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Neue Berechnungen Bundesbank widerspricht Bankenlobby im Streit über strengere Kapitalregeln

Die Belastungen für deutsche Institute durch Basel III sind aus Sicht der Bundesbank „gut verkraftbar“. Die Bundesregierung will sich für kleine Institute einsetzen.
11.06.2021 - 18:02 Uhr Kommentieren
Die VTB Bank hat ihre Europazentrale in Frankfurt angesiedelt und das Geschäft dort ausgebaut. Die VTB Direktbank sammelte von Privatkunden mehr als drei Milliarden Euro ein Quelle: Moment/Getty Images
Frankfurter Skyline

Die VTB Bank hat ihre Europazentrale in Frankfurt angesiedelt und das Geschäft dort ausgebaut. Die VTB Direktbank sammelte von Privatkunden mehr als drei Milliarden Euro ein

(Foto: Moment/Getty Images)

Frankfurt, Berlin Die Einführung strengerer Kapitalregeln zählt für den Bankensektor zu den wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Die Bankenlobby und auch einige Politiker fordern bei der Umsetzung des sogenannten Basel-III-Regelwerks in Europa Erleichterungen für den Sektor, um die Geldhäuser nach den Belastungen durch die Coronakrise nicht zu überfordern. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing warnte kürzlich, andernfalls würden Kredite erheblich teurer und die Banken im Wettbewerb mit außereuropäischen Konkurrenten benachteiligt.

Widerspruch kommt jetzt von der Deutschen Bundesbank, die eine Auswirkungsstudie zu dem Thema gemacht hat. „So wie die Umsetzung der Basel-Regeln nach unserer Kenntnis geplant ist, werden die Auswirkungen für den deutschen Bankensektor gut verkraftbar sein“, sagte Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling dem Handelsblatt.

Nach Hochrechnung der Zentralbank würden die Kapitalanforderungen für den gesamten deutschen Bankensektor durch die Basel-Reform um rund zwölf Prozent steigen. Sollten weitere in der Diskussion befindliche Elemente wie eine geringere Risikogewichtung von Krediten an Firmen ohne externes Rating (der sogenannte Hybrid-Ansatz) berücksichtigt werden, verringere sich der Anstieg auf circa acht Prozent.

Das sei für die Banken zu stemmen, erklärte Wuermeling. „Natürlich gibt es einzelne Institute mit höheren Risiken, bei denen der Anstieg höher ausfallen wird – aber das ist ja auch der Zweck der Basel-Reformen.“ Ein Mehr an Stabilität erfordere eben einen zusätzlichen Kapitalaufbau.

„Die Coronakrise hat gezeigt, dass die Stabilität im Bankensystem vor allem dann gewährt ist, wenn die Eigenkapitalpuffer der Banken dick genug sind“, betont Wuermeling. Daher sei es wichtig, zentrale Punkte der Reform wie den sogenannten Output Floor Basel-konform umzusetzen.

Durch den Output Floor werden die Möglichkeiten der Banken begrenzt, ihre Risiken durch den Einsatz interner Modelle herunterzurechnen. In der Folge werden bei vielen Banken die sogenannten Risikoaktiva zunehmen – und die Institute brauchen dann mehr Eigenkapital, um diese abzusichern.

Giegold: „Viel Panikmache durch die Bankenlobby“

Eine Untersuchung der europäischen Bankenbehörde Eba kam Ende vergangenen Jahres zu dem Ergebnis, dass die Mindestkapitalanforderungen für europäische Banken durch die Basel-Reformen um 18,5 Prozent steigen werden. Um die Lücke zu schließen, müssten die Institute 52 Milliarden Euro an zusätzlichem Kapital aufnehmen.

Die Analyse der Eba basiert auf einer Erhebung unter 99 Banken. Dabei handelte es sich vor allem um größere Institute, die interne Modellen nutzen. Viele kleine Banken in Deutschland tun dies nicht, weshalb die Bundesbank für die heimischen Institute im Durchschnitt auf eine geringe Belastung kommt.

„Die Bundesbank-Zahlen zeigen eindrücklich: Bei den Auswirkungen von Basel III ist viel Panikmache durch die Bankenlobby im Spiel“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. „Basel III trifft die großen Banken, die bisher ihre Risiken mit internen Modellen beliebig kleinrechnen dürfen.“ Kleinere Institute seien dagegen kaum betroffen.

Aus Sicht der Bankenlobby stellt sich die Lage anders dar. Sie hält die Schätzungen der Aufsichtsbehörden für zu niedrig, weil Banken in der Praxis nicht nur die Mindestkernkapitalquoten erfüllen müssen, sondern auch einen zusätzlichen Puffer brauchen. Eine vom Europäischen Bankenverband beauftrage Studie von Copenhagen Economics kommt zum Ergebnis, dass sich der zusätzliche Kapitalbedarf für die europäischen Banken auf 170 bis 230 Milliarden Euro beläuft.

Der Chef der EZB-Bankenaufsicht fürchtet eine weitere Verzögerung bei der Einführung der Basel-III-Regeln – und macht sich für eine harte Umsetzung stark. Quelle: Reuters
Andrea Enria

Der Chef der EZB-Bankenaufsicht fürchtet eine weitere Verzögerung bei der Einführung der Basel-III-Regeln – und macht sich für eine harte Umsetzung stark.

(Foto: Reuters)

„Die EU-Kommission muss das politische Versprechen einlösen, dass die Kapitalanforderungen durch die Reform nicht signifikant, also um nicht mehr als zehn Prozent steigen“, sagt Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des deutschen Privatbankenverbands BdB. „Wichtig ist, dass die Kapitalanforderungen auch bei den größeren europäischen Banken nicht zu stark steigen, weil sonst die Erholung der europäischen Wirtschaft nach der Coronakrise und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Institute gefährdet wird.“

Finanzstaatssekretär Jörg Kukies erklärte, die Bundesregierung werde sich für eine vollständige und fristgerechte Umsetzung von Basel III einsetzen. „Dabei müssen aus unserer Sicht negative Auswirkungen auf die Finanzierung der Realwirtschaft, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen, vermieden und die Geschäftsmodelle und Situation kleiner, nicht international tätiger Banken berücksichtigt werden.“

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, in dem die wichtigsten Finanzaufseher der Welt vertreten sind, hatte sich Ende 2017 nach jahrelangen Diskussionen auf die neuen Kapitalregeln verständigt. Die Vereinbarung, die manche in der Branche auch Basel IV nennen, ist das letzte große Reformpaket als Reaktion auf die Finanzkrise 2008.

Wegen der Coronakrise wurde die Einführung der Basel-Regeln um ein Jahr verschoben. Diese sollen laut den aktuellen Planungen von 2023 bis 2028 schrittweise eingeführt werden. Dass der Startpunkt 2023 eingehalten wird, glauben die meisten Beteiligten allerdings nicht.

Die Europäische Kommission will nämlich erst im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen, der anschließend im Europäischen Rat und Parlament kontrovers diskutiert werden dürfte. Der oberste EZB-Bankenaufseher Andrea Enria verweist darauf, dass der Gesetzgebungsprozess bei ähnlich komplexen Themen durchschnittlich zweieinhalb bis viereinhalb Jahre dauert und dass deshalb das Risiko besteht, „dass wir die Frist für die Einführung im Jahr 2023 nicht einhalten werden“.

Der Privatbankverband BdB fordert, dass durch die Basel-Reform auch die Eigenkapitalanforderungen an die Großbanken nicht zu stark steigen dürfen. Quelle: dpa
BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig (rechts) und Andreas Krautscheid

Der Privatbankverband BdB fordert, dass durch die Basel-Reform auch die Eigenkapitalanforderungen an die Großbanken nicht zu stark steigen dürfen.

(Foto: dpa)

Banken haben bei der Kalkulation ihrer Risiken zwei Verfahren zur Auswahl: ein von der Finanzaufsicht vorgegebenes Standardverfahren und ein von der Bank individuell entwickeltes Risikomodell. Vor allem größere Institute nutzen ihre eigenen Modelle. In der Regel liegt der Kapitalbedarf, der auf Basis dieser Modelle ermittelt wird, unter dem der Standardverfahren.

Künftig darf die Abweichung jedoch nicht mehr so groß ausfallen wie bisher. Die Aufseher wollen mit den Basel-Regeln eine Untergrenze (Output Floor) für den Kapitalbedarf einführen, die bei 72,5 Prozent des Bedarfs liegt, den das Standardmodell errechnet. Der Kapitalvorteil durch den Einsatz interner Modelle beträgt damit höchstens 27,5 Prozent.

Die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie die Basel-Reformen wie vereinbart umsetzen, dabei aber europäische Besonderheiten berücksichtigen will. Dabei gehe es unter anderem um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten sowie um Kredite an Mittelständler, die über kein Rating einer externen Agentur verfügen, sagte Kommissionsdirektor Martin Merlin kürzlich.

Als wahrscheinlich gilt deshalb, dass Geldhäuser bei Krediten an Mittelständler im Standardmodell ein niedrigeres Risikogewicht ansetzen dürfen, sofern die Firmen Bank-intern als bonitätsstark eingestuft werden. Dieser Ansatz wird Hybrid-Modell genannt.

Ferber: „Es ist Kreativität gefragt“

Wesentlich umstrittener ist die Frage, ob die durch den Output Floor erhöhten Risikoaktiva maßgeblich sind für die Berechnung aller Kapitalanforderungen („single stack approach“) oder nur für die Mindestkapitalanforderungen („parallel stack approach“). Der „parallel stock approach“ würde bedeuten, dass zusätzliche Kapitalpuffer – beispielweise für besonders riskante Geschäftsmodelle oder systemrelevante Banken – weiter auf Basis geringerer Risikoaktiva berechnet werden.

EZB und Eba lehnen diesen Ansatz strikt ab. Sie sind der Ansicht, dass die Basel-Reform dadurch verwässert würde und Europa gegen das weltweit vereinbarte Regelwerk verstoßen würde. „Eine Aufweichung von Basel III, etwa durch den Parallel-Stacks-Ansatz, dürfen wir nicht zulassen“, sagt auch Grünen-Politiker Giegold. „Das Bankensystem ist noch immer unterkapitalisiert.“

Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber beurteilt die Lage anders. „Die europäischen Verhandlungsführer haben im Baseler Ausschuss leider einer Vereinbarung zugestimmt, die dem US-amerikanischen Bankensektor sehr entgegenkommt, aber schlecht zum europäischen Bankensektor passt“, sagt Ferber. „Damit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken bei der Umsetzung nicht über Gebühr leidet, ist deshalb Kreativität gefragt.“

Die europäische Politik müsse die negativen Effekte so weit wie möglich minimieren und gleichzeitig eine Lösung finden, die Basel-konform sei, fordert Ferber. Er hat den Eindruck, dass der „parallel stack approach“ in Brüssel in den vergangenen Monaten an Popularität gewonnen hat.

Auch der BdB setzt sich für diesen Ansatz ein – und sieht darin keinen Verstoß gegen die Beschlüsse des Baseler Ausschusses. „Wir sind der Ansicht, dass es sich dabei um eine Basel-konforme Umsetzung des Regelwerks handeln würde“, sagt Hauptgeschäftsführer Ossig.

Finanzstaatssekretär Kukies erklärte, Deutschland befürworte „gemeinsam mit europäischen Partnern wie Frankreich, Luxemburg und Dänemark eine Umsetzung, die sich strikt an den Baseler Anforderungen orientiert, nicht mehr und nicht weniger“. Die im Baseler Rahmenwerk vorgesehenen Anforderungen für die Mindestkapitalquote (die sogenannte Säule I) sollten dabei durch zusätzliche Aufschläge der Finanzaufsicht (sogenannte Säule II) ergänzt werden.

Mehr: Banken und Politiker kommen sich wieder näher.

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