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SorgfaltspflichtenDue Diligence im Handel: Kunst ist anfällig für Schindluder

Wer in Kunst investiert, sollte Geldwäschevorschriften, Eigentumsrechte und die Echtheit des begehrten Werks prüfen. Doch ein Pflichtenkatalog für Privatsammler fehlt noch.Stefan Kobel 20.12.2023 - 12:30 Uhr

Luxemburg. Due Diligence ist bei Unternehmensübernahmen oder Immobiliengeschäften selbstverständlich, im Kunstmarkt dürfte hingegen schon der Begriff erklärungsbedürftig sein. Mit dem Terminus, für den es keine deutsche Entsprechung gibt, wird die Recherche beschrieben, die vor größeren Unternehmensübernahmen betrieben wird. Zu diesem Zweck richtet das Unternehmen, das zum Verkauf steht, einen sogenannten Datenraum ein, in welchem dem Käufer sämtliche relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

Während das Prozedere im Bereich Mergers and Acquisitions (M&A) auf Konzernebene längst Standard ist, sind andere Branchen noch längst nicht so weit. Wer eine Immobilie kauft, lässt sich in Deutschland einen Grundbuchauszug vorlegen und sieht gegebenenfalls die Protokolle der letzten Eigentümerversammlungen ein; im Ausland bieten oft spezialisierte Anwaltskanzleien und Makler ihre Dienste an.

Im Kunstmarkt aber herrscht hingegen weitgehend Orientierungs- und Planlosigkeit. Dabei bewegen sich die verhandelten Summen nicht selten in ähnlichen Regionen wie bei Immobilien. Auch die Herausforderungen sind zum Teil durchaus vergleichbar, gehen jedoch stellenweise noch darüber hinaus. Und sie betreffen nicht nur den Handel, sondern mitunter auch Privatsammler.

Während wohl kaum jemand auf die Idee kommen würde, sechs- oder gar achtstellige Beträge einem Unbekannten allein auf guten Glauben zu übergeben, passiert genau das nicht selten, wenn es um Kunst geht. Zu beachten sind vor allem Geldwäscheregelungen, Eigentumsrechte, Echtheit und Zustand.

Eine Konferenz der Luxembourg Association for Art Galleries and Practitioners (LAFA) hat sich kürzlich während der Luxembourg Art Week dieses Themas angenommen. Dass eine Veranstaltung ausgerechnet hier stattfindet, ist keineswegs Zufall. Schließlich stellt das Großherzogtum nicht nur einen großen Finanzplatz, sondern beherbergt auch den Europäischen Gerichtshof EuGH. Banken, Unternehmensberatungen, große Wirtschafts- und Steuerkanzleien beschäftigen sich hier schon lange mit dem Thema Kunst als Investment.

Glenn Meyer, Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Arendt & Medernach, erklärte auf der Konferenz den wachsenden Informationsbedarf im Kunsthandel: „Vor 2008 war praktisch niemand zur Due Diligence verpflichtet, weil es keine zwingende Geldwäscheregelungen gab und keine Know Your Customer-Prinzipien; die erste Cash-Beschränkung lag bei 15.000 Euro." Spätestens seit Inkrafttreten der 6. Geldwäscherichtlinie sollte das kurz KYC-Prinzip jedem Kunsthändler und Galeristen geläufig sein.

Seit 2020 gibt es eine Verpflichtung für Geschäfte über 10.000 Euro, egal ob bar oder unbar. Mehr noch: „Wenn es sich um serielle Transaktionen handelt, müssen sie zusammengefasst und entsprechend behandelt werden", erläutert Meyer. Also auch bei mehreren kleineren Geschäften können Geldwäscheregelungen bereits greifen. Das betrifft laut Meyer „nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische, die sich allerdings schnell gründen und auflösen lassen.“

Wenn jemand unsauberes Geld loswerden möchte, ist Kunst ein gutes Vehikel.
Glenn Meyer
Rechtsanwalt

Meyers Rat: „Man braucht also Dokumente, die die Existenz der Firma beweisen.“ Denn als leicht bewegliches Gut sei Kunst anfällig für Schindluder: „Wenn jemand unsauberes Geld loswerden möchte, ist Kunst ein gutes Vehikel, weil noch nicht jeder Marktteilnehmer mit den Praktiken so vertraut ist wie im Finanzmarkt. Nach dem Besitzwechsel kann das Werk einfach wieder auf einem legalen Weg verkauft werden, und das Geld ist gewaschen."

Aude Lemogne, die als Direktorin mit der Firma LINK Management Banken und institutionelle Anleger bei der Einbindung von Kunst in ihre Anlagestrategien berät, gibt zu bedenken: „Title Ownership sicherzustellen ist komplex. Zahlungsbelege müssen auf ihre Korrektheit überprüft werden und Eigentumsübergänge zwischen Personen und Firmen, aber auch in Erbfällen."

Sorgfaltspflichten

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Title Ownership ist ein Konzept, das in Kontinentaleuropa weniger geläufig ist. Grob gesagt, meint der Begriff Eigentum in Abgrenzung vom dinglichen Besitz. Das Art Loss Register weise, so Lemogne, mittlerweile auch nach, ob ein Werk als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt sei. Das funktioniere in Europa allerdings unterschiedlich gut. Falsche Echtheits-Zertifikate stellten ebenfalls ein Problem dar, ebenso wie Exportbeschränkungen, etwa durch das deutsche Kulturgutschutzgesetz oder unterschiedliche Mehrwertsteuersätze. Kunst- und Banktransaktionen hätten mittlerweile sehr viel gemeinsam, fasst Aude Lemogne zusammen.

Zumindest bei den großen Auktionshäuser gehören grenzüberschreitende Geschäfte und Offshore-Firmen als Käufer oder Verkäufer zur täglichen Arbeit. Sie haben längst Prüf-Routinen entwickelt, die nicht nur die Echtheit und Eigentumsrechte der ihnen anvertrauten Kunstwerke umfasst, sondern auch die Identität und Legitimität ihrer Geschäftspartner.

Due Diligence ist auch eine Frage der Reputation, die im Kunstmarkt sehr wichtig ist.
Emmanuel Van de Putte
Senior Director bei Sotheby's Brüssel und Luxemburg

Emmanuel Van de Putte, Senior und Managing Director bei Sotheby's Brüssel und Luxemburg, erklärt: „Due Diligence ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch eine Frage der Reputation, die im Kunstmarkt sehr wichtig ist." Im Auktionshaus sei ständige Fortbildung ebenso notwendig wie die Einbindung externer Expertise. „Due Diligence stellt eine Handelsbeschränkung in dem Sinne dar, dass Zertifikate, Eigentumsnachweise et cetera großen Einfluss auf die Handelbarkeit eines Kunstwerks haben."

Das gilt in verschärften Maß für Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind oder für Antiken. Hier geht es darum, Raubkunstverdacht und Kunstraub auszuschließen. Das betrifft auch Privatleute, denn auch wenn etwa das Washingtoner Abkommen nur für Institutionen theoretisch verpflichtend ist, stellt ein Raubkunstverdacht im Handel immer einen Makel dar.

Das Münchener Auktionshaus Ketterer Kunst hat gerade einen wissenschaftlichen Sammelband zum Thema „Provenienzforschung im Kunsthandel" herausgegeben. Im Ernest Rathenau Verlag erschienen, steht er auf dessen Webseite als PDF gratis zur Verfügung.

Rupert Keim, Anwalt und Mitinhaber des Münchener Auktionshauses Karl & Faber erklärt in einem White Paper zu einem gerade ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs zu Rechten und Pflichten der Lost Art-Datenbank: „Wurde sie [die Provenienzrecherche] früher insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Echtheit eines Kunstwerks durchgeführt, so trat in den letzten Jahren der Aspekt der Prüfung eines etwaigen verfolgungsbedingten Vermögensentzugs zwischen 1933 - 1945 in den Vordergrund. Daneben war Provenienz, insbesondere wenn das Kunstwerk Bestandteil bedeutender und alter Sammlungen bekannter Persönlichkeiten war, ein wertbildender Faktor."

Ein großer Vorteil der Provenienzrecherche besteht in einem Nebeneffekt: „Eine sauber geklärte Provenienz reduziert für den Käufer die Gefahr, eine Fälschung zu erwerben", so Keim. Denn viele Fälschungen, die auf den Markt kommen, verfügen über eine Provenienz, die auf den ersten Blick überzeugend wirkt. Viele Opfer des bekannten Fälschers Beltracchi hätten bei gründlichen Nachforschungen vor Schaden bewahrt werden können.

Ein Handbuch für Private fehlt

Der Kölner Kunstversicherungsmakler Stephan Zilkens erklärte in Luxemburg: „Beltracchi wurde für rund zehn Fälschungen verurteilt, behauptet aber, insgesamt 600 Werke unter anderem in Museen platziert haben. Das stellt nicht nur für Versicherer ein Problem dar."

Gerade private Sammler, die nicht über die gleichen Ressourcen und Erfahrung verfügen wie Kunsthändler, wären wahrscheinlich dankbar für so etwas wie eine etablierte Best Practice, ein Pflichtenheft oder ein Handbuch. Doch das existiert nicht.

„Dos und Don'ts gibt es nicht," bestätigt Kristian Jarmuschek, Galerist aus Berlin und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. BVDG. „Für den Handel gibt es mit legeARTIS und ARTfilo zwei Kooperationspartner, die entsprechende Lösungen anbieten und für Recherchen genutzt werden können."

Ohne gründliche Dokumentation wird man bald kein Kunstwerk mehr verkaufen können

Und für Privatleute? „Sammlern kann man empfehlen, sich etwa über legeARTIS zumindest darüber zu informieren, ob das Gegenüber ein PEP ist." Für diese Political Exposed Persons gelten nämlich besonders strenge Regeln in Hinsicht auf Geldwäsche. Den Kunsthandel habe die Politik ohnehin im Visier: „Für den Kunsthandel praktiziert der Gesetzgeber de facto eine Beweislastumkehr, das heißt als Käufer wie als Verkäufer muss ich nachforschen, ob mein Gegenüber legitim ist."

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Im Moment mag Due Diligence noch nicht in allen Fällen essenziell sein. Doch in zehn Jahren wird man wahrscheinlich ohne eine gründliche Dokumentation kein Kunstwerk mehr verkaufen können. Das heißt, Werke, die heute gekauft werden, müssen jetzt schon zukünftigen Ansprüchen genügen.

Ohnehin gilt im Kunstmarkt – wie eigentlich immer bei größeren Summen, was Jurist Glenn Meyer den Luxemburger Teilnehmern mit auf den Weg gibt: „Gesunder Menschenverstand! Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, ist es das ganz oft auch nicht."

Mehr: Geldwäschegesetz: „Ihren Ausweis, bitte!“ – Kunsthändler müssen künftig die Identität der Kunden nachweisen

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