamt in Berlin signalisierte Herbin-Bild „Femme et enfants“ ausgestellt hatte.

Auktionator Picard übergeht keineswegs die beiden revidierten Gutachten von Claisse, die als Verwandte von Herbin auch das Urheber-Persönlichkeitsrecht verwaltet. Er betont zusätzlich, dass Jean-Claude Lahumière als großer Sammler von Herbin die Fälschungen nicht erkannte. Überdies versichert er, den Namen Beltracchi niemals gehört zu haben und Wolfgang Fischer niemals begegnet zu sein.

Verwandte Themen Frankreich

Denn der pensionierte Auktionator Picard und sein Anwalt stehen auf dem Standpunkt, dass seine Garantiepflicht inzwischen verjährt sei und Lahumière ihn nicht mehr auf Schadenersatz klagen könne. Über die Verjährungsfrist der Garantie gehen die Meinungen jedoch auseinander, da diese innerhalb der letzten Jahre mehrmals reduziert wurde. Gemäß der Gesetzeslage von 1991 war der Auktionator 30 Jahre lang solidarisch mit dem Experten der Auktion (Thierry Picard, Sohn des Versteigerers) verpflichtet, die Authentizität der Ware dem Käufer gegenüber zu garantieren. Seit den Reformen des französischen Auktionswesens in den Jahren 2001, 2008 und 2011 wurde die Garantiedauer auf zehn und zuletzt auf fünf Jahre reduziert. Diese Frist beginnt erst mit dem Datum, zu dem die Authentizität des ersteigerten Werkes angezweifelt wird.

Im Gegensatz zu Picards Interpretation behauptet der stellvertretende Generalsekretär des französischen Versteigerungsrats (Conseil des Ventes Volontaires), Pierre Taugourdau, dem Handelsblatt gegenüber telefonisch, die Garantie laufe noch.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt