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GastkommentarDer beschleunigte Ausbau von schnellem Internet droht zu scheitern

Vor einem Jahr hat die Bundesregierung ihre Gigabitstrategie verabschiedet. Passiert ist seither kaum etwas. Unternehmen fühlen sich eher ausgebremst als unterstützt, mahnt Markus Haas. 28.06.2023 - 11:45 Uhr Artikel anhören

Markus Haas ist CEO des Telekommunikationsanbieters O2 Telefónica in Deutschland.

Foto: dpa, Bloomberg

Deutschland befindet sich in einer historischen Transformation. Die Art, wie wir leben und arbeiten, ändert sich grundlegend. Wir müssen uns neu erfinden, wenn wir den Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende begegnen wollen. Und wir müssen agiler werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Gigabitstrategie der Bundesregierung ist ein entscheidender Faktor dafür. Glasfaser für alle, der neueste 5G-Mobilfunkstandard flächendeckend bis 2030 sind die richtigen Ziele.

Die Realität sieht aber anders aus. Die Telekommunikationsbranche als Sprungbrett für Digitalisierungspläne wartet auch nach einem Jahr Gigabitstrategie weiter auf wesentliche Weichenstellungen. Wenn wir nicht schnell handeln, droht die Gigabitstrategie zu scheitern.

Die digitale Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor. Im Homeoffice arbeiten, unterwegs streamen oder die Geräte im Haushalt intelligent vernetzen, das sollte überall Standard sein, auch auf dem Land.

Leistungsfähige Mobilfunknetze und Festnetzinfrastrukturen bilden die Grundlage für die digitale Teilhabe, für Wachstum und Wohlstand. Die Digitalisierung ist zudem das effizienteste und effektivste Werkzeug, um die Energiewende zu meistern. Digitale Technologien allein könnten laut einer Bitkom-Studie bereits mehr als 41 Prozent der bis 2030 nötigen CO2-Einsparungen in Deutschland erzielen.

Die Genehmigung für einen neuen Mobilfunkmast dauert mitunter zwei bis drei Jahre

Für den beschleunigten Ausbau der Netze nimmt die Bundesregierung die Telekommunikationsunternehmen in die Pflicht. Die Branche investierte allein im vergangenen Jahr 13,1 Milliarden Euro in den Netzausbau - 14 Prozent mehr als noch 2021.

Die Betreiber versorgen heute zwar 99 Prozent der Bevölkerung mit mobilem Breitband und über 80 Prozent mit dem schnellen Mobilfunkstandard 5G, bis spätestens 2025 sind es 100 Prozent.

Das ist perspektivisch aber nicht genug. Gerade beim Glasfaserausbau sind erst 19,3 Prozent der Haushalte angeschlossen. Damit liegt Deutschland in der EU auf dem vorletzten Platz.

Um das Tempo im Sinne der Gigabitstrategie für eine bessere Breitbandversorgung der Haushalte und die notwendige Vervielfachung der Netzkapazitäten angesichts des rasanten Datenwachstums weiter zu erhöhen, sind Politik und Regulierung in der Pflicht.

Die bieten den Unternehmen in der Praxis bislang keine Hilfestellungen für den zusätzlichen Netzausbau. Mitunter warten Betreiber zwei bis drei Jahre auf die Genehmigung, um einen Mobilfunkmast bauen zu dürfen. Auch im Glasfaserausbau erweisen sich die Bürokratie und eine mangelnde Digitalisierung in den Behörden als Hemmschuh.

Versteigert die Bundesnetzagentur erneut Mobilfunkfrequenzen, müssten Unternehmen abermals Milliarden von Euro für neue Frequenzen statt für den Netzausbau ausgeben. Gerade auf dem Land würde das über Jahre hinaus eine schlechtere Netzversorgung bedeuten.

Netflix oder Meta sollten sich an den Ausbaukosten der Netze beteiligen

Für ein Industrieland wie Deutschland ist die digitale Infrastruktur genauso wichtig wie moderne und resiliente Verkehrs- oder Energienetze. Doch die digitalen Lebensadern werden hierzulande nachrangig behandelt.

Ein Beispiel: Der Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben zielt auf den Ausbau des Schienen-, Straßen- und Energienetzes. Auf ein vergleichbares Gesetz für die Beschleunigung des Ausbaus digitaler Infrastrukturen warten wir auch ein Jahr nach Verkündung der Gigabitstrategie noch.

Für die Betreiber von Energienetzen sieht die Bundesnetzagentur sogar höhere Renditen vor, um die Netze zu modernisieren. Sie werden über höhere Verbraucherpreise finanziert. Die Telekommunikationsunternehmen bleiben außen vor. Investitionsanreize? Fehlanzeige.

>> Lesen Sie auch: EU-Kommission bemängelt langsame Digitalisierung in Deutschland

Damit die Gigabitstrategie ein Erfolg für Menschen und Unternehmen wird, brauchen wir ein Umfeld, das Investitionen fördert. Dazu gehört beispielsweise eine Beteiligung der großen Datenverursacher wie Netflix oder Meta an den Kosten des Netzausbaus.

Eine Verlängerung der Frequenznutzung und ein Verzicht auf milliardenschwere Auktionen würden dem Netzausbau weiteren Schub geben.

Wie es geht, zeigen unsere europäischen Nachbarn: In Spanien verfügen mehr als 80 Prozent der Haushalte über einen Glasfaseranschluss. Dort wie in anderen EU-Ländern sind rasche Genehmigungen für Bauvorhaben, aber auch alternative Verlegetechniken üblich.

Das ist es, was auch Deutschland jetzt braucht. Statt immer nur zu bremsen, müssen Politik und Regulierung die Digitalisierung beschleunigen. Wenn sie die Betreiber der digitalen Infrastrukturen als echte Partner sehen, dann können wir für alle mehr erreichen.

Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft braucht pragmatische Entscheidungen und Investitionsperspektiven mit Weitblick. Dann kann die Gigabitstrategie Deutschland einen wirklich großen Schritt voranbringen.

Verwandte Themen Digitalisierung Deutschland Wirtschaftspolitik

Der Autor: Markus Haas ist CEO des Telekommunikationsanbieters O2 Telefónica in Deutschland.

Mehr: Minister Wissing will Mobilfunkern beim Netzausbau helfen.

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