Paris+ par Art Basel: Gedämpfter Messe-Auftakt an der Seine

Louisa Gagliardis „Roundabout“ ist ein Bild, das so irritiert, dass man zwei Mal hinschaut. Eva Presenhuber hat es für 75.000 Dollar auf ihrem Stand.
Paris. Die Schweizer Veranstalterin MCH versuchte noch unmittelbar vor der Eröffnung der zweiten „Paris+ par Art Basel“ zu beruhigen: Die bis Sonntag dauernde Messe im Grand Palais Éphémère sei sicher. Nicht nur der französische Staat habe die Sicherheitsvorkehrungen seit der Ermordung eines Lehrers durch einen vermutlich islamistischen Täter stark erhöht. Auch die Messe habe dies für ihre 154 Aussteller und deren Gäste getan. Doch tatsächlich waren die Taschenkontrollen am Eingang lax; es gab keine Schleusen mit Metalldetektoren wie in Basel.
Allein, die Beruhigungsmail von Noah Horowitz, seit einem Jahr CEO der „Art Basel“, hat nicht viel genützt. Kunst, insbesondere die bisweilen überbewertete zeitgenössische, bedarf der Leichtigkeit des Seins sowie der Freude am Geldausgeben und am Feiern der Trophäen im Kreis von Freunden und Familie. Das ist durch den Krieg in der Ukraine und die Gefahr eines Flächenbrands in Nahost sehr viel weniger gegeben.
Mittags am ersten VIP-Tag bildeten sich am Einlass nur kleine Warteschlangen. Kein Vergleich zu dem gewaltigen Ansturm hochgestimmter Sammlerinnen und Sammler vor einem Jahr. Eine wichtige französische Galeristin bestätigte das Fernbleiben etlicher US-Sammler. Und so sah man ein paar Galeristen starr mit ihrer Mannschaft um den Sofatisch sitzen und mit dem Handy spielen.
Was bietet diese Messe, die den Exzellenzanspruch der Art Basel mit französischem Esprit verknüpfen möchte? Sie ist erfreulicherweise französischer als 2022. Und sie setzt auf gut eingeführte Namen quer durch alle Generationen. Das soll das Vertrauen schaffen, Geld in Kunst zu investieren. Denn die Konzernmesse ist teuer, da muss Umsatz gemacht werden.
Viele Millionen müssen Sammlerinnen und Sammler dann auch aufwenden, wenn sie sich für den Hauptmeister der transzendenten Kunst interessieren, für den eingewanderten Amerikaner Mark Rothko. Die Großgalerie Pace mit ihrem weltweiten Netz arbeitet mit dem Nachlass zusammen und hat die soeben eröffnete Rothko-Ausstellung in der privaten Fondation Louis Vuitton am Rand von Paris mitorganisiert.

Blick in die Koje der Galerie Cecile Fakhoury mit einem Porträt von Elladj Lincy Deloumeaux (li.)
Auf der Messe trumpft Pace deshalb mit Rothkos Spätwerk „Olive over Red“ auf. Es soll 40 Millionen Dollar kosten und markiert die Preisspitze der Paris+. Darum herum hat die Megagalerie Bilder und auch Videos von Künstlern arrangiert, die Rothko viel verdanken, etwa Agnes Martin, Lee Ufan oder Michal Rovner.
>> Lesen Sie hier: Prozess in Paris: Renommierter Kunsthändler steht wieder vor Gericht
Mit bekannten Namen verbeugt sich eine Reihe von Ausstellern vor Frankreich. Die Galerie Massimo de Carlo hat ein großes Schwarz-Weiß-Porträt des Dichters Arthur Rimbaud prominent platziert. Gemalt hat es der in Paris lebende Chinese Yan Pei-Ming. Kostenpunkt: 300.000 Euro. Hunderttausend mehr erwartet Thaddaeus Ropac für Yans Doppelbildnis des kleinen Picasso mit seiner Schwester, gemalt in dickem blauen Farbauftrag.
Die soeben von vier auf drei Teilhaber zurückgeführte Galerie Levy Gorvy Dayan lenkt den Blick der Besucherinnen und Besucher auf eine überlebensgroße Skulptur des späten Aristide Maillol. Die grün patinierte Bronze einer Liegenden verbreitet Leichtigkeit und Sinnenfreude, stellt sie doch eine Personifikation des Flusses dar. Für die sich rekelnde Figur aus einer Auflage von zwölf Exemplaren werden bei Gefallen 3,5 Millionen Dollar fällig.
Extrem gefragt und deshalb recht teuer sind zurzeit wegen ihrer Museumspräsenz die Maler Philip Guston und Victor Man. Von Guston, dem Amerikaner aus Kanada, der die rotzfreche Malerei einführte und einst Georg Baselitz beeindruckte, hat die Galerie Nahmad Contemporary „Studio Rug“ mitgebracht. Das 1976 entstandene Bild stellt den Blick von oben auf einen einfachen Teppich über den Atelierdielen dar. 4,8 Millionen Dollar soll das kurz vor Gustons Tod gemalte Werk kosten.
Victor Man heißt der verschlossene Maler von surreal anmutenden Szenen, die meist im Dunklen spielen. Den 49-jährigen Rumänen würdigt das Städel Museum momentan in einer Einzelausstellung. Die Galerie Hetzler hat ein Großformat „Verklärte Nacht“ und eine winzige erotische Szene dabei. Nach wenigen Stunden waren beide verkauft, „in europäische Institutionen“ für Preise zwischen 280.000 und über einer Million Euro.

Die Galerie Pilar Corrias präsentiert auf der Paris+ par Art Basel eine Gemeinschaftsarbeit von Rirkrit Tiravanija & Vivien Zhang.
Nicht alle zeitgenössische Kunst ist so teuer. Am Stand der Konrad Fischer Galerie überrascht Thomas Ruff mit einer neuen Serie, für die er wieder selbst die Kamera in die Hand genommen hat, anstatt bestehendes Material zu verändern. Zu sehen sind reizvolle Lichtspuren von selbst gebauten Drahtgebilden. Aus einer Fünferauflage kosten sie 30.000 Euro ohne Mehrwertsteuer. Da griffen Sammler zu.
Die Abteilung mit jüngeren Galerien und kleineren Ständen ist besser kuratiert als beim Debüt 2022. Statt auf Stromlinienförmiges trifft man diesmal auf höchst individuelle Handschriften und Herangehensweisen. Ein paar seien vorgestellt.
>> Lesen Sie hier: Highlights-Messe in München: Gelungene Mischung aus Alt und Neu
Die Pariser Galeristin Marcelle Alix ermöglicht eine Wiederentdeckung von Mira Schor, einer heute 73-jähigen Amerikanerin. In den 1970er-Jahren hat Schor tagebuchartige Notizen auf Reispapier geschrieben und zu zarten, allseitig bemalten Masken geformt. Deren Preise beginnen bei 18.500 Dollar zuzüglich Mehrwertsteuer. Das große Bild „Dress, Nikke“ liegt bei 66.000 Dollar.
Der Art-brut-Galerist Christian Berst hatte schon nach kurzer Zeit viele rote Punkte an Werken der Tschechin Anna Zemanková (1908–1986) kleben. Die Außenseiterkünstlerin belegt eindrücklich, warum die Art brut in jede große Kunstsammlung gehört. Wie Zemanková Blüten in organischen Schwüngen formt oder wie sie streng gerastert gemalte Muster mit Objekten zu Collagen erweitert, ist ein Vergnügen. Verkauft werden die Blätter aus dem Nachlass zu Preisen zwischen 8000 und 40.000 Euro.
Afrikanisch inspirierte Kunst ist in französischen Galerien viel präsenter als in deutschen. Anne Barrault etwa präsentiert Neïla Czermak Ichti, Rayane Mcirdi und Ibrahim Meïté Sikely. Alle drei zeigen mittels figurativer Malerei die Spuren von systemimmanenter Ungerechtigkeit und schaffen sich so neue gedankliche Freiräume.
Physische Freiräume hat der Kölner Galerist und Paris+-Aussteller Thomas Zander gesucht und in Paris gefunden. Diese Woche wurde ein Projektraum in Saint Germain eröffnet, der eine Spielwiese für die Künstler von Zanders Programm sein soll. „Die Kombination von Tradition, Modernität und Zeitgeist in Paris ist einmalig“, schwärmt Zander.
Mehr: Satellitenmessen in Paris: Chancen auch für junge Kunst





