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GastkommentarDeutsche Offshore-Windenergie braucht mehr Platz in der Nordsee

In deutschen Gewässern gibt es nicht genügend Flächen für Windparks auf See, um den zukünftigen Bedarf an Windstrom zu decken. Stefan Thimm rät zur Zusammenarbeit mit Dänemark. 09.09.2024 - 04:08 Uhr Artikel anhören
Gastkommentar 174, ET 09.09.2024, Stefan Thimm, Geschäftsführer Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) Foto: PR, Sina Schuldt/dpa

Für einen wirksamen Klimaschutz benötigen Wirtschaft und Gesellschaft ausreichend klimafreundlichen Strom. Auch deswegen sollen in deutschen Gewässern bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Gigawatt, bis 2035 wenigstens 40 Gigawatt und bis 2045 mindestens 70 Gigawatt Offshore-Windenergie installiert werden. Das sind gute Aussichten. Und doch gibt es ein gravierendes Problem: Die aktuelle Raumplanung in der Nordsee steht diesem Ziel entgegen.

Die geplanten Flächen für Offshore-Windenergie sind zu eng bebaut und ungünstig angeordnet

Wie viel Strom wir benötigen werden, wissen wir. 250 Terawattstunden sollen die Offshore-Windenergieanlagen vor deutschen Küsten im Jahr 2045 produzieren. Dies hat der Thinktank Agora Energiewende in einer viel beachteten Studie ermittelt. Dieses Mengenziel wird aktuell durch die Umsetzung des Ausbaus in den nächsten Jahren infrage gestellt.

Zuständig für die Raumplanung ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) mit Sitz in Hamburg. Die Kolleginnen und Kollegen haben die verantwortungsvolle Aufgabe, politische Ziele in konkrete Flächen für Windparks auf See zu verwandeln. Das BSH hat zwar bereits einige Flächen für die Offshore-Windenergie ausgewiesen. Diese genügen aber nicht, um den Bedarf an Windstrom zu decken. Die geplanten Flächen sollen zu eng bebaut werden oder sind ungünstig angeordnet. All dies führt dazu, dass die Windräder sich gegenseitig den Wind nehmen – „abschatten“, wie Fachleute sagen. Im Ergebnis liefern sie weniger Strom, als sie könnten und müssten. Die Offshore-Windenergie wird so ihrer großen Stärke beraubt: des kräftigen Winds auf See. Sie verliert ihre volle Leistungsfähigkeit.

Das ist nicht nur schlecht für Investoren, sondern hintertreibt die Ziele der Energiewende. Die viel beschriebenen Abschattungseffekte zeigen sich besonders deutlich im Gebiet mit der „Nummer 9“, welches das BSH für die Offshore-Windenergie vorgesehen hat. Es ist ein großes Gebiet, das eine Kapazität von 9500 Megawatt (MW) erhalten soll. Das ist mehr, als in den vergangenen 15 Jahren in der deutschen Nord- und Ostsee installiert wurde.

Die für Offshore-Wind geeigneten Flächen in Dänemark sind ungleich größer als in Deutschland.
Stefan Thimm

Doch nach einer Analyse des BSH selbst würde eine vollständige Bebauung dieses Gebiets dazu führen, dass die dortigen Offshore-Windräder nur im Schnitt an 2252 Stunden im Jahr ihre volle Leistung abrufen. Das ist weit unter dem Zielwert von 3600 Stunden, den wir für eine klimaneutrale Stromversorgung benötigen.

Die geplante Ineffizienz wird zudem durch die Netzplanung nochmals verstärkt. Denn bisher werden die Offshore-Netzanbindungssysteme gleichermaßen auf die zu installierende Kapazität ausgerichtet. Dies führt zu einer erheblichen Überdimensionierung von Netzanschlusssystemen. Denn ein Gebiet, das so eng bebaut werden muss und im Schatten anderer, eng bebauter Flächen steht, dass hier nur noch 2252 Volllaststunden erreicht werden können, kann ein auf die Gesamtkapazität ausgerichtetes Netzanbindungssystem nur halb so gut auslasten, wie es eine optimierte Fläche mit etwa 4000 Volllaststunden könnte. Das System wäre nur zu einem Viertel der vorgesehenen 2000 MW ausgelastet. Die finanziellen Auswirkungen auf die Netzentgelte wären enorm.

Für eine energiewirtschaftliche Effizienz ist eine optimierte zeitliche Planung mehr als sinnvoll

Wir brauchen mehr Flächen für die Offshore-Windenergie. Wir müssen die Möglichkeiten der Co-Nutzung erschließen. Und wir sollten auch die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark prüfen. Während Dänemarks Stromverbrauch mit knapp über 30 Terawattstunden gerade mal fünf Prozent des deutschen Stromkonsums entspricht, sind die für Offshore-Wind geeigneten Flächen in Dänemark ungleich größer als in Deutschland.

Gleichzeitig gibt es in Dänemark Flächen, die sich per Kabel auf ziemlich kurzem Weg direkt nach Deutschland anschließen ließen. Ein völkerrechtlicher Vertrag zur Nutzung dieser Flächen könnte uns helfen, Abschattungseffekte und Kosten für Verbraucher zu reduzieren.

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Des Weiteren könnte eine optimierte zeitliche Planung die energiewirtschaftliche Effizienz zumindest für eine gewisse Zeit verbessern. Statt den Ausbau vorwiegend nach der Entfernung zur Küste zu staffeln, müssten die Planerinnen und Planer hierfür eine minimale Abschattung bestehender oder zugewiesener Flächen im Blick haben. Hierdurch könnten Einbußen bei der Energieausbeute reduziert werden, die durch externe Abschattungen entstehen. Weil diese Abschattungen erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten würden. Bestehende Windparks könnten länger den starken Wind in Strom verwandeln, bevor sie im Windschatten stehen. Dies wäre ein Gewinn für die Energiewende.

Der Autor:
Stefan Thimm ist Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO).

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