Tatort-Reaktionen: Chrystal-Abhängige geht „unter die Haut“

Elisa Schlott spielte im Kieler Tatort das Drogenopfer – und stellte Axel Milberg und Sibel Kekilli in den Schatten.
Düsseldorf. „Wo hast du es versteckt?“, kreischte Rita mit seelenzerreißender Stimme. Rita ist jung, schön und ein Crystal-Meth-Junkie. Sie braucht die Droge, sie fleht ihren ebenfalls abhängigen Freund Mike an, der seine Sucht mit dem Leben bezahlen wird.
Jämmerlich, unterwerfend und körperlich völlig abgehärmt – Rita, gespielt von der 20-jährigen Schauspielerin Elisa Schlott, ist ein Wrack. Sie war der Star des Kieler Tatorts und stellte das norddeutsche Ermittler-Duo um Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) völlig in den Schatten.
Die Kommissare tauchten in die dunkle Welt der Billigdroge ab. Und diese Welt wurde im Tatort so dunkel dargestellt, wie selten zuvor im Fernsehen. Vergleiche mit Breaking Bad entbehren hier jeglicher Grundlage. Denn während in der US-Serie der Aufstieg von Hauptcharakter Walter White vom Chemielehrer zum Drogenbaron nachgezeichnet wird und die Auswirkungen der Droge auf die Konsumenten nur angerissen werden, zeigt der Kieler Tatort mit naturalistischer Härte was Crystal-Meth mit Abhängigen anstellt.
„Ich war einmal zwei Wochen am Stück wach, ich hab' das gar nicht so richtig mitbekommen“, sagte Rita Holbeck alias Elisa Schlott in einer Vernehmung im ARD-„Tatort“ aus Kiel. In krassen Rückblenden zeigte Schlott, wie das Rauschgift Crystal Meth Rita verführt, aufputscht und zerstört.
Vor allem die starke Szene, in der sie ihren Freund Mike (Joel Basman) schlägt und anschreit, wo er die Droge versteckt hat, lässt die Zuschauer erschaudern. Es sind diese Sprünge zwischen der zerbrechlichen, angeblich cleanen Rita im Verhör mit Hauptkommissar Klaus Borowski und der kreischenden, ekstatisch tanzenden Süchtigen, die die „Tatort“-Zuschauer polarisieren.
„Starke Leistung der 20-jährigen Elisa Schlott im Borowski-Tatort. Ihre Rolle einer Chrystal-Abhängigen ging sowas von unter die Haut“, schrieb eine Twitter-Nutzerin. „Leider sehr realistisch. Verführung und Verfall. Tolle Schauspieler“, lobte ein weiterer User des Kurznachrichtendienstes. „'Der Himmel über Kiel'. Grandios, allein wegen Elisa Schlott“, war auch die Meinung eines weiteren Twitter-Nutzers.

1991
Der legendäre TV-Polizist Horst Schimanski (Götz George, r.) scheidet beim Duisburger „Tatort“ aus. Im Krimi „Der Fall Schimanski“ (29.12.1991) stellte ihn eine Intrige als Empfänger von Bestechungsgeld dar. Er wurde suspendiert. Auch wenn man ihm später eine Rehabilitierung anbot, hatte Schimanski „die Schnauze voll“. Mit einem Hängegleiterflug nahm der „Scheiße“-Sager nach 29 „Tatorten“ Abschied. Sein Kollege Christian Thanner (Eberhard Feik, l.) wechselte vom westdeutschen „Tatort“ einmalig zum ostdeutschen „Polizeiruf 110“. Der Ost-Berlin-Krimi „Thanners neuer Job“ hatte im DFF Premiere (22.12.1991).

Die beliebte Figur Schimanski war seitdem noch in der sogenannten Spin-Off-Reihe „Schimanski“ zu sehen (19 Folgen zwischen 1997 und 2013). Laut einem „WAZ“-Interview mit dem inzwischen 76-jährigen Götz George gibt es wohl keinen weiteren Schimanski-Fall: „Dieser Typ tritt so leise ab, wie er laut angefangen hat.“

2014
Stirbt er nun oder stirbt er nicht? 9,86 Millionen Fernsehzuschauer haben sich gefragt, ob der 13 Jahre von Boris Aljinovic (2.v.r.) gespielte „Tatort“-Ermittler Felix Stark überlebt. Die erste Antwort lautete „Vielleicht“ – wie auch der Krimi-Titel. Doch nun taucht ein Video im Netz auf ...

Nun gibt es im Internet ein - im Spaß gedrehtes - Video, das zeigt: Kommissar Stark lebt! In dem Spot sitzt Aljinovic mit seiner Kollegin Lise Risom Olsen angeblich ein Jahr später „an einem Fjørd in Nørwegen“. Er angelt und fischt einen Schuh aus dem Wasser. Was natürlich im Winter eher ein kaltes Vergnügen ist, wie diese Norweger wissen. ...

Gedreht wurde das Video nach Angaben des Rundfunks Berlin-Brandenburgs (RBB) bei der Abschlussfeier zu den Dreharbeiten - am Tempelhofer Hafen. Zum Abschied hatte Aljinovic solo einen Fall gelöst, in dem eine junge Norwegerin Morde vorhersieht. In dem Abschlussfeier-Video wird ihre Hellsehergabe parodiert. Damit verschwindet er genauso aus dem Tatort wie sein Ex-Kollege ...

2014
... Dominic Raacke (l.) schied im Februar 2014 ohne große Abschiedsnummer aus. In „Großer schwarzer Vogel“ hatte Raacke seinen letzten Einsatz. Er ist aber beileibe nicht der einzige, manche gingen spektakulär ...

2012
Der verdeckte Hamburger Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) nahm in seinem letzten Fall den Bundeskanzler als Geisel, um seine Freundin zu retten. Ein Sondereinsatzkommando erschoss ihn in der Folge „Die Ballade von Cenk und Valerie“ (6.5.2012). Sein Nachfolger in Hamburg wurde Til Schweiger.

In „Willkommen in Hamburg“ gab Til Schweiger am 10.03.2013 seinen Einstand als Hauptkommissar Nick Tschiller.

2001
Der Hamburger Kommissar Peter Brockmöller (Charles Brauer, l.) erreicht das Rentenalter, einige Monate vor seinem Kollegen Paul Stoever (Manfred Krug, r.). Dieser ließ sich im Krimi „Tod vor Scharhörn“ (7.1.2001) unbezahlten Urlaub geben und hörte aus Solidarität mit Brockmöller ebenso auf. Der Abgang der beiden beliebten Hamburger Ermittler wurde mit einem typischen Gesangsduett inszeniert.

1998
Der russischstämmige Kommissar Michael Zorowski (Robinson Reichel, r.) – Kollege von Ernst Roiter (Winfried Glatzeder, l.) – in der Folge „Berliner Weiße“ (22.11.1998) von einem fliehenden Drogendealer angefahren. Er starb im Rettungshubschrauber.

1997
Lea Sommer (Hannelore Elsner, l.) kehrt nach zwei Hamburger „Tatort“-Krimis wieder zurück nach Frankfurt in die ARD-Krimiserie „Die Kommissarin“ (66 Folgen zwischen 1994 und 2006).

1990
Der erste Schweizer Ermittler, der Berner Kommissar Walter Howald (Mathias Gnädinger), starb in dem Krimi „Howalds Fall“ (16.4.1990). Er erschoss sich jedoch selbst, nachdem er zuvor zum Verbrecher geworden war.

1982
Polizeihauptmeister Werner Rolfs (gespielt von Klaus Löwitsch) wird im Frankfurter „Tatort - So ein Tag...“ (7.2.1982) in einer Tiefgarage von einem Querschläger tödlich getroffen, nachdem ein mit ihm befreundeter Kleinganove auf seine Ex-Freundin geschossen hatte. Schauspieler Klaus Löwitsch verstarb im Dezember 2002 im Alter von 66 Jahren.
Für ihre Rolle ging die Jungschauspielerin an ihre Grenzen. „Die Szene, in der Rita Mike anschreit, war sehr emotional und aufwühlend für mich, da dem Zuschauer in dem Moment klar werden muss, dass Rita ihr Leben vollständig dem Crystal Meth unterworfen hat“, sagt Schlott im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der „Tatort“ hat von ihr ein körperintensives Schauspiel verlangt. „Vor allem die Disco-Szene, die wir einen ganzen Tag gedreht haben, war sehr anstrengend. Denn Crystal hat Rita viel Energie gegeben, sie war hellwach, hemmungslos und fühlte sich, als könnte sie alles schaffen“, sagt Schlott.
Schlott hat viel über Crystal Meth recherchiert und sich mit einer Therapiegruppe getroffen. Sie und ihr Schauspielkollege Basman waren so sehr in ihren Rollen versunken, dass sie zustimmten, sich zu spritzen – und nicht nur so zu tun als ob. „Wir lernten das in einem Krankenhaus und waren trotzdem richtig aufgeregt, als wir uns vor der Kamera Kochsalzlösung spritzten.“
Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Der Kieler-Tatort durchbrach gestern die Marke von zehn Millionen Zuschauern. Insgesamt sahen 10,7 Millionen Menschen Rita Holbeck bei ihrem Kampf gegen die Droge und den Ermittlungen von Klaus Borowski und Sarah Brandt nach dem Fund eines abgetrennten Kopfes in der Kieler Drogenszene zu.
Was man am Kieler Tatort kritisieren könnte, war die recht blase Vorstellung von Axel Milberg und Sibel Kekilli. Auch das Drehbuch von Grimme-Preisträger Rolf Basedow hatte Schwächen. So wurde das „Drogen-Dorf“, in dem das Crystal Meth hergestellt wurde, nur sehr oberflächlich dargestellt und auch die Dealer der Droge, vor allem Schauspieler Matthias Weidenhöfer, der in seinen kurzen Sequenzen den brutalen Drogenbaron eindrucksvoll mimte, hätten etwas mehr Spielzeit verdient.







