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GastkommentarStaat und Industrie müssen bei der Verteidigung zusammenarbeiten

Die Wirtschaft will sich auch aus Eigeninteresse für die Verteidigungsfähigkeit einsetzen. Die Politik muss aber helfen, den Fachkräftemangel zu lindern, fordert BDI-Chefin Tanja Gönner. 28.07.2025 - 14:35 Uhr Artikel anhören
Gastkommentar, Tanja Gönner Foto: picture alliance/SZ Photo (2)

Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Wirtschaft in die Pflicht genommen und sie aufgefordert, Beschäftigte für Wehrübungen freizustellen. Die Frage, welche Folgen die mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht für die Wirtschaft hätte, steht ebenfalls im Raum.

Aber die Rolle der Industrie für die Verteidigungsfähigkeit geht weit über die Frage des Personaleinsatzes hinaus. Die Industrie ist technologischer Innovator, Produzent und Bereitsteller kritischer Güter sowie Garant wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Resilienz.

Es geht dabei um viel mehr als direkte kommerzielle Chancen: Wirtschaft braucht Sicherheit und Freiheit. Es ist im Interesse von Unternehmerinnen und Unternehmern, für Resilienz und Verteidigungsfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.

Nun geht es darum, rasch und im Austausch mit der Politik die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Industrie ihre Rolle für die Sicherheit und Verteidigung des Landes bestmöglich erfüllen kann.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 spüren Unternehmen die veränderte Bedrohungslage unmittelbarer denn je. Hybride Angriffe auf kritische Infrastrukturen, Cyberattacken auf Produktionsanlagen und gezielte Störungen von Lieferketten sind längst Realität und nehmen zu. Daraus folgt: Innere und äußere Sicherheit müssen viel mehr zusammen gedacht werden.

Die Wirtschaft will sich engagieren

Eine Rückkehr der Wehrpflicht brächte für die Wirtschaft bedeutende Herausforderungen mit Blick auf das schon knappe Angebot an Nachwuchskräften. Andererseits könnte ein Pflichtdienst, der noch genauer zu definieren wäre, einen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten und positive gesellschaftliche Impulse setzen.

Die Industrie hat den Appell des Kanzlers gehört und ist willens, sich zu engagieren. Die Unternehmen erwarten aber, dass die Politik flankierend – und ohnehin dringend notwendig – die Arbeitskräfteeinwanderung und bei Menschen hierzulande die Arbeitsaufnahme oder Ausweitung von Arbeitszeiten fördert.

Resilienz und Verteidigungsfähigkeit entstehen nur in enger Partnerschaft zwischen Staat und Wirtschaft. Auf die Frage, wie die konkret aussehen kann, hat der BDI mit einem Grundsatzpapier gerade Antworten geliefert.

Beispielsweise kann die Initiative für einen Nationalen Sicherheitsrat ein wichtiger Schritt sein – vorausgesetzt, sie berücksichtigt die neue Realität. Die Perspektive und die Erfahrungen der Wirtschaft müssen dort Gehör finden.

Denn nur die Wirtschaft selbst kann die Kenntnis von wirtschaftlichen Interessen, Abhängigkeiten und Bedrohungslagen einbringen, die für strategische Entscheidungen erforderlich sind. Erst diese zusätzliche Perspektive schafft ein vollständiges Lagebild.

Eine Reform des Beschaffungswesens sollte Schnelligkeit und Agilität bei gleichzeitiger Verlässlichkeit für die Unternehmen zum Ziel haben. Die Fähigkeiten der gesamten Breite an Industriebranchen sollten zudem stärker genutzt werden.

Wirtschaft und Politik müssen kooperieren

Weitere Schritte sind notwendig, Beispiele sind:

  • Wir benötigen dringend einen kontinuierlichen und institutionalisierten Austausch zwischen Sicherheitsbehörden, Bundeswehr, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, etwa im Rahmen eines Nationalen Lagezentrums. Ein solcher Austausch gewährleistet ein einheitliches, tagesaktuelles Lagebild als Basis für strategische Entscheidungen.

    Voraussetzung ist eine rechtliche Befähigung der Sicherheitsbehörden, sicherheitsrelevante Informationen präventiv und vertraulich mit der Wirtschaft zu teilen. Der Schutz kritischer Infrastrukturen darf nicht an rechtlichen Hürden scheitern.
  • Verteidigungsausgaben müssen als Beitrag zur Nachhaltigkeit anerkannt werden. Banken und Investmentfonds benötigen das klare Signal, dass Investitionen in die Ausrüstung von EU- und Nato-Streitkräften unmittelbar zur Bewahrung von Frieden, Sicherheit und damit zum Schutz unserer Lebensgrundlagen beitragen. Dafür sollten die relevanten EU-Regularien entsprechend angepasst werden.
  • Einseitige Abhängigkeiten in strategisch kritischen Bereichen sind riskant, gleichgültig ob es sich um Gas, seltene Erden oder Schlüsseltechnologien handelt. Technologische Souveränität ist ein Element von Resilienz.

Wir sollten daher mit staatlicher Unterstützung strategisch in eigene und innovative Schlüsseltechnologien wie KI, Cybersicherheit, Cloud und Raumfahrt investieren, die militärisch und zivil zentral sind. Dann eröffnen höhere Verteidigungsausgaben weitere Chancen: Innovationen branchenübergreifend voranzutreiben, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Resilienz auszubauen.

Die Fähigkeit zur Gesamtverteidigung hat ganz klar nicht nur eine militärische, sondern auch eine wirtschaftlich-technologische und gesellschaftliche Dimension. Wir brauchen eine Debatte, was zur Verteidigung notwendig ist. Die Industrie ist willens, einen umfassenden Beitrag zu leisten, um mit der Regierung gemeinsam eine starke Gesamtverteidigung für die Sicherheit unseres Landes aufzubauen.

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Die Autorin: Tanja Gönner ist Hauptgeschäftsführerin des BDI.

Erstpublikation: 28.07.2025, 08:37 Uhr.

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