Finanzinvestor Peter Thiel Der Provokateur

Den Grundstein für ein Vermögen legte er mit der Gründung von Paypal.
San Francisco Die deutsche Sprache ist Peter Thiel kaum fremd geworden. Der 50-jährige Unternehmer wanderte als Anderthalbjähriger mit der Familie nach Kalifornien aus, er spricht amerikanisch und denkt wahrscheinlich auch meistens so. Doch wenn ihn Besucher aus der alten Heimat in seinem Büro im vierten Stock von 1 Letterman Drive besuchen, einer der besten Adressen in San Francisco mit Blick auf die Bay, dann plaudert der Investor höflich in jener Mundart, die ihn die Frankfurter Eltern einst lehrten. Sein Deutsch ist fließend, nur wenn er längst nicht mehr gebräuchliche Vokabeln wie „Reklame“ verwendet, fällt auf, dass der deutsche Wortschatz des Peter Thiel irgendwo in den Siebzigern hängen geblieben ist.
Im Silicon Valley zählt der 1967 im hessischen Sprendlingen geborene Unternehmer zu den wichtigsten Investoren. Das Magazin „Forbes“ schätzt das aktuelle Vermögen des 50-Jährigen auf 2,7 Milliarden Dollar. Seine Nase für lukrative Investments bewies Thiel offenbar auch bei der Kryptowährung Bitcoin. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg investierte sein Founders Fund in den vergangenen Jahren maximal 20 Millionen Dollar in die Kryptowährung. Gemessen am gesamten Volumen des Beteiligungsfonds von über drei Milliarden Dollar ist die Summe zwar marginal, aber Thiels Bitcoins wären heute immerhin mehrere Hundert Millionen Dollar wert, schreibt Bloomberg. Bei dem Investment sei es Thiel erst einmal darum gegangen, Zugang zur Welt der Kryptowährungen zu bekommen. Damit entschied sich der Investor für einen anderen Weg als viele seiner Konkurrenten, die eher in die hinter dem Bitcoin-Netz stehende Blockchain-Technologie investierten als in die Währung selbst.
Erfolgsmodell Exzentriker
Den Grundstein für sein Vermögen legte Thiel mit der Gründung von Paypal 1998. Gemeinsam mit dem heutigen Tesla-Chef Elon Musk und Reid Hoffman, Gründer von LinkedIn, brachte er den Finanzdienst an die Wall Street – mitten im depressivsten Jahr der Internet-Ära 2002. Der risikoreiche Börsengang von Paypal war ein Schlüsselmoment in der Karriere des Mannes, der an der Elite-Uni Stanford Philosophie und Mathematik studiert hat. Thiel wettete gegen den Trend, und er behielt recht. Beim Handelsstart am 15. Februar schoss der Kurs von Paypal um 72 Prozent in die Höhe. Zwei Jahre später zahlte Ebay 1,5 Milliarden Dollar für die Firma, der Mitgründer selbst strich 55 Millionen Dollar ein. „Wo alle einer Meinung sind, lohnt sich das Engagement nicht“, lautet seither sein persönliches Motto.

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Der Unternehmer gefällt sich als Redner gegen den Mainstream, als Erfinder radikaler Ideen. Den von ihm mitgegründeten Datenanalysten Palantir benannte er nach einem Stein aus „Herr der Ringe“, der in alle Ecken der Welt schauen kann. In dem Tolkien-Klassiker besitzt die Kugel ausgerechnet der Zauberer, der sich später als Verbündeter des Bösen entpuppt. Thiel liebt Bilder, die seine Exzentrik unterstreichen.
Er selbst investiert immer wieder in scheinbar verrückte Ideen, wie jüngst in das britische Start-up Compass Pathways, das halluzinogene Pilze zur Therapie von Depressionen einsetzen will. Er sponserte aber auch schon den Bau schwimmender Städte oder die Forschung zur Verlangsamung des Alterungsprozesses. Thiel provoziert gern. Er äußerte schon öffentlich Zweifel daran, ob die Einführung des Frauenwahlrechts richtig war. In seinem Bestseller „Zero to One“ stachelt er Gründer frei nach dem Motto „besser dreist als trivial“ dazu an, unpopuläre Ideen zu vertreten.
Mit der Unterstützung von Präsident Donald Trump hat er sich im traditionell liberalen, demokratischen Silicon Valley keine Freunde gemacht. 1,25 Millionen Dollar spendete Thiel im Wahlkampf an den Republikaner, ausgerechnet kurz nachdem das Band aufgetaucht war, in dem sich Trump seiner Grabsch-Attacken auf Frauen rühmte. Auf republikanischen Wahlveranstaltungen trat Thiel als Gastredner auf. Bis heute gilt er als wichtigster Verbündeter der US-Regierung im Silicon Valley. Die Videoaufnahme, die zeigt, wie Trump dem Paypal-Macher gönnerhaft auf die Schulter klopft, ging um die Welt. Wegen dieser Nähe zum Weißen Haus wurde Thiel sogar kurzfristig als neuer US-Botschafter in Berlin gehandelt.
Kontakte in die Heimat
Zumal der gebürtige Deutsche nach wie vor gute geschäftliche Kontakte in die alte Heimat pflegt. Privates Geld steckte er etwa in das Fintech-Start-up Kreditech aus Hamburg. Über seine Wagniskapitalgesellschaft Founders Fund beteiligte er sich an der Wissenschaftsplattform Research Gate aus Berlin. Mit der Risikokapitalfirma Valar Ventures investierte Thiel in Deposit Solutions, ein Fintech-Start-up aus Hamburg. Die Firma erlaubt es Bankkunden, Produkte mehrerer Finanzhäuser gleichzeitig zu nutzen. Auch an der Berliner Digitalbank N26 und dem Onlineversicherer Coya hält der Paypal-Macher Anteile.
Die eigene einst so kritische Haltung gegenüber Europa scheint der 50-Jährige überdacht zu haben. Noch 2015 hatte Thiel den alten Kontinent in einem Interview als „pessimistisch und unmotiviert“ bezeichnet. Vielleicht hat seine neue Europa-Leidenschaft auch damit zu tun, dass Thiel in seiner kalifornischen Heimat immer offener kritisiert wird. Schon immer hielten sie ihn dort für ziemlich „weird“, also für verrückt oder zumindest reichlich seltsam.
Er habe für sein politisches Engagement „sehr viel Gegenwind“ bekommen, gesteht Thiel. Sam Altman, Chef von Y Combinator, einem der wichtigsten Start-up-Schmieden im Valley, kündigte Mitte November die Zusammenarbeit mit dem Investor auf. Auch für den zehn Millionen Dollar schweren Rachefeldzug gegen das Klatsch-Blog Gawker, das 2007 gegen Thiels Einwilligung über seine Homosexualität berichtete, hatten die Tech-Bosse wenig Verständnis. Zwischenzeitlich galt sogar Thiels Posten im Aufsichtsrat von Facebook als gefährdet, den er seit dem frühen Investment in das soziale Netzwerk innehat. Gründer Mark Zuckerberg stellte sich hinter seinen alten Förderer. Es fragt sich nur, wie lange noch. Gawker ist zwar bankrott, für Thiel ist das aber kein Grund aufzuhören. Der Investor will sich am aktuellen Bieterprozess um das Portal beteiligen. Der neue Besitzer könnte schließlich entscheiden, alle Gawker-Inhalte offline zu nehmen.
Der Unternehmer hält nicht nur die Medien, sondern ganz Amerika für dringend erneuerungsbedürftig. Für Thiel liegt die Lösung drängender Probleme wie Überbevölkerung, Armut oder Klimawandel in neuen Technologien. Aber gerade hier habe es seit den 1950er-Jahren „kaum echten Fortschritt“ gegeben. Neue radikale Ideen müssten her. Natürlich gebe es immer das Risiko des Scheiterns. „Die Aussicht, einsam zu sein, aber recht zu haben und sein Leben dem zu widmen, woran niemand sonst glaubt, ist schon schwer“, schreibt er in „Zero to One“.
Sollte er selbst scheitern, sei es nun als Technologieunternehmer oder beim Engagement für ein besseres Amerika, besitzt Thiel nun immerhin einen Plan B. Der gebürtige Deutsche hat sich die neuseeländische Staatsangehörigkeit gesichert.
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