Kunstmesse: Optimistisch und deutlich verjüngt

Köln. Im vergangenen Jahr präsentierten bei der „Art Cologne“, der „Mutter“ aller Kunstmessen, 175 Galerien aus 24 Ländern Arbeiten der von ihnen vertretenen Künstlerinnen und Künstler. In diesem Jahr sind es nur 167 Aussteller, dafür aus 25 Ländern, und von einem Rückgang kann keine Rede sein. Messechef Daniel Hug ist eine Woche vor dem Messestart am Telefon bester Laune und vergleicht die kommende Ausgabe mit der von 1968, als die „Art Cologne“ noch als wichtigste Kunstmesse weltweit galt.
Längst ist gewaltige internationale Konkurrenz zur Kölner Messe nachgewachsen, und in diesem Herbst drängeln sich die Events geradezu: Die „Frieze“ in London endete vor zwei Wochen, die „Art Basel Paris“ letzte Woche, die „Artissima“ in Turin an diesem Wochenende. Auf die Frage, ob die zeitliche Nähe zur „Art Basel Paris“ ein Problem oder eine Chance für die „Art Cologne“ sei, sagt Daniel Hug: „Es ist nur ein Bruchteil von der deutschen Szene in Paris vertreten. Und ich glaube, es ist ein Vorteil.“

Konkurrenz belebt das Geschäft, und für die zahlungskräftige internationale Klientel ist das Messe-Hopping womöglich durch die Terminballung besonders attraktiv. Außerdem erholt sich der Markt tatsächlich spürbar. Das konnte man über die „Art Basel Paris“ einvernehmlich hören und lesen und Daniel Hug nimmt auch im Vorfeld der Kölner Messe eine deutliche Aufbruchstimmung wahr: „Die Anmeldungen von VIPs, Museumsleuten, Direktoren, Kuratoren und Museumsbesuchern sind in diesem Jahr viel besser. Die Zahlen haben sich quasi verdreifacht. Es gibt also viel mehr Interesse als im Vorjahr. Ich weiß nicht, woran es genau liegt.“
An der Weltlage bestimmt nicht, denn die ist unverändert krisenhaft und die Aussichten sind mindestens unklar. Und trotzdem erholt der Kunstmarkt sich, das nehmen auch die nach Köln kommenden Galerien wahr, auch wenn die angelsächsischen mit ihren weltweiten Filialnetzen wie Gagosian, Hauser & Wirth, David Zwirner oder Pace nicht oder nicht mehr nach Köln kommen. Dafür bleiben andere Branchengrößen wie Thaddaeus Ropac, Sprüth Magers, Karsten Greve und Nagel Draxler Köln treu und kommen mit hochkarätigem Angebot.

Für die Galerie Ropac, die im September gerade eine neue Filiale in Mailand eröffnete, hat Arne Ehmann, Direktor des Salzburger Stammhauses, den Kölner Messeauftritt konzipiert und ist optimistisch: „Nach einer kommerziellen Durststrecke in den Monaten Juli bis September ist der Kunstmarkt auf den Messen in London und Paris wieder zu früherer Stärke zurückgekehrt. Wir hoffen nun, dass sich dieser Trend auch in Köln fortsetzt. Deutschland ist einer unserer wichtigsten Märkte.“ Es hätten sich wichtige Sammler angekündigt, sagt Ehmann und auch die überraschende Nachricht, dass der Ifo-Index im Oktober leicht gestiegen ist, gebe Hoffnung.
Für Köln spreche zudem, dass die Messe mit so wichtigen Museumsausstellungen wie etwa „Fünf Freunde“ im Museum Ludwig zusammenspiele, die zusätzliches Publikum anziehe. Ropac präsentiert in Köln unter anderem Werke von Daniel Richter, Martha Jungwirth und Valie Export, preislich im Millionenbereich liegen das taufrische, 3 mal 4,5 Meter große Ölbild „Traumflug sex“ von Georg Baselitz für 2,2 Millionen Euro und Robert Rauschenbergs Acrylbild, „Wall Rites (Salvage)“ von 1984 für 2,3 Millionen Euro.

Auch die Düsseldorfer Galerie Schönewald ist seit 30 Jahren Stammgast in Köln, Ulla Gansfort ist geradezu euphorisch: „Die Katharsis des Kunstmarkts ist allgegenwärtig. In diesen unruhigen Zeiten ist der Glaube an die Kunst und Kultur ungebrochen. Sie stiftet Sinn und Kraft“. Im Angebot hat die Galerie eine Werkauswahl von Gotthard Graubner, Gerhard Richter und wieder Georg Baselitz, außerdem Werke der frisch gekürten Trägerin des Goslarer Kaiserrings Katharina Fritsch, von der eine leuchtend rote Lack-Muschel für 36.000 Euro zu haben ist. Es sind aber nicht nur solche etablierten Angebote und die traditionsreichen Galerien für die klassische Moderne wie Ludorff aus Düsseldorf mit Werken von Max Liebermann, Ernst Ludwig Kirchner und einem wunderbaren Porträt von Lotte Laserstein, Thole Rotermund aus Hamburg, ebenfalls mit Kirchner, August Macke und Georg Baselitz, oder die Zürcher Galerie von Vertes mit Werken von Gabriele Münter und Ernst Wilhelm Nay, die auf Nachfrage hoffen dürfen und für gute Stimmung sorgen.
Frischer Wind durch junge Galerien
Frischen Wind bringen die jungen Galerien und neue Impulse, die auf den Markt drängen. „Es ist eine Umbruchzeit, es gibt eine ganz neue Generation von jungen Galerien, die jetzt an der Art Cologne teilnehmen. Das habe ich auch in Paris gesehen“, sagt Daniel Hug. „Ich glaube, das liegt bei uns am Sektor ‚Neumarkt‘. Der ist ziemlich preisgünstig und letztes Jahr waren die Verkäufe ziemlich gut und das hat sich rumgesprochen.“ Der Sektor für neue Galerien, die unter 13 Jahre alt sind, listet in diesem Jahr 34 Aussteller, im letzten Jahr waren es noch 26. Aus São Paulo kommt etwa Yehudi Hollander-Pappi, die eine großformatige mechanische Installation von Adriano Amaral aufbauen werden. „Besonders stolz bin ich auf Sweetwater aus Berlin, The Pill aus Istanbul, The Stable aus Graubünden, Zazà aus Mailand und Clementin Seedorf aus Köln“, sagt Daniel Hug. Neu ist auch die Galerie Tütar aus dem estnischen Tallinn. Mailis Timmi, Gründerin und Direktorin der Galerie, bezeichnet es als „wichtigen Schritt“, in Köln dabei zu sein und die Kunst eines baltischen Künstlers wie Tõnis Saadoja einem breiteren Publikum vorzustellen, dessen ruhige Arbeiten suggestiv analoge Filmfragmente mit Erinnerungen an Orte seiner Kindheit verbinden.


Für die Kölner Aufbruchstimmung spricht auch die spontane Satellitenmesse „Neu Cöln“, die auf Initiative lokaler Galeristen und Musiker erstmals im filigranen Riphahn-Bau neben dem Kunstverein installiert wird. Neben der Ausstellung mit 45 aktuellen künstlerischen Positionen von 35 Galerien sind auch elf Konzerte angekündigt, an denen sich bekannte Namen wie Gisela Capitain, Esther Schipper und Christine König beteiligen, die auch auf der Art Cologne vertreten sind, aber auch junge Galerien wie Cherry Hill aus Köln oder Kammer aus Hamburg. Die Satellitenmesse versteht sich nicht als Konkurrenz zur „Art Cologne“, sondern agiert im besten Einvernehmen mit ihr. Auch das darf man deuten als Signal des Aufbruchs und der Verjüngung.





