Gastkommentar: Kehrt die EZB zur Normalität zurück?

David Marsh ist ein britischer Bankmanager, Autor und Journalist.
Wenn nicht alles täuscht, wird Deutschland in den kommenden Jahren von einem Bundeskanzler geführt, der zum ersten Mal seit 60 Jahren nicht nur gegenüber dem französischen Staatspräsidenten, sondern auch dem italienischen Premierminister als gleichberechtigter Partner auftritt. Die deutsch-französische Achse dürfte sich also in ein Dreieck Berlin-Paris-Rom verwandeln – mit positiven Auswirkungen auf zentrale Fragen der Wirtschaftspolitik.
Dieses politische Gleichgewicht unter den drei führenden Ländern der Europäischen Union und die von einer voraussichtlich betont proeuropäischen Koalitionsregierung in Berlin betriebene Fiskalpolitik deuten darauf hin, dass die Europäische Zentralbank nach der Corona-Pandemie schneller als erwartet auf den Pfad der geldpolitischen Normalisierung zurückkehrt.
Die EU-Inflationsraten werden sich bei einem stabilen Konjunkturverlauf trotz vieler Unsicherheiten, auch über den künftigen Kurs der amerikanischen Notenbank Fed, angesichts des neuen politischen Gleichklangs in den kommenden zwei bis drei Jahren relativ schnell der von der Europäischen Zentralbank (EZB) avisierten Zielmarke von zwei Prozent annähern.
Jahrelang hat die EZB die Inflationstendenzen überschätzt. Ihre derzeitigen Warnungen, es brauche noch mehr Zeit, eher die zwei Prozent erreicht werden, unterschätzt die Inflationstendenz hingegen eindeutig.





