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Kolumne: AbgeschmecktHonig – süßer Nutella-Ersatz mit Konsum-Tücken

Honig ist doch ein simples Produkt: süß, schmeckt auf Brot und im Salat, wird um die Ecke hergestellt. Da kann man nichts falsch machen? Von wegen!Corinna Nohn 30.09.2018 - 10:18 Uhr Artikel anhören

Süß, schmeckt auf Brot und im Tee, morgens wie abends: Nur scheinbar ist Honig ein ganz simples Produkt.

Foto: Handelsblatt

Düsseldorf. Da nun klar ist, dass Deutschland in absehbarer Zeit wieder mal ein Fußballmärchen samt obligatorisch begleitender Schokokrem-Werbung ausrichten wird, warten natürlich alle gespannt auf die Auswahl der glaubwürdigsten Testimonials.

Wir täten aber alle gut daran, in der Kategorie „Auftragen des morgendlichen Brotbelags“ unsere eigentlichen Stärken nicht aus dem Blick zu verlieren: Wir sind Weltmeister im Honigessen.

Im Schnitt isst jeder Bundesbürger im Jahr mehr als ein Kilogramm Honig, das sind zwei Riesenpötte pro Person. Pur. Wir gehören auch zu den Top-Produzenten, ja, wir sind quasi ein Land der Imker und Bienenvölker.

„Noch“, höre ich da die Skeptiker rufen. „Bienensterben“ heißt das große Stichwort, weshalb in Asien Blüten schon von Hand bestäubt werden. Und neulich stutzte mich gar an der Supermarktkasse ein Veganer mit Pistazienkrem in der Hand zurecht: „Sie wissen schon, dass Sie da den Bienen ihren Wintervorrat wegessen?“

Nein, wusste ich nicht. Ehrlich gesagt, waren meine die Bienen betreffenden Kenntnisse bis dato rudimentär. Dürfen wir jetzt also keinen Honig mehr essen?

Ich habe dann recherchiert und auf Anhieb fünf Gründe für das Honigessen ermittelt:
1. Honig ist gesund (Superfood!).
2. Honig ist vegetarisch.
3. Honig ist ein tolles Naturprodukt.
4. Honigkonsum sichert Bienenvölkern den Fortbestand.
5. Honig schmeckt hervorragend im Salatdressing.

Allerdings auch fünf Gründe, die gegen den Honig sprechen:
1. Honig ist für die Zähne viel schlimmer als Zucker.
2. Honig ist nicht vegan.
3a. Echter Honig ist Bienensch…, ähm, Bienenkacka. 3b. Ist doch alles nur industriell gefertigte Zuckerpampe.
4. Die Honigindustrie quält Bienen.
5. Wer will denn Salat?

Sie stellen den Honig in einem speziellen Magen her.

Foto: Handelsblatt

Nun gut. So simpel das Produkt auf den ersten Blick erscheint (süß, schmeckt morgens wie abends, braucht nicht in den Kühlschrank), so kompliziert verhält es sich offenbar mit dem korrekten Konsumverhalten.

Vielleicht hilft ja ein kleiner Exkurs in die mit Vorurteilen und Fehlannahmen belastete Herstellung von Honig, der laut Lebensmittelverordnung „ein von Honigbienen aus dem Nektar von Blüten oder Honigtau erzeugtes Lebensmittel“ ist.

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Ganz kurz: Bienen sammeln Nektar, verarbeiten diesen in einem einmaligen und komplexen Prozess in ihrem (vom übrigen Verdauungstrakt) getrennten Honigmagen, trocknen ihn in ihren warmen Bienenstöcken, lagern ihn in Waben ein, aus denen der Imker dann den Honig schleudert.

Honig ist also kein ekliges Verdauungsprodukt, aber ja, man nimmt den Bienen etwas weg. Honig ist ein Naturprodukt – aber ja, es gibt konventionelle und riesige Hersteller, zumal im außereuropäischen Ausland, die den Königinnen die Flügel stutzen, bei der Handhabung der Stöcke Bienen zerquetschen und den Völkern keinen Honig für den Eigenbedarf lassen, sondern Zuckerwasser als Nahrungsersatz geben.

Nicht gerade appetitlich mutet auch an, was das Verbrauchermagazin Öko-Test in einer aktuellen Studie vermeldet hat: In vielen Gläsern in deutschen Supermärkten steckten Pestizide, Rückstände von gentechnisch veränderten Pflanzen sowie des Unkrautvernichters Glyphosat.

Aber ist Honig nicht ein typisch deutsches Produkt? Gibt es da kein Reinheitsgebot wie beim Bier?

Immerhin haben die Tester auch eine gute Botschaft: Bio-Honig sei grundsätzlich weniger belastet. Bio-Imker pochen zudem darauf, dass sie weder Flügel stutzen noch irgendwie manipulierend eingreifen dürfen – und vor allem den Bienen auch genug Honig zum Selberessen lassen.

Also ab in den Bio-Supermarkt und anschließend mit gutem Gewissen ins süße Brötchen beißen? Leider nein.

Kolumne: Abgeschmeckt

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Stellen Sie sich an dieser Stelle ein gefühlt zwei mal drei Meter großes Regal in einem gut sortierten Bio-Markt vor. Die Vielfalt ist betörend, cremiger Honig reiht sich an flüssigen, Wald- an Wiesenblüte. Und alles total ökologisch...

Aber die Gläser wurden abgefüllt in: Mexico, China, Argentinien, das höchste der Gefühle scheint Bosnien-Herzegowina zu sein.

Honigweltmeister, Volk der Imker, ist das dein Ernst? Honig zu erhitzen, um die halbe Welt zu fliegen, und das dann als ökologisch zu vermarkten? Ganz unten rechts finde ich schließlich doch ein nach allen Maßstäben geschmackvolles Glas, das Bio-Bienen in Mecklenburg-Vorpommern ein artgerechtes Dasein ermöglicht. Ich nehme vorsichtshalber noch einen Becher Rübensirup mit.

In ihrer Kolumne „Abgeschmeckt“ macht sich Corinna Nohn über Foodtrends und Fragen des guten Geschmacks Gedanken.

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