Expertenrat – Holger Schmidt: Mit Digitalisierung tut der Klimaschutz weniger weh

Der US-Milliardär steckt zehn Milliarden Dollar in den Klimaschutz.
Amazon-Chef Jeff Bezos stiftet zehn Milliarden Dollar für den Klimaschutz. Der Konzern ist zwar erst relativ spät als Klimaschützer aufgefallen und betreibt seine Rechenzentren überwiegend noch mit konventioneller Energie, während die Konkurrenten Google oder Apple schon lange auf Ökostrom setzen.
Doch inzwischen ist auch dem letzten Tech-Liebhaber klar geworden, dass Digitalisierung ohne Nachhaltigkeit nicht funktioniert. Denn die energiehungrigen Server, Netze und Geräte tragen schon drei Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei und ihr Anteil wird wegen des hohen Digitalisierungstempos schnell steigen.
Vor allem das Streaming von Videos ist energieintensiv; auch die Suche bei Google, das Training einer Künstlichen Intelligenz oder auch nur das massenhafte Speichern nicht mehr benötigter E-Mails in der Cloud verschlingt große Energiemengen. Die auf Wachstum getrimmten Digitalkonzerne müssen ihren eingeschlagenen Pfad vom Verbrauch fossiler Energie schon aus eigenem Interesse so schnell wie möglich entkoppeln.
Was die Frage aufwirft, wie schnell Digitalisierung und Klimaschutz zu vereinen sind. Denn der bisher eingeschlagene Digitalisierungsweg zielt meist darauf ab, den Menschen die größtmögliche Bequemlichkeit zu bieten. Mehr Konsum, mehr Verkehr und mehr Energieverbrauch sind die Folgen.
Wenn sich die Car-Sharing-Dienste im Kampf um Marktanteile im Preis unterbieten, fahren die Menschen mehr Auto, statt wie bisher die U-Bahn zu nehmen. Die in jeder Hinsicht unsinnigen E-Scooter in den Städten sind schneller kaputt und benötigen mehr Energie als ein Fahrrad oder die Straßenbahn. Und unbegrenzter Speicherplatz in der Cloud für die Fotos vom ökologisch vorbildlichen Wanderurlaub lassen den CO2-Fußabdruck nachträglich unnötig wachsen.
Positive Effekte sollten nicht außer Acht gelassen werden
Die Liste dieser Beispiele ist lang, doch es wäre fatal, auf die positiven Effekte der Digitalisierung zu verzichten: Wenn Autos nicht mehr 95 Prozent der Zeit ungenutzt herumstehen, sondern autonom Passagiere befördern, genügen 20 Prozent der bisherigen Flotte für die gleiche Transportleistung, schätzen MIT-Experten.
Eine aktuelle Studie des Cambridge Centre for Advanced Research and Education zeigt bis zu 50 Prozent Energieersparnis, wenn cyber-physische Systeme in der Industrie 4.0 intelligent miteinander verknüpft werden. Tesla liefert die Solarzellen für die Akkus seiner Autos gleich mit und in der Landwirtschaft hilft „Precision Farming“, nur das Nötigste auf den Feldern auszubringen. Auch diese Liste ist lang und sie zeigt: Ohne Digitalisierung ist die nötige Senkung der CO2-Emissionen nicht zu schaffen.

Der kurzfristige Zielkonflikt zwischen Digitalisierung und Klimaschutz wird sich langfristig auflösen. Doch bis dahin muss die Digitalbranche ihren Erfindergeist auf die Vereinbarkeit ihrer Geschäftsmodelle mit dem Klimaschutz richten. Algorithmen lassen sich auf Effizienz trimmen; Lieferflotten auf Elektroantrieb umrüsten, Rechenzentren mit grünem Strom betreiben und Smartphones reparaturfähig bauen. Auch der überall zu sehende Wandel von Produkten zu digitalen Services enthält eine ökologische Chance: Wer ein Produkt verkauft, verdient mit der Wartung oft viel Geld. Wer dagegen einen Service verkauft, hat ein hohes Eigeninteresse an energieeffizienten Produkten mit langer Lebensdauer.






Die Zeit der Ausreden ist abgelaufen. „Ehrlicher Umweltschutz muss sich zum Ziel setzen, CO2 tatsächlich einzusparen. Das wird schmerzhaft. Denn es geht an die Produkte und Prozesse und ist harte Kärrnerarbeit tief im Maschinenraum des Unternehmens: Gebäudesanierung, Prozessoptimierung, E-Mobilität, um nur diese drei zu nennen“ schrieb Otto-Chef Alexander Birken dieser Tage im Handelsblatt. So ist es. Mit technischer Hilfe wird es allerdings weniger weh tun.





