Neuerscheinung: Alfred Gunzenhauser – Der unerschrockene Galerist

Chemnitz erhielt den Zuschlag für die Privatsammlung Alfred Gunzenhausers. Blick auf das 2007 eröffnete Museum Gunzenhauser.
Düsseldorf. Alfred Gunzenhauser wusste schon als angehender Student, in welche Richtung er sein Leben steuern wollte. „Ich habe mich für Volkswirtschaft entschieden aus dem heute lächerlichen Argument heraus, dass ich um Bilder zu sammeln, sehr viel Geld haben sollte.“
Damals ahnte der Spross einer schwäbischen Unternehmerfamilie noch nicht, dass er einmal ein bedeutender Galerist werden würde. Einer, der Menschen das Sehen beizubringen wusste, ein Kunstliebhaber und -vermittler in einer Person, ausgerüstet mit ansteckendem Charisma und einem ausgeprägten Geschäftssinn gleichzeitig.
Der Fotograf Stefan Moses hat diese Facette seiner Persönlichkeit 1986 in einem Porträt eingefangen, auf dem der 60-Jährige mit lang ausgestreckten Beinen und entschlossen vor der Brust verschränkten Armen auf einem Stuhl mitten in seiner Münchener Galerie posiert. Neben ihm ein schwarzer Lackkoffer.
Es gibt wohl kein Detail, das Stephan Dahme für seine Biographie Gunzenhausers nicht nach allen Richtungen hin abgeklopft hätte. Der komplette dokumentarische Nachlass aus dem Archiv des Museum Gunzenhauser in Chemnitz stand ihm dafür zur Verfügung. „Ich fühlte mich verantwortlich, das zu nutzen“, berichtet der bei der Klassik Stiftung Weimar beschäftigte Kustos auf Nachfrage des Handelsblatts.
Herausgekommen ist ein über 270 Seiten dickes, opulent bebildertes Buch, das mit der Bezeichnung Biographie nur unzureichend charakterisiert ist. Im Prinzip entwirft Dahme an der Person Gunzenhauser entlang ein kunst- und kulturhistorisches Panorama, das neun Jahrzehnte Lebenszeit und annähernd 70 Jahre Kunstmarktgeschichte umspannt.

Manchmal ließ er Arbeit Arbeit sein und ging mit seinen Freunden „auf und davon durch den Frühling“ im Neckartal. Abgebildet sind die Seiten 38 f.
Gunzenhauser besaß eine besondere, aus Neugier und Lebensfreude gespeiste Art von Mut. Als Andere angesichts der sich zuspitzenden politischen Lage in Berlin kurz vor dem Mauerbau erschrocken das Weite suchten, ergriff er 1961 die Chance eines Volontariats bei Gerd Rosen. Dessen Galerie galt als „Keimzelle der Berliner Kunstszene“. In den frühen achtziger Jahren wagte er während eines Konjunktureinbruchs die Expansion nach New York, um Zugriff auf bedeutende Werke von Alexej von Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, Gabriele Münter oder Georg Schrimpf zu erhalten.
Listig war Gunzenhauser auch, vor allem, wenn er ein Bild unbedingt haben wollte. So erzählte der 24-Jährige dem Maler Willi Baumeister, er hätte eine „winzig kleine Erbschaft“ gemacht. Tatsächlich bezahlte er mit einem im Casino erspielten Guthaben.

1986, als Moses Gunzenhauser porträtierte, befand sich der Galerist im Zenit seiner kunsthändlerischen Existenz. Seit seinem Umzug in die Maximilianstraße 1975, gehörte er zur ersten Riege der Münchener Galeristen. Er saß damit auch gleich als Sammler an der Quelle. Neben ihm Schwergewichte wie Günther Franke, Raimund Thomas und Arnoldi-Livie, die ebenfalls mit Klassischer Moderne handelten. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst waren Heiner Friedrich, Otto van de Loo und Ingvild Götz seine Nachbarn.
Gunzenhausers Visitenkarte zum Einstand: eine museale Sonderschau zum Blauen Reiter, für die ihm ein mit den Jahren sukzessive aufgebautes internationales Netzwerk aus Galeristen, Kunsthändlern, Museen und Sammlern Leihgaben und Kommissionsware zur Verfügung gestellt hatte.
Henri Nannens teuerste Erwerbung
Kollegen und Kunden wie Bundespräsident Walter Scheel reagierten begeistert, oder wurden auf ihn aufmerksam wie Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, der Duisburger Bauunternehmer und Kunstsammler Hans Grothe oder Henri Nannen, Gründer und Herausgeber des Magazins Stern.
Nannen verkaufte Gunzenhauser nach harten Verhandlungen „Die Blauen Fohlen“ von Franz Marc aus der Expressionistensammlung Grothes. Es wurde das teuerste Bild in der Nannen-Sammlung und das Aushängeschild seiner Kunsthalle in Emden, wie später seine Frau Eske Nannen verriet.
Schilderungen von Mitarbeitern und Zeitzeugen zeichnen ein lebendiges Bild von Gunzenhausers Persönlichkeit. Doch man hätte gern mehr über ihn erfahren. Wer seine Wege begleitete, bleibt weitgehend im Dunkel.
Als Sammler furchtbar gierig
Der Kunstmarkt-Redakteur Christian Herchenröder charakterisierte 2008 seine facettenreiche Persönlichkeit: „Kommunikationsfreude, barocke Präsentationslust, produktive Unruhe und jene furchtbare Gier, ohne die sich kein Sammler seines Kalibers selbst verwirklichen kann.“
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Gunzenhauser habe eingekauft wie ein Sammler, nicht wie ein Händler, erinnert sich der jüngere Weggefährte und Galerist Michael Haas. Ihm gab er für Auktionen sogar Blankoschecks, wenn es um die Ersteigerung eines Werks von Otto Dix oder Willi Baumeister ging. Dann „war sein ganzer Geiz vergessen“.

Gunzenhauser konnte zwar offensiv auf Menschen zugehen. Er liebte jedoch das Versteckspiel. So brachte er das Kunststück fertig, die Suche nach einem Standort für sein im Dezember 2007 eröffnetes Museum in Chemnitz, für das er seine Sammlung gab, lange Jahre geheim zu halten.
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