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Zahlungsdienstleister Manipulationsvorwürfe gegen Wirecard: Der Moment der Wahrheit ist da

Angeblicher Bilanzbetrug, dubiose Partner: Wirecard steht seit über einem Jahr im Zentrum der Kritik. Am Mittwoch will der Konzern reinen Tisch machen.
20.04.2020 - 18:00 Uhr Kommentieren
Der Zahlungsdienstleister will einen Schlussstrich ziehen unter viele Vorwürfe. Quelle: imago images / Sven Simon
Wirecard-Zentrale

Der Zahlungsdienstleister will einen Schlussstrich ziehen unter viele Vorwürfe.

(Foto: imago images / Sven Simon)

München/Frankfurt Hinter Wirecard liegt ein Jahr der Extreme. Seit Januar 2019 hat die Wirtschaftszeitung „Financial Times“ (FT) eine ganze Serie von Artikeln über undurchsichtige Verträge und zweifelhafte Partner des Konzerns veröffentlicht. Vor allem die Ungereimtheiten im wichtigen Asiengeschäft nährten einen bösen Verdacht: Hat Wirecard seine Bilanz manipuliert?

Nachdem der Druck auf den Konzern über Monate hinweg gestiegen war, versuchte Wirecard im Oktober den Befreiungsschlag – und beauftragte die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderprüfung der Bilanzen der Jahre 2016 bis 2018. Im März legte Wirecard ein erstes Teilergebnis vor und verlängerte den Prüfzeitraum.

Nun ist der „Tag X“, der Moment der Wahrheit da: Am Mittwoch soll der finale KPMG-Bericht veröffentlicht werden – in Gänze, wie Wirecard versprochen hat. Das Management hofft, damit endlich einen Schlussstrich unter die Debatten der Vergangenheit ziehen zu können. Fehler darf sich der Zahlungsabwickler nicht mehr leisten. Laut Insidern wird der Bericht auch von der Finanzaufsicht Bafin genau studiert.

Bafin-Präsident Felix Hufeld nimmt Wirecard und andere Firmen aus der Branche vorsorglich in die Pflicht: „Zahlungsdienstleister müssen sich genauso wie Banken an ein umfassendes Regelwerk halten“, sagte er dem Handelsblatt. „Dazu gehört auch, dass sie umfangreiche Vorkehrungen treffen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erkennen.“ Unternehmen hätten dabei eine große Verantwortung, sagte Hufeld. „Und wir überprüfen seit einiger Zeit verstärkt, ob sie dieser nachkommen.“

Die gespannte Aufmerksamkeit von Anlegern, Analysten und Regulierern ist dem KPMG-Bericht sicher. Dass es um Wirecard nach seiner Vorlage ruhig wird, ist indes nicht garantiert. Rund um den Konzern schwelen eine Vielzahl an Streitigkeiten.

Ein Überblick über den Stand der wichtigsten Debatten im April 2020:

Ein Fest für Shortseller

Die Profiteure des Wirbels um Wirecard stehen bereits fest: Es sind die Shortseller, also Investoren, die auf einen Kursverfall der Wirecard-Aktie setzen. Zum ersten Mal gab es 2008 einen massiven Aufbau von Shortpositionen. 2016 folgte die nächste große Attacke, in der Vorweihnachtszeit 2019 hatte dann ein halbes Dutzend britische und US-Hedgefonds Wetten bei der Bafin gemeldet. Zuvor hatten kritische FT-Berichte zu Wirecards Geschäft mit Drittpartnern in exotischen Ländern den Druck verstärkt.

Im Februar 2019 sah sich die Bafin sogar genötigt, über Wirecard-Aktien einen kompletten Shortselling-Bann auszusprechen – ein bisher beispielloser Vorgang.

Untersuchungen gegen FT-Reporter

Auch Journalisten der „Financial Times“ gerieten in den Fokus von Behörden. Im Raum steht der Vorwurf, diese könnten sich mit Shortsellern abgesprochen haben. Im April 2019 stellte die Finanzaufsicht Bafin Strafanzeige gegen eine einstellige Anzahl von Personen, darunter auch FT-Journalisten, bei der Staatsanwaltschaft München.

Eine dem Handelsblatt vorliegende Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Fabio De Masi gibt nun Details zu den Ermittlungen preis. Demnach haben „Aufsichtsbehörden mehrerer EU-Mitgliedstaaten“ der Bafin Verdachtsanzeigen übermittelt. Diese „wiesen auf mögliche Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation oder Insiderverstöße hin. Über die Hinweisgeberstelle der Bafin gingen weitere Hinweise ein“, auch noch nach Ende des Shortselling-Verbots.

Ihre Marktmanipulationsuntersuchungen hat die Bafin nach Abgabe der Strafanzeige vorerst eingestellt und alle relevanten Informationen an die Staatsanwaltschaft München weitergeleitet. „Unsere Ermittlungen dauern an“, erklärte deren Sprecherin. De Masi kritisiert das Tempo der Behörden: Die Bafin sei zügig eingeschritten, doch gebe es nach über einem Jahr an Ermittlungen gegen die FT noch immer kein Ergebnis..

Ermittlungen gegen Wirecard

Wirecard-Manager sind 2019 selbst ins Visier der Bafin geraten. Zu Details der Untersuchungen gibt sich die Bundesregierung in der Antwort auf die Bundestagsanfrage De Masis schmallippig: „Im Rahmen der laufenden Untersuchungen der Bafin wird auch anderweitig mögliches Fehlverhalten von Verantwortlichen der Wirecard AG bezogen auf EU- bzw. deutsches Recht berücksichtigt.“ Da es sich um laufende Untersuchungen handele, wolle man keine näheren Angaben machen.

„Unsere Marktmanipulationsuntersuchung verfolgt zwei Stränge“, erklärt eine Bafin-Sprecherin. Zum einen gehe es um die mutmaßliche, bereits in München angezeigte Manipulation in Form von Short-Attacken, zum zweiten um den Verdacht der Manipulation durch Wirecard selbst, etwa durch Zurückhalten von eigentlich veröffentlichungspflichtigen Nachrichten. Der zweite Teil laufe noch.

Laut Aufsichtskreisen geht es unter anderem um die Frage, ob der Konzern über die polizeilichen Durchsuchungen seiner Singapur-Einheit und weitere Unregelmäßigkeiten bei Partnern per Ad-hoc-Mitteilung hätte informieren müssen. Zudem hat laut Insidern auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) nach Hinweisen, die auch bei der Bafin eingegangen sind, 2019 eine Untersuchung der Wirecard-Bilanzprüfung eingeleitet. Eine Stellungnahme lehnen DPR und Bafin hierzu ab.

Darüber hinaus sind zwei Strafanzeigen anhängig. Der Co-Chefredakteur des „Finance“-Magazins aus dem F.A.Z.-Fachverlag, Michael Hedtstück, hat im Januar 2020 eine Anzeige gegen Unbekannt gestellt wegen illegaler Überwachung. Wiener Anlegerrechtler haben zu Jahresbeginn Geldwäscheanzeige wegen der Zahlungsabwicklung für betrügerische Trading-Seiten durch Wirecard gestellt. Ihre Prüfung dauert laut der Staatsanwaltschaft München noch an.

Folgen für Kurs und Anleger

Für die Wirecard-Anleger waren die vielen Debatten schmerzhaft. Der Kurs ist von seinem Rekordhoch bei knapp 200 Euro abgestürzt. Eher untypisch entwickelt sich die Aktie in der Coronakrise in den vergangenen Wochen. Wie alle anderen Dax-Werte verloren die Wirecard-Papiere zwar im März massiv an Wert und sanken sogar unter die Marke von 80 Euro. Zuletzt erholte sich der Kurs allerdings deutlich und kletterte nach Ostern sogar auf Niveaus um 125 Euro.

Beobachter sehen darin ein Anzeichen, dass Großinvestoren mit einer Entlastung durch den am Mittwoch anstehenden KPMG-Bericht rechnen. Laut Insidern prüften die rund 40 KPMG-Experten auch noch zu Beginn dieser Woche einlaufende Zahlen von Drittpartnern.

Eine neuerliche Verlängerung des Prüfzeitraums wie zuletzt im März ist kaum mehr möglich: Am 30. April will Wirecard seine Jahresbilanz 2019 veröffentlichen. Und diese möchte der Konzernprüfer EY ohne die KPMG-Einschätzung zur Sonderprüfung offenbar nicht testieren. Erneut brauchen Wirecard-Investoren daher nun vor allem eines: starke Nerven.

Mehr: Wirecard hat bereits Teilergebnisse der Sonderprüfung veröffentlicht. Nicht alle Experten betrachteten das Ergebnis positiv.

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