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NS-RaubkunstRestitutionsverfahren in Deutschland: Hürden sollen beseitigt werden

Für strittige Fälle von NS-Raubkunst rief Deutschland vor 20 Jahren eine „Beratende Kommission“ ins Leben. Ihre Effizienz lässt zu wünschen übrig. Nun hat sie sich eine Reform verordnet und fordert von der Politik eine gesetzliche Regelung.Christiane Fricke 28.09.2023 - 08:34 Uhr Artikel anhören

In seiner letzten Empfehlung empfahl die Beratende Kommission Wassily Kandinskys Gemälde „Das Bunte Leben“ (1907) den Erben der jüdischen Eigentümer zurückzugeben.

Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus

Düsseldorf. Sie dauern zu lange, sie enden immer wieder in Sackgassen oder kommen erst gar nicht zustande: Verfahren zur Rückgabe von NS-Raubkunst in Deutschland. Trotz zahlreicher, vor allem privater, aber diskret abgewickelter Restitutionen: Die moralische Selbstverpflichtung, auf die sich vor 25 Jahren 44 Staaten auf einer Konferenz in Washington verständigten, erfährt Grenzen.

Und mit der Moral ist auch die vor 20 Jahren eigens eingerichtete „Beratende Kommission NS-Raubgut“ – ehemals Limbach-Kommission genannt – nicht so weit gekommen wie gedacht. Nur 23 „Empfehlungen“ sprach sie in den zwei Jahrzehnten ihres Wirkens in den besonders strittigen Fällen aus, für die sie eingerichtet wurde.

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Angesichts dieser ernüchternden Bilanz ist es kein Wunder, dass die Beratende Kommission mit einem selbstkritischen und einschneidende Veränderungen einfordernden Memorandum an die Öffentlichkeit trat. Worauf man schon länger gehofft hatte, kam nun gerade noch rechtzeitig, bevor auf anstehenden Jubiläumsfeierlichkeiten das Ausland mit dem Finger auf das Land der Täter zeigen würde.

Nichts weniger als durchgreifende Korrekturen an ihrer eigenen Struktur und ein Restitutionsgesetz fordert das Gremium um den ehemaligen Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier in seinem siebenseitigen Memorandum. Wichtigster Ansatzpunkt: die einseitige Anrufbarkeit der Kommission.

Bisher waren Opfer und ihre Nachfahren auf die freiwillige Mitwirkung der Museen angewiesen, wenn sie ein Verfahren vor der Kommission in Gang setzen wollten. Eine Pattsituation wie in Bayern im Fall von Picassos Bildnis „Madame Soler“ aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen soll es zukünftig nicht mehr geben.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes und Vorsitzender der Beratenden Kommission NS-Raubkunst, Hans-Jürgen Papier, fordert ein Restitutionsgesetz für NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut.

Foto: epd

Auf dem Prüfstand steht auch die fehlende Bindungswirkung der Entscheidungen. Bislang konnte die Beratende Kommission nur Empfehlungen aussprechen. Die Träger öffentlicher Einrichtungen können, aber müssen sich nicht daran halten. Zwar seien die bisherigen 23 Empfehlungen umgesetzt worden, doch in einigen Fällen „gegen starke Widerstände und nur aufgrund öffentlichen und medialen Drucks“, heißt es in dem Papier.

Voraussetzung dafür, dass die Kommission verbindliche und damit vollstreckbare Entscheidungen erlassen kann, ist jedoch eine rechtlich normative Regelung. „Gefordert ist mithin der Gesetzgeber.“ Im Endeffekt hieße das, die Kommission als obere Bundesbehörde oder als rechtlich selbstständige juristische Person zu institutionalisieren und sie umzubenennen. Denn eine „beratende“ Kommission wäre sie dann nicht mehr. Damit zusammen hängt schließlich die Forderung, auch für Kulturgüter in privater Hand ein Restitutionsgesetz zu schmieden.

Einem umfassenden, sich nicht auf Freiwilligkeit beschränkenden Restitutionsgesetz stünden jedoch komplexere, das Verfassungsrecht berührende Hindernisse entgegen. Dazu gehören die Verjährung, auch nach dem Alliierten-Rückerstattungsrecht, das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen, der gutgläubige Erwerb oder die „Ersitzung“, die bereits zehn Jahre nach einem Erwerb in gutem Glauben eintritt. Müssten Eigentümer ihr gutgläubig erworbenes Kulturgut wieder herausrücken, müssten sie entschädigt werden.

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Die Berliner Rechtsanwälte Peter Raue und Felix Stang forderten vor diesem Hintergrund bereits einen Entschädigungsfonds so wie er im Jahr 2000 für die Entschädigung der Zwangsarbeiter eingerichtet wurde. In diesen zahlten seinerzeit die öffentliche Hand und große Industrieunternehmen wie Mercedes ein.

Dass eine deutsche Vorschrift die Wiedergutmachung durch Restitution wieder verhindert, bezeichnete Raue im Deutschlandfunk als einen „Skandal“. Juristisch sei er nicht leicht zu beseitigen; aber dessen Folgen würden „durch einen solchen Fonds erträglicher gemacht“.

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Die Restitution von Kulturgütern: Ein politisches Projekt

Es ist naheliegend, dass Raue und Stang an eine Entschädigung zum Erwerbspreis denken. Denn wie muss so ein Fonds aufgestellt sein, der nach Marktpreisen entschädigt? Exorbitant hohe Summen müssten sich dafür in seinem Topf befinden. Ein paar Millionen oder gar Milliarden würden nicht reichen.

Kunst ist zu einem Objekt geworden, mit dem spekuliert wird. Die Frage stellt sich, ob man verlangen kann, dass der Wertzuwachs von Vater Staat ausgeglichen wird.

Im Übrigen wäre die Kommission gut beraten, die Provenienzforschung in ihre Reformüberlegungen mit einzubeziehen. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete der Verein „Arbeitskreis Provenienzforschung“ in einer Mitte September veröffentlichten Stellungnahme. Darin merkt der Verein außerdem mit Recht an, dass die 23 von der Beratenden Kommission verhandelten strittigen Fälle in keiner Weise die bislang geleistete Arbeit und die Vielzahl der Rückgaben spiegeln würden. Aber woran liegt es?

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7500 museale Objekte und knapp 25.000 Bibliotheksgüter und Archivalien wurden laut dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste von der öffentlichen Hand seit 1998 restituiert. „Die tatsächlichen Zahlen sind indes höher, da es keine Meldepflicht und kein zentrales Register gibt“, konstatiert der Arbeitskreis, und drängt einmal wieder darauf, erarbeitete Forschungsergebnisse transparent zu kommunizieren.

In Deutschland wirkt die Provenienzforschung noch aus dem Hintergrund heraus. Sie kann immer nur hoffen, dass auf der Basis ihrer Erkenntnisse die richtigen Entscheidungen für oder gegen eine Rückgabe gefällt werden. Deshalb sollte am Ende auch die Provenienzforschung gestärkt und institutionalisiert werden, nicht nur die Beratende Kommission.

Mehr: Restitutionsverfahren in Deutschland: Die Nadel im Heuhaufen

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