Buchrezension Strategische Personalplanung: „Jeder ist der eigene CEO seiner Entwicklung“

In dem Buch sind sich die Manager darin einig, dass der Data Scientist ein wichtiger Job der Zukunft ist.
Düsseldorf Im Jahr 1927 dachte Harry M. Warner, Chef von Warner Brothers, der Tonfilm würde keine Anhänger finden. 1943 sagte ausgerechnet Thomas Watson, Chef von IBM, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gäbe. Sie irrten. Ebenso wie diejenigen, die breites Arbeiten im Homeoffice noch Anfang 2020 für unmöglich hielten.
„Das Tempo, mit dem sich Unternehmen transformieren, ist atemberaubend“, schreibt entsprechend Benedikt von Kettler. „Um das zu erkennen, braucht es nicht erst eine Corona-Pandemie, aber durch diese globale Covid-19-Krise erleben wir hautnah, wie disruptive Prozesse verlaufen.“
Ein Buch mit dem sperrigen Titel „Transform your Workforce“ zum Thema strategische Personalplanung klingt zunächst nicht allzu ansprechend. Doch Autor von Kettler hat nicht einfach nur einen trockenen Ratgeber geschrieben. Er lässt die Vorstände und Aufsichtsräte von großen Unternehmen selbst sprechen. Kettler ist Co-Gründer der Beratungsgesellschaft Human, die sich auf Workforce Transformation und New Work spezialisiert hat – also auf das Arbeiten der Zukunft mit dem richtigen Personal. Zu Humans Kunden zählen Adidas, Bayer oder BMW.
Zwei Dinge einen die meisten Unternehmen. Erstens: In der digitalen Transformation sind sie angekommen. Zweitens: Beim Personal müssen sie noch nachziehen. Das World Economic Forum, schreibt Keppler, habe prognostiziert: Bis 2030 müsste eine Milliarde Menschen umqualifiziert werden, um am Arbeitsmarkt noch zu bestehen. Die Unternehmen, mit denen von Kettler für sein Buch gesprochen hat, haben schon vor Corona angefangen, ihre Belegschaft auf die Digitalisierungsanforderungen und künftigen strategischen Ausrichtungen ihrer Arbeitgeber vorzubereiten.
Ein wichtiger Job der Zukunft, da sind sich die Manager einig, ist der Data Scientist. „Everbody in the company needs to be able to work with data“, lautet daher ein Leitmotiv bei Merck. Früher wurde bei dem Chemie- und Pharmakonzern alles im Katalog bestellt, heute geht es über eine Onlineplattform.

Benedikt von Kettler: Tranform Your Workforce. Das Geheimnis wandlungsfähiger Unternehmen.
Murmann
Hamburg 2021
200 Seiten
39 Euro
Jeder im Unternehmen muss mit den dabei anfallenden Daten umgehen – und vor allem die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Merck hat seine Talentsuche daher professionalisiert. Der Markt an High Potentials wird ständig beobachtet. Wird in einem bestimmten Bereich gesucht, legen die Recruiter innerhalb von 48 Stunden eine Vorschlagsliste vor.
Für Birgit Bohle, Personalvorständin bei der Telekom, ist Humanzentrierung das entscheidende Stichwort. Fühlt sich der Mitarbeiter wohl, wirkt sich das auch auf das Unternehmen positiv aus. Die mehr als 200.000 Mitarbeiter müssen sich ständig weiterqualifizieren: „Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Freude am Lernen haben.“ Und: „Der Mitarbeiter ist der eigene CEO seiner Entwicklung.“
In eine ähnliche Richtung beschreibt es Frank Mastiaux, Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW, der den Weg weg aus Kernenergie und Kohlestrom eingeschlagen hat und bereits jetzt der größte Anbieter von Schnellladesäulen für Elektroautos ist. „Nicht nur wir, jedes Unternehmen muss seine eigene Tranformationsstory schreiben“, konstatiert Mastiaux. Im Mittelpunkt stehe ein menschenzentrierter Ansatz: Der einzelne Mitarbeiter wird hier zum Gestalter seiner eigenen Transformation.
Simone Menne, Aufsichtsrätin von BMW und Deutscher Post, plädiert in ihrem Kapitel dafür, mehr Leute darauf anzusetzen, die „die Mitarbeiter in den Betrieben dabei unterstützen herauszufinden, was sie tun möchten und tun können, welches Potenzial sie besitzen, um sich neue Betätigungsfelder zu erschließen.“ Viele Unternehmen hätten hier enormen Nachholbedarf.
Das Buch wartet insgesamt mit zu vielen Floskeln auf. Da werden Strategien und Ziele ausgerichtet, da werden Prozesse einer ständigen Überprüfung unterzogen, da werden Instrumentarien entwickelt. Die vermeintliche Floskel vom lebenslangen Lernen jedoch wird zum notwendigen, unvermeidbaren Plädoyer: Es sei gerade jetzt „überdeutlich geworden“, schreibt von Kettler, wie „wichtig die Beherzigung dieser Devise ist, um tatsächlich die Not mangelnder Anpassungsfähigkeit und versäumter Personalplanung abzuwenden“.
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