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MarktbildMit starken Frauengestalten zum Erfolg

Die Malerin Artemisia Gentileschi arbeitete zu ihren Lebzeiten für Fürsten und Könige. Nach ihrem Tod geriet sie zunehmend in Vergessenheit, heute gehen die Preise ihrer Gemälde in die Millionen.Kranzfelder, Ivo 17.07.2025 - 16:52 Uhr Artikel anhören
Blick auf ein unsichtbares Ereignis: Artemisias Gemälde „Judith und ihre Magd“ ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Foto: © Wikimedia Commons

München. Sie malte das Bild im Alter von ungefähr 22 Jahren, gegen 1615. Dargestellt sind zwei Frauen. Bei der linken handelt es sich um Judith, die gerade den assyrischen Feldherrn Holofernes verführt und dann geköpft hat, um das Volk Israel zu retten. Bei der rechten um ihre Magd, die den Korb mit dem abgetrennten Schädel mit bemerkenswerter Beiläufigkeit hält, wie einen Einkaufskorb, in dem genauso gut ein Kohlkopf liegen könnte. Mindestens ebenso bemerkenswert ist, dass beide Frauen nach rechts aus dem Bild hinausblicken, ihre Aufmerksamkeit also bereits auf ein anderes, nicht sichtbares Ereignis richten.

Artemisia Gentileschi (1593–1653) war zu ihren Lebzeiten eine hochgeachtete, berühmte Malerin, die zeitweise ein großes Atelier mit Mitarbeitern unterhielt, zeitweise aber auch unter Geldnot litt. Sie arbeitete in ihrer Geburtsstadt Rom, in Neapel, in Florenz für die Medici, in Venedig und in England für Charles I., für den sie wahrscheinlich das Gemälde „David mit dem Kopf Goliaths“ malte, das am 2. Juli bei Sotheby’s 1,99 Millionen Pfund einspielte. Nach ihrem Tod geriet sie mehr und mehr in Vergessenheit, bis 1916 der Kunsthistoriker Roberto Longhi eine Monografie über Vater und Tochter Gentileschi veröffentlichte.

Mordwerkzeug Zeltpflock: Jaël tötet den kanaanitischen Feldherrn Sisera in Artemisias Ölbild unaufgeregt, ja emotionslos. Foto: © Wikimedia Commons

Ein weiteres Bild von Artemisia im Museum der Schönen Künste, Budapest, ähnlich der Episode mit Judith und Holofernes, zeigt Jaël, die den kanaanitischen Feldherrn Sisera tötet, indem sie ihm im Schlaf mit einem Schmiedehammer einen Zeltpflock durch die Schläfe treibt. Und zwar nach der Niederlage seines Heeres gegen die Israeliten und nach dem Friedensschluss. Auch hier geht die Frau mit äußerster Konzentration zu Werke, unaufgeregt, ja emotionslos verrichtet sie ihre Arbeit.

Artemisias Kunst, in der starke und selbstbewusste Frauengestalten eine bedeutende Rolle spielen, wird oft mit ihrer Biografie verknüpft. Insbesondere weil sie im Alter von 17 Jahren von ihrem Lehrherrn, dem mit ihrem Vater befreundeten Agostino Tassi, vergewaltigt wurde – woraufhin ihr Vater Orazio ein halbes Jahr später einen Prozess anstrengte.

Doch liegen ihre Themen nicht nur in ihrem persönlichen Schicksal begründet, denn Gentileschi berücksichtigte als eigenständige und erfolgreiche Künstlerin und Geschäftsfrau mindestens ebenso sehr die Anforderungen des damaligen Markts, auf dem solche Motive bei Kunstliebhabern und -käufern gefragt waren. Das verdeutlicht ihr erstes signiertes Bild, das ebenfalls mit sexueller Belästigung zu tun hat: Es zeigt „Susanna und die Alten“, ist auf 1610 datiert – und damit vor der Vergewaltigung entstanden – und befindet sich heute in den Kunstsammlungen des Grafen Schönborn in Pommersfelden.

Identische Figur: Artemisias Kleopatra, die bei Pandolfini Casa d’Aste für 480.000 Euro zugeschlagen wurde, ist von einer ihrer Magdalenen im Grunde nur durch das Attribut der Schlange zu unterscheiden. Foto: © Pandolfini Casa d’Aste, Florenz

Beim Vergleich einer „Büßenden Magdalena“ von circa 1625 bis 1630, die aktuell beim Kunsthandel Robilant + Voena zu erwerben ist, und einer „Kleopatra“, die im Mai in Florenz bei Pandolfini Casa d’Aste für 480.000 Euro zugeschlagen wurde, wird Artemisias Vorgehensweise ersichtlich. Denn die Figur selbst ist in beiden Bildern quasi identisch. Im Prinzip wurde nur der für Magdalena typische Totenkopf durch eine kleine, für Kleopatra typische Schlange in der rechten Hand ausgetauscht.

Eine fast doppelt so große, ganzfigurig sitzende, üppig bekleidete Magdalena erzielte im Dezember letzten Jahres bei Sotheby’s in London 1,4 Millionen Pfund, blieb damit allerdings unter den Erwartungen. Im Juli 2021 hatte am selben Ort eine in ihrer Zärtlichkeit und der Kostbarkeit der Ausführung hinreißende liegende Venus, von Cupido liebkost und umarmt, lässig einen Pfeil aus seinem Köcher in der Hand haltend, mit einem Ergebnis von zwei Millionen Pfund bei einer Taxe von 600.000 überrascht. Vermutlich war der erste Besitzer der römische Kardinal Antonio Barberini, in dessen Inventar 1644 ein Bild mit einer passenden Beschreibung auftaucht.

Allerdings könnte es sich bei Barberinis Bild genauso gut um die „Schlafende Venus“ von etwa 1626 aus dem Virginia Museum of Fine Arts in Richmond gehandelt haben. Neben deren auf einem Kissen ruhendem Kopf hält hier ein Cupido einen Fächer aus Pfauenfedern in die Höhe – vielleicht ein dezenter Hinweis oder ein Signal an den männlichen Auftraggeber oder Betrachter? Der Cupido blickt auf das Gesicht der Venus, das im Profil zu sehen ist, der Körper in einer Drehung hingegossen – ein Pin-up der alleredelsten Art, das, insbesondere angesichts des Ausdrucks des Gesichts im Schlaf oder Traum, ein Mann so wohl nicht hinbekommen hätte. Dazu im Fensterausblick eine Landschaft mit dem Tempel der keuschen Vesta, ausgerechnet. In vielen Bildern Artemisias zeigt sich neben ihrem Können ein subtiler Humor, eine selbstbewusst-raffinierte Ironie, eine Originalität, die man nur bei den Meistern des Fachs findet.

Es ist verführerisch, in Frauendarstellungen von Malerinnen, religiösen wie mythologischen, Selbstporträts zu vermuten, insbesondere dann, wenn man einen Bezug zur Person der Künstlerin herstellen kann. Speziell das Motiv der Lukretia, die bekanntlich nach einer Vergewaltigung Selbstmord beging, eignet sich im Falle von Gentileschi dafür ausgezeichnet. Das schlägt sich auch im Preis nieder. 2018 ging eine Gentileschi-Lukretia im Dorotheum für 1,6 Millionen Euro, ein Jahr später eine andere Version bei Artcurial für vier Millionen.

Identischer Kopf: Artemisias Selbstbildnis als Lautenspielerin ist eng verwandt mit ihrem Selbstporträt als Katharina von Alexandria. Foto: © Wikimedia Commons

Ebenfalls 2018 erwarb die National Gallery in London ein „Selbstporträt als Katharina von Alexandria“ von circa 1615 für 3,6 Millionen Pfund bei einem Londoner Kunsthändler, der 2017 auf einer Auktion in Paris dafür 1,85 Millionen Euro bezahlt hatte. Sie habe sich selbst als Märtyrerin dargestellt, hieß es, man sprach von weiblichem „Empowerment“. Dabei hat Gentileschi exakt ihren Kopf aus dem etwas früher oder fast gleichzeitig entstandenen „Selbstbildnis als Lautenspielerin“ wiederverwendet. Projektionen der Gegenwart auf die Vergangenheit funktionieren selten, schon gar nicht wenn sie mit Moral oder Ideologie unterfüttert sind.

Dankenswerterweise geschieht das kaum in der aktuellen Pariser Ausstellung zu Artemisia Gentileschi im Musée Jacquemart-André, obwohl der Untertitel „Heldin der Kunst“ darauf hindeutet. Die wunderbare Schau im Musée Jacquemart-André, in der auch einige der oben erwähnten Bilder zu sehen sind, läuft noch bis zum 3. August.

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