Interview mit Debitos-Chef Timur Peters „Viele Banken haben noch Altrisiken aus der Finanzkrise in den Bilanzen“

Debitos-Gründer und Geschäftsführer
Frankfurt Vor zehn Jahren hat Timur Peters das Fintech Debitos gegründet. Über diese digitale Plattform können Banken und Fintechs notleidende Kredite handeln. Peters glaubt, dass die Banken bestimmte, von der Coronakrise besonders hart getroffene Branchen wie Tourismus, Automobil, Luftfahrt und Gastronomie mit großer Sorge sehen.
Einige Institute würden sich deshalb sogar von Krediten trennen, die derzeit von den Gläubigern noch bedient werden. Nach Ausbruch der Coronakrise fror der Markt für faule Kredite in Europa erst einmal ein.
Inzwischen ist das Geschäft in Deutschland und Italien wieder in Gang gekommen. Kritischer sieht die Lage in Spanien aus.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Peters, die meisten Experten gehen davon aus, dass die Coronakrise zu einer Welle von Firmenpleiten und in der Folge zu einem starken Anstieg der faulen Kredite in den Bankbilanzen führen wird. Spüren Sie davon bereits etwas?
Die Pleitewelle hat ja noch nicht wirklich begonnen. Aber was wir im Moment bemerkenswert finden, ist, dass sich die Banken verstärkt von Krediten trennen, die noch gar nicht notleidend sind, Schuldscheindarlehen beispielsweise. 2019 haben wir auf unserer Plattform drei Schuldscheintransaktionen abgewickelt, 2020 sind es seit April bereits 61.
Was steckt hinter dieser Entwicklung?
Ich glaube, dass die Banken sich erhebliche Sorgen um einige Branchen machen und sich deshalb auch teilweise von Krediten trennen, die zumindest aktuell noch bedient werden. Dabei geht es vor allem um Sektoren, die besonders unter der Pandemie leiden, wie Touristik, Luftfahrt, Automobil oder Gastronomie. Die Banken befürchten wahrscheinlich, dass bei einigen Schuldscheindarlehen die Anschlussfinanzierung schwierig werden könnte.
Die Risikomanager deutscher Banken gingen bei einer Befragung kürzlich davon aus, dass sich die notleidenden Kredite innerhalb von drei Jahren auf 100 Milliarden Euro verdreifachen könnten. Halten Sie solche Szenarien für realistisch?
Ich denke, dass das durchaus möglich ist. Deshalb sollten die Banken aufpassen, dass es nicht zu einem Rückstau in ihren Bilanzen kommt. Die Erfahrung zeigt, dass notleidende Darlehen im Laufe der Zeit immer weniger wert werden.
Funktioniert der Markt für notleidende Kredite in der Coronakrise überhaupt?
Im April war das Geschäft nahezu eingefroren, jetzt sehen wir regional sehr unterschiedliche Entwicklungen. In Deutschland haben wir, was die Preise betrifft, bereits wieder etwa 90 Prozent des Vorkrisen-Niveaus erreicht. In Italien stehen wir bei 60 bis 70 Prozent, in Spanien ist der Markt allerdings bisher kaum in Gang gekommen. Aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Investoren dort auch wieder aktiv werden.
Sie glauben, dass die Banken nicht darum herumkommen werden, sich in großem Stil von faulen Krediten zu trennen?
In den vergangenen Jahren waren die Zinsen so niedrig, dass die Banken ihre Risikokosten sehr günstig refinanzieren konnten. Deshalb haben viele Banken noch Altrisiken aus der Finanzkrise in der Bilanz. Das rächt sich jetzt. Denn durch die Coronakrise werden voraussichtlich sehr viele neue Risiken hinzukommen.
Der oberste Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank, Andrea Enria, wirbt für eine einheitliche Bad Bank in der Währungsunion, die den Banken faule Kredite abkaufen soll. Glauben Sie an eine solche Lösung?
Ich halte das für eher unwahrscheinlich. Der Aufwand und die Kosten für eine Bad Bank für die gesamte Währungsunion wären sehr hoch. Sie sehen ja bereits, wie komplex die aktuellen politischen Diskussionen sind. Diese Interessen alle unter einen Hut zu bringen wäre administrativ äußerst kompliziert. Deshalb halte ich nationale Lösungen, wie sie sich schon in der Finanz- und Schuldenkrise bewährt haben, für wahrscheinlicher. Daneben werden auch Verbriefungsprogramme wie in Italien und Griechenland diskutiert oder der Einsatz von Plattformen wie unserer. Am Ende gehen wir von einer Nutzung aller drei Lösungen aus.
Staatliche Bad Banks müssten doch schlecht für Ihr Geschäft sein, weil die Banken ihre notleidenden Kredite über diese Institutionen losschlagen würden und nicht über eine Plattform wie Debitos.
Das ist etwas zu kurz gedacht. Es gibt keinen Grund, warum staatliche Bad Banks nicht mit Plattformen wie uns zusammenarbeiten sollten, um die Bereinigung der Bankbilanzen zu beschleunigen und effizienter zu machen. In Spanien passiert das zum Beispiel bereits.
Herr Peters, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Ausfallraten bei Risikokrediten könnten sich laut S&P verdreifachen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.