HSBC-Trinkaus-Chefin Gräfin von Schmettow: „Zinsniveau bleibt noch vier bis fünf Jahre so“
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HSBC-Trinkaus-Chefin Gräfin von Schmettow„Zinsniveau bleibt noch vier bis fünf Jahre so“
Die Vorstandschefin von Trinkaus & Burkhardt ist Deutschlands einflussreichste Bankerin. Im Interview spricht die Gräfin über Niedrigzinsen, das schlechte Image ihrer Branche, eine Rückkehr zum Prinzip der persönlichen Haftung – und ihre Liebe zur Musik.
„Das extrem niedrige Zinsniveau wird mindestens noch vier bis fünf Jahre andauern.“
(Foto: Michael Englert für Handelsblatt Magazin)
Das Büro von Carola Gräfin von Schmettow ist allenfalls 25 Quadratmeter groß. Auf der Fensterbank stehen weiße Rosen und Nelken. Die Bankerin trägt an diesem schönen Frühsommertag ein dunkelgraues Kleid zu blauem Blazer, eine Perlenkette mit passendem Armband und im fast schwarzen Haar eine schwarze Schleife. An der Wand neben ihrem Schreibtisch hängt goldgerahmt ein raumgreifendes Ölgemälde. Es zeigt die ganze Pracht der Gründerfamilie mit Christian Gottfried Trinkaus, seiner Frau Katharina und dem Erstgeborenen auf deren Arm. Und erinnert die amtierende Vorstandsvorsitzende des Düsseldorfer Geldhauses Trinkaus & Burkhardt an die Werte, die die Gründer als eine Art unternehmerisches Grundgesetz einst formulierten. Werte wie Ehrbarkeit und Verlässlichkeit haben die Bank ohne größere Blessuren durch die Finanzkrise getragen.
Gräfin Schmettow, die Niedrigzinsen drücken arg auf die Geschäfte der Banken. Ärgern Sie sich über Mario Draghis Zinspolitik? Wenn ich auf die Erträge und die Bilanz schaue, wenn ich Geld anlegen muss, dann ärgere ich mich schon. Dennoch möchte ich nicht in die Kritik an Mario Draghi und der Europäischen Zentralbank einstimmen. Der Notenbankzins ist ja nicht nur in Euroland negativ. Europa ist eine schwierige Familie. Mario Draghi tut alles, damit sie nicht auseinanderbricht. Wir in Deutschland sollten auch nicht vergessen, welch riesiges Konjunkturprogramm die niedrigen Zinsen und der schwache Wechselkurs für die hiesigen Unternehmen darstellen.
Aber ihr Beifall dürfte sich dennoch in Grenzen halten. Wie lange rechnen Sie noch mit diesem extrem niedrigen Zinsniveau? Mindestens noch vier bis fünf Jahre, vielleicht auch länger, je nachdem, ob sich die Wirtschaft in der gesamten Euro-Zone in dieser Zeit wieder nachhaltig stabilisiert hat.
Haben Sie den Eindruck, dass die Hilfsbemühungen von EU und EZB für die schwächeren Staaten der Gemeinschaft langsam greifen? Ja, schon, aber eben in der Tat nur sehr langsam. Der frühere amerikanische Finanzminister Timothy Geithner hat den europäischen Weg mir gegenüber vor kurzem als alttestamentarischen Ansatz kritisiert: Rettung ja, aber nicht ohne Sanktionsprinzip. Wer sich schlecht benommen hat, der soll leiden. Eben wie in der Bibel. Das macht es den Europäern schwer. Dennoch braucht es wohl ein gewisses Sanktionsprinzip, um das Gerechtigkeitsgefühl in der Bevölkerung der Geberländer zu berücksichtigen.
Das Vertrauen einer steigenden Zahl von Menschen in das Weltfinanzsystem im Allgemeinen und die Banken im Speziellen ist angesichts ungezählter Skandale und Affären der Branche ja ziemlich erschüttert. Betrübt Sie das? Keiner ist frei von Schuld. Und wenn dann auch noch einige Akteure denken, sie könnten über Wasser laufen… Das aber konnte in den letzten 2000 Jahren nur einer. Vielleicht müssen wir wieder dazu kommen, das früher weit verbreitete Prinzip der persönlichen Haftung wiederzubeleben. Ich finde es interessant, dass die angelsächsischen Regulierer das vorhaben. Der Banker haftet demnach persönlich für sein Tun und das seines Teams. Das sorgt für Bodenhaftung. Schafft Vertrauen. Und Verständnis.
Gräfin Carola von Schmettow – zur Person
Als Vorstandschefin von HSBC Trinkaus & Burkhardt ist Carola Gräfin von Schmettow, geboren 1964, die wohl einflussreichste Bankerin in Deutschland. Mit ihrem Mann Johannes, der dem Adelsgeschlecht der von Schmettows entstammt und Berater beim Headhunter Egon Zehnder ist, hat die Gräfin fünf Kinder. Bevor die studierte Mathematikerin ins Bankfach wechselte, wollte sie Sängerin werden.
HSBC Trinkaus wirbt seit 2013 verstärkt um den Mittelstand. Die Bank kann dabei mit dem internationalen Netzwerk des Mutterkonzerns HSBC punkten. 2015 stieg der Jahresüberschuss der Düsseldorfer Bank um rund fünf Prozent auf 152 Millionen Euro.
Dieses Führungsprinzip hat aber den Fall der einst größten Privatbank Europas, Sal Oppenheim, auch nicht verhindert. Wie schon gesagt: Über Wasser laufen konnte nur einer.
Fühlen Sie sich inzwischen überreguliert? Auf jeden Fall sind wir Banker verpflichtet, es jetzt besser als in der Vergangenheit zu machen. Bei HSBC haben wir uns vor vier Jahren ganz neue Standards im Umgang mit unseren Kunden gegeben. Was die gesetzliche Regulierung angeht, sind die Banken heute durch mehr Kapital und mehr Liquidität sicherer. Doch inzwischen gibt es eine wahre Flut von Einzelmaßnahmen. Es ist an der Zeit einmal innezuhalten und zu prüfen, wie all diese verschiedenen Vorgaben in der Summe wirken.
Und der zweite Bereich? Dabei geht es um Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Terrorismusfinanzierung, kurz es geht um das Finanzkriminalitätsrisiko. Wenn es irgendwo auf der Welt einen Anschlag gibt, dann wollen wir sicher sein, dass keiner der Terroristen ein Konto bei einer der weltweiten Niederlassungen unseres Mutterkonzerns HSBC hat oder hatte. Deshalb durchleuchten wir alle unsere Kunden, und selbst die Kunden unserer Kunden schauen wir uns an.
Ein Beispiel bitte? Wenn uns ein mittelständischer Kunde erklärt, dass seine gesamte Produktion etwa in die Türkei exportiert wird, dann reicht uns das nicht aus. Wir fragen dann weiter: Die Türkei sei als Markt ja gut und schön. Aber was passiert mit den Produkten dann weiter? Werden die dort an Endkunden verkauft? Oder weiter in Drittländer transportiert? Oder anders ausgedrückt: Wir wollen die Geschäfte unserer Kunden im Detail verstehen. Um unsere neuen Standards intern zu überwachen haben wir übrigens die Zahl unserer Compliance-Officer allein hier in Deutschland in den vergangenen Jahren auf mehr als 40 verdoppelt.
HSBC-Trinkaus-Chefin, Handelsblatt-Redakteure
Gräfin Schmettow eingerahmt von Michael Maisch (links) und Peter Brors in der Düsseldorfer Zentrale der Bank.
(Foto: Michael Englert für Handelsblatt Magazin)
Lassen Sie uns über ihr operatives Geschäft sprechen: Andere Banken haben die ersten drei Monate dieses Jahres als die schlechtesten seit langer Zeit beschrieben, auch wegen der Niedrigzinsen. Wie sieht es bei Ihnen aus? Mit dem Tagesgeschäft sind wir zufrieden. Unser Provisionsergebnis, die wichtigste Komponente für uns, ist noch einmal um zehn Prozent gestiegen. Und auch der Zinsüberschuss hat wegen des starken Wachstums im Kreditgeschäft noch einmal zugelegt, auch wenn wir uns den Niedrigzinsen nicht entziehen konnten. Insgesamt kommen wir im ersten Quartal beim Ergebnis vor Steuern im Vergleich zum Vorjahr bei minus zehn Prozent heraus.
Was heißt das für das Gesamtjahr? Es gibt im Moment sicher viele Unwägbarkeiten, von der Eurokrise bis zur Gefahr eines Ausstiegs der Briten aus der EU. Insgesamt sehen wir zwar ein positiveres Konjunkturbild. Gerade was China angeht, sind wir optimistischer als viele andere Banken. Aber ob wir 2016 ein höheres Ergebnis als im Vorjahr erzielen können? Ich bin mir nicht sicher.
Geben Sie die negativen Zinsen eigentlich an ihre Kunden weiter? Für andere Banken und Großanleger haben wir das bereits Ende 2015 eingeführt.
Und für ihre Unternehmenskunden? Weil andere Banken die negativen Sätze bereits an ihre Firmenkunden weitergeben, ziehen die Klienten ihr Geld dort ab und transferieren es zu uns. Diese Art von Arbitrage können wir uns natürlich auf Dauer nicht leisten.
Sie sind Deutschlands bekannteste Bankerin. Trotz aller verbalen Bekenntnisse sind weibliche Top-Manager noch immer selten. Brauchen wir nicht doch eine Frauenquote? Für mich wäre eine Quote immer nur das letzte Mittel. Ich würde den Leistungsgedanken nur sehr ungern aushebeln. Für uns ist es wichtig, dass wir Frauen fordern und fördern. Das heißt: keine Quote bei Führungspositionen, aber eine Quote bei Entwicklungsmaßnahmen.
Sie selbst wären ja auch beinahe nicht Bankerin geworden, sondern Musikerin. Sie sind ausgebildete Altistin. Warum beschäftigen Sie sich nun doch mit Bilanzen statt Belcanto? Musik ist wie Hochleistungssport, und irgendwann stellt man vielleicht fest, dass man die 100 Meter nicht unter zehn Sekunden laufen wird. Der Wettbewerb in der klassischen Musik ist extrem intensiv und global. Mit 28 Jahren habe ich mich sehr bewusst für die Bank entschieden. Ich spürte, dass ich das allerhöchste Niveau als Sängerin nicht würde erreichen können. Es war deshalb richtig, auch wenn Musik und Kultur noch immer wichtige Teile meines Lebens sind.