Überraschender Abschied von Boris Collardi Zeitenwende bei Julius Bär

Aufstieg in den Olymp der Privatbankiers.
Zürich Boris Collardi mag nicht nur schnelle Autos. Auch beruflich nutzt er jede Chance, um an anderen vorbeizuziehen. Bei der Zürcher Privatbank Julius Bär legte er eine Blitzkarriere hin. Jetzt steigt der 43-Jährige in den Bankiers-Olymp auf und wird Teilhaber der Genfer Privatbank Pictet. Seine Nachfolge tritt der langjährige Bär-Banker Bernhard Hodler an. Collardi hat mit seinem Wechsel nicht nur den Verwaltungsrat, sondern auch die Aktionäre auf dem falschen Fuß erwischt.
Fast neun Jahre lang führte Collardi die Geschicke von Julius Bär. Seine Liebe zum Banking entdeckte er als Trainee bei der Credit Suisse. Dort lernt er auch Alex Widmer kennen, der als sein Ziehvater gilt. 2006 holt ihn Widmer, damals CEO, zu Julius Bär. Der Manager begeht im Dezember 2008 Suizid. Bei der Nachfolgersuche werden Collardi zunächst wenig Chancen eingeräumt, doch der damals 34-Jährige macht das Rennen. Der Manager findet schnell in seine neue Rolle. Für den Weg zur Arbeit lässt er den Ferrari stehen und wechselt zum Fiat 500. Der eigne sich besser für Telefongespräche, so Collardi. Beim Ferrari gehe das nicht: „Der Motor ist zu laut.“
Nach der Finanzkrise machen die Schweizer Privatbanken einen radikalen Wandel durch: Jahrzehntelang galten sie als sicherer Ort für Schwarzgeld. Doch als die Schweiz dem Datenaustausch mit dem Ausland zustimmt, geraten viele Häuser unter Druck. Zudem ziehen Aufseher die Daumenschrauben an. Viele kleine Häuser geben auf, auch internationale Institute ziehen sich aus dem Markt zurück. Für größere Privatbanken wie Julius Bär bietet das Chancen.

Er gehört seit 20 Jahren zum Bär-Inventar.
Unter Collardis Führung reißt sich Julius Bär etwa die ausländische Vermögensverwaltungssparte von Merrill Lynch unter den Nagel, um das Wachstum in Asien zu forcieren. Mit Erfolg: Jüngsten Zahlen zufolge verwaltet die Privatbank umgerechnet 336 Milliarden Euro. Das war ein Plus von 17 Prozent binnen zehn Monaten – ein Rekord. „Collardis aggressive Wachstumsstrategie war bislang äußerst erfolgreich“, urteilt Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Dass Julius Bär in Verbindung mit dem Fifa-Skandal oder der Korruptionsaffäre um den brasilianischen Petrobras-Konzern für Schlagzeilen sorgte, tat dem Erfolg kaum Abbruch – auch wenn Kritiker sich fragen, wie nachhaltig das Wachstum sein wird.
Nun will die Bank an ihrer Strategie festhalten, doch von Collardis Abgang wirkt sie kalt erwischt. Die Geschäftsleitung übernimmt der 58-jährige Hodler, der nach 20 Jahren in Führungspositionen gewissermaßen zum Bär-Inventar zählt. „Ich stehe für Kontinuität“, sagt Hodler. Doch wie lange er die Geschäfte führt, bleibt abzuwarten.
Verwaltungsratspräsident Daniel Sauter wollte sich in einer Telefonkonferenz nicht weiter festlegen. „Bernhard ist für die absehbare Zukunft zum CEO ernannt worden“, sagte Sauter, der von Collardis Plänen erst am Wochenende erfuhr. „Es hat keinen Konflikt gegeben“, betont der Verwaltungsratschef. Doch nicht nur das Gremium wurde von Collardis Abgang überrascht. Auch die Aktionäre reagierten düpiert: Der Aktienkurs von Julius Bär gab bis Montagmittag um fast sechs Prozent nach.
Was aber zieht Collardi nach Genf? Auf den ersten Blick liest sich die neue Jobbeschreibung wie ein Abstieg: Bei Pictet wird er Co-Chef der globalen Vermögensverwaltung. Dafür wird er aber einer von insgesamt sieben Pictet-Teilhabern. Das hat seit 1998 kein Externer mehr geschafft. „Collardi wird vom Angestellten zum Eigentümer“, sagt ein Insider. Ein Job mit Renommee – und mit der Chance auf höheres Gehalt. Auch das zählt zu den Vorteilen des neuen Jobs: Pictet ist nicht börsennotiert. Was die Partner verdienen, wird nicht verraten.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.