Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Schweizer Großbank Credit Suisse verbrennt bei Archegos-Pleite 4,4 Milliarden Franken – Groß angelegter Umbau im Management

Das Debakel rund um den Hedgefonds Archegos Capital drückt die Credit Suisse in die Verlustzone. Das hat direkte Konsequenzen für zwei Vorstandsmitglieder.
06.04.2021 Update: 06.04.2021 - 09:10 Uhr Kommentieren
Verluste auf Kredite an die kollabierte Archegos Capital kosteten die Schweizer Bank rund 4,4 Milliarden Franken. Quelle: Reuters
Credit Suisse

Verluste auf Kredite an die kollabierte Archegos Capital kosteten die Schweizer Bank rund 4,4 Milliarden Franken.

(Foto: Reuters)

Zürich Nach Tagen der Unsicherheit wird das ganze Ausmaß des Archegos-Skandals klar: Der Kollaps des Hedgefonds von Investor Bill Hwang, der vor zehn Tagen Schockwellen in der Finanzwelt ausgelöst hat, kostet allein die Credit Suisse 4,4 Milliarden Schweizer Franken (knapp vier Milliarden Euro). Das teilte die Bank am Dienstag mit.

Die Credit Suisse rechne daher im ersten Quartal mit einem Verlust vor Steuern von etwa 900 Millionen Franken. Der Verlust sei „inakzeptabel“, wird Vorstandschef Thomas Gottstein in der Mitteilung zitiert. Dieser negiere „die extrem starke Performance, die sonst erreicht worden wäre“.

Die Milliardenabschreibung ist der vorläufige Höhepunkt einer anhaltenden Serie von Negativschlagzeilen für die Schweizer Großbank. Schon die Pleite des Fintechs Greensill vor vier Wochen kostete Credit-Suisse-Kunden einen Milliardenbetrag.

Erneut zeigt sich zudem, welch enorme Klumpenrisiken das Geschäftsmodell der Credit Suisse birgt, das auf eine enge Verzahnung von Investmentbanking und Vermögensverwaltung setzt. Für Vorstandschef Gottstein dürfte der Fall Archegos die letzte Chance sein, das Risikomanagement neu auszurichten und die auf schnelle Deals fokussierte Kultur im Investmentbanking zu ändern. Noch eine Abschreibung in ähnlicher Größenordnung kann sich Gottstein nicht leisten.

Die Bank baut zudem das Topmanagement kräftig um: CEO Gottstein macht die von ihm eigens durchgeführte Fusion von Risikomanagement und Compliance rückgängig. Lara Warner, die im Vorstand die beiden Themen verantwortete, verliert ihren Posten mit sofortiger Wirkung.

Interimschef für das Risikomanagement wird Joachim Oechslin, der diese Position bereits bis Februar 2019 bei der Credit Suisse innehatte. Thomas Grotzer, bislang Chefjurist, übernimmt übergangsweise die Rolle als Compliance-Chef.

Stühlerücken im Topmanagement

Auch Brian Chin, Leiter des Investmentbankings, muss gehen. Sein Nachfolger wird Christian Meissner, der erst im vergangenen Herbst zur CS gekommen war und bislang unter Chin gearbeitet hat. Meissner leitete in der Vergangenheit bereits das Investmentbanking in Europa bei der Bank of America. Michael Kunz, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank bescheinigte der CS: „Immerhin wurden nun – unseres Erachtens fällige – personelle Konsequenzen gezogen.“

Darüber hinaus müssen einige Manager der zweiten und dritten Reihe aus dem Investmentbanking gehen. Auch sollen Boni gestrichen und die Vergütung für den Aufsichtsrat reduziert werden. Die Vergütung für das Topmanagement sinkt um über 40 Millionen Franken. Der scheidende Aufsichtsratschef Urs Rohner verzichtet auf 1,5 Millionen Franken. Die Bank hat zudem externe Berater angeheuert, um zu untersuchen, wie es zu dem Milliardenverlust kommen konnte.

Gegenüber der neuen Zürcher Zeitung kündigte Gottstein außerdem eine Strategieüberprüfung an. „Was wir jetzt schon sagen können: Aus gewissen Teilen des Investment Banking werden wir weiter Risiken herausnehmen“, sagt er im Interview. Dazu gehöre das Geschäft mit Hedgefonds.

Schon jetzt bedrohen die finanziellen Ausfälle die Solidität der Bank. Die Eigenkapitalquote betrage mindestens zwölf Prozent, teilte die CS weiter mit. Ende vergangenen Jahres lag diese Quote noch bei 12,7 Prozent. Bei vielen Konkurrenten, etwa der UBS, liegt die Quote bei weit über 13 Prozent.

Noch stärker fällt der Rückgang der sogenannten Eigenmittelquote (Leverage Ratio) aus, die das Verhältnis des Eigenkapitals zum gesamten Geschäftsvolumen misst. Sie fällt von 4,4 Prozent auf 3,7 Prozent und kommt damit den gesetzlichen Mindestvorgaben der Finanzaufsichtsbehörde Finma bedrohlich nahe. Diese liegen bei 3,5 Prozent.

Als Reaktion auf den massiv geschrumpften Kapitalpuffer senkt die CS die Dividende deutlich und setzt auch den Rückkauf eigener Aktien aus. Man wolle diesen erst dann wieder aufnehmen, „wenn wir unsere starke Kapitalbasis zurückgewonnen und unsere Dividende wiederhergestellt haben“, teilte die Bank weiter mit.

Grafik

Die Aktie der CS legte am Dienstag in der Spitze um rund 1,8 Prozent auf über zehn Franken zu. Auf Jahressicht notiert sie noch immer knapp zehn Prozent im Minus. Die Aktie des Lokalrivalen UBS ist im gleichen Zeitraum rund 13 Prozent gestiegen.

Anke Reingen, Analystin bei der Bank RBC Capital Markets, schrieb in einer Studie, nur durch eine außerordentlich starke Performance im ersten Quartal sei es der Bank gelungen, die massiven Verluste aus der Hedgefonds-Pleite abzufedern. „Das sollte den Aktienkurs kurzfristig etwas entlasten, doch Fragen zur langfristigen Strategie bleiben offen.“

Ähnlich sehen das die Analysten der Bank Vontobel: „Während die kurzfristigen Auswirkungen weniger schwerwiegend zu sein scheinen als befürchtet, werden die vollen Folgen des Reputationsverlustes erst im Laufe der Zeit sichtbar werden“, schreiben sie in einer aktuellen Studie.

Die Credit Suisse hatte über ihr Hedgefonds-Geschäft, das sogenannte „Prime Brokerage“, der Vermögensverwaltung Archegos Capital von Investor Hwang hohe Kreditlinien eingeräumt. Damit wettete Hwang auf US-Aktien sowie chinesische Technologieaktien. Der Investor setzte mithilfe der CS-Banker komplex strukturierte Wertpapiere ein, um die tatsächliche Höhe seiner Beteiligung an den Unternehmen zu verschleiern. Die Aktien der Unternehmen, auf die er setzte, hinterlegte er als Sicherheiten. Er war zudem Kunde bei mehreren Wall-Street-Banken, darunter Goldman Sachs, Morgan Stanley, UBS, Nomura und Deutsche Bank.

So gelang es Hwang, mit Milliarden von geliehenem Geld die Aktienkurse etwa vom US-Medienunternehmen ViacomCBS oder von chinesischen Techwerten nach oben zu treiben. ViacomCBS war bis März die erfolgreichste Aktie im S&P 500.

Fragwürdige Deals mit China-Aktien

Doch nachdem die Viacom-Aktien nach einer Kapitalerhöhung Anfang vorvergangener Woche ins Rutschen gerieten, verlangten die Banken zusätzliche Sicherheiten von Hwang. Weil er die nicht liefern konnte, brach sein Fonds Archegos zusammen.

Nachdem sich die kreditgebenden Banken Medienberichten zufolge nicht auf eine geordnete Abwicklung von Archegos einigen konnten, begannen Goldman Sachs und Morgan Stanley Ende März, große Aktienpakete, die Hwang als Sicherheiten hinterlegt hatte, auf den Markt zu werfen. Die US-Banken sowie UBS und Deutsche Bank konnten sich ohne große Verluste von ihren Paketen trennen.

Nomura warnte die Aktionäre der japanischen Bank Ende März vor Einbußen in Höhe von zwei Milliarden Dollar. Die Credit Suisse trug den Großteil der Verluste. Und sie brauchte länger als andere Banken mit der Abwicklung der Positionen: Noch am Montag warf die CS Pakete mit Aktien von ViacomCBS sowie den E-Commerce-Unternehmen Vipshop und Farfetch im Wert von zusammen über zwei Milliarden Dollar auf den Markt.

Der Verlust sei „inakzeptabel“, sagte der Bankchef am Dienstag. Quelle: Reuters
Thomas Gottstein

Der Verlust sei „inakzeptabel“, sagte der Bankchef am Dienstag.

(Foto: Reuters)

Fragen werfen vor allem Marktbewegungen bei dubiosen chinesischen Unternehmen auf, die über sogenannte American Deposit Receipts (ADRs) an US-Börsen gelistet sind. Investor Hwang wettete mithilfe von CS und Co. etwa auf steigende Kurse des chinesischen Onlinebildungsanbieters GSX Techedu. Die Credit Suisse war zuletzt einer der größten bekannten Halter von GSX-Anteilscheinen, wie aus Daten der US-Aufsichtsbehörde SEC hervorgeht. Sie hielt die ADRs von GSX im Auftrag von Hwang und anderen Kunden.

Die Credit Suisse begleitete zudem den Börsengang von GSX Techedu. Und sie reichte Berichten von Bloomberg zufolge einen 50-Millionen-Dollar-Kredit an GSX-Gründer Larry Chen aus, für den Chen ADRs im Wert von damals 150 Millionen Dollar als Sicherheiten hinterlegte.

Das Problem: Bei GSX Techedu handelt es sich nach Ansicht von Shortsellern wie Carson Block von Muddy Waters um „nahezu kompletten Betrug“. Block, der auf fallende Aktien von GSX wettet, hatte im Mai 2020 einen Report vorgelegt, in dem er dem chinesischen Unternehmen unter anderem vorwarf, seine Nutzerzahl massiv aufzublähen.

Greensill-Skandal schürt weiter Unsicherheit

Der Fall GSX erinnert an den chinesischen Starbucks-Klon Lucking Coffee. Auch hier hatte die Credit Suisse den Börsengang begleitet und US-Notizen des chinesischen Unternehmens als Sicherheiten für eine Kreditlinie an den Gründer akzeptiert. Nachdem Shortseller einen Bilanzskandal bei Luckin Coffee aufdeckten, musste die Credit Suisse den Kredit abschreiben.

Während die Kosten der Abwicklung von Archegos nun klar sind, sorgen die Folgen des Greensill-Skandals bei den Kunden und Aktionären der CS weiter für Unsicherheit. Die Credit Suisse hatte dem einst gefeierten, auf Lieferkettenfinanzierung spezialisierten Fintech eine Kreditlinie in Höhe von 140 Millionen Dollar gewährt und zudem über tausend Profikunden in Fonds gelotst, die in von Greensill aufgelegte Wertpapiere investierten.

Grafik

Der Zusammenbruch der Greensill-Gruppe kostete Credit-Suisse-Kunden Milliarden, die Bank wappnet sich daher für Rechtsstreitigkeiten. Am Dienstag teilte die CS mit, man erwarte nach der Greensill-Insolvenz weitere Rückflüsse für die hauseigenen Fonds. Im Lauf der Woche wolle man die Kunden über weitere Rückzahlungen informieren.

Thomas Gottstein sagte weiter: „Ich erkenne an, dass diese Fälle große Sorge bei all unseren Stakeholdern ausgelöst haben.“ Er versicherte, die Bank habe „ernste Lektionen“ gelernt. Nun muss Gottstein seinen Worten Taten folgen lassen.

Mehr: Wie eine hausgemachte Pannenserie die Credit Suisse in die Bredouille bringt

Startseite
Mehr zu: Schweizer Großbank - Credit Suisse verbrennt bei Archegos-Pleite 4,4 Milliarden Franken – Groß angelegter Umbau im Management
0 Kommentare zu "Schweizer Großbank : Credit Suisse verbrennt bei Archegos-Pleite 4,4 Milliarden Franken – Groß angelegter Umbau im Management"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%