Gastkommentar: Warum Kommunen der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaziele sind

Hans-Josef Vogel ist ehemaliger Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen, Katrin Habenschaden ist Zweite Bürgermeisterin von München. Philipp von der Wippel ist Gründer der zivilgesellschaftlichen Organisation Project Together Stefan Metzdorf ist Landrat des Landkreises Trier-Saarburg (v.l.).
In Deutschland werden mittlerweile regelmäßig im Sommer Hitzerekorde gebrochen. Mit steigender Zahl der Hitzetoten zeigt sich drastisch, wie gefährlich der Klimawandel für die Menschheit bereits heute ist. Es geht um die Bewohnbarkeitsvoraussetzungen unseres Planeten.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem historischen Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts 2021 ist der Staat verpflichtet, die Klimaschutzziele zu erreichen. Dafür hat der Bundestag zahlreiche Gesetze beschlossen, zuletzt das Gesetz der kommunalen Wärmeplanung.
Viele Klimaschutzmaßnahmen liegen in der Verantwortung der kommunalen Verwaltung. Die Kommunen stellen Windräder auf, installieren Solaranlagen auf Dächern und Parkplätzen und erweitern den Nahverkehr. Die 11.000 Kommunen in Deutschland entscheiden darüber, ob das Land seine Klimaziele erreicht.
Klimaschutz muss kommunale Pflichtaufgabe werden
Laut Agora Energiewende liegt der Finanzbedarf für kommunale Klimainvestitionen bis 2030 bei 170 Milliarden Euro. Dass die meisten Kommunen nicht so viel Geld in den Klimaschutz stecken können, liegt daran, dass Klimaschutz keine „kommunale Pflichtaufgabe“ ist.
Kommunale Pflichtaufgaben – wie das Betreiben von Schulen, Kindergärten oder Feuerwehr – regeln nämlich, was jede Stadt und Gemeinde für ihre Bürger leisten muss. Kommunen sind verpflichtet, die im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel in allererster Linie für ihre Pflichtaufgaben zu verwenden. Und weil sie schon damit oft überlastet sind, bleibt kaum Geld für Investitionen in den Klimaschutz.
>> Lesen Sie hier: Viele Kommunen finanziell zu schwach für große Aufgaben
Dabei wären sie so nötig: Die Flut im Ahrtal hat im Sommer 2021 schrecklich gezeigt, wie überlebensnotwendig kommunale Klimaanpassung ist. Jeder Euro, der heute nicht investiert wird, muss wenige Jahre später als ein Vielfaches an Kosten aufgebracht werden. Deswegen: Klimaschutz muss eine kommunale Pflichtaufgabe werden.
Förderprogramme sind zu kompliziert und binden zu viel Personal
Selbst finanzstarke Kommunen wie München stoßen an ihre Grenzen. Die Stadtregierung hat ein investives Klimaschutzbudget in Höhe von einer halben Milliarde Euro aufgelegt. Aber allein die klimagerechte Sanierung des städtischen Wohnungsbestands wird mehr als fünf Milliarden kosten. Die verfügbaren Mittel reichen bei Weitem nicht.
Sollten Bund und Länder die Kommunen zum Klimaschutz verpflichten, würde das im Sinne des Konnexitätsprinzips („wer bestellt, muss auch bezahlen“) mit einem Anspruch auf mehr Finanzmittel für Klimaschutz einhergehen.
Angesichts einer angespannten Haushaltslage stellt sich natürlich die Frage: Wer soll das bezahlen? Die gute Nachricht: Um die Kommunen bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen, haben Bund und Länder in den vergangenen Jahren Förderprogramme in Milliardenhöhe aufgelegt.
Die schlechte Nachricht: Ein großer Teil des Fördergeldes wird von den Kommunen nicht abgerufen. 60 Prozent der Kommunen haben angegeben, trotz grundsätzlicher Eignung bereits auf eine Beantragung von Fördermitteln verzichtet zu haben. Denn meist sind die Förderprogramme kompliziert und personalintensiv in der Antragstellung, inflexibel im Einsatz der Mittel und unzuverlässig wegen kurzer Förderzeiträume.
Klimaschutz soll parteiübergreifende Aufgabe sein
Den Kommunen fehlen belastbare Finanzierungswege für den Klimaschutz. Das ist veränderbar: Im gleichen Atemzug, wie kommunaler Klimaschutz zu einer Pflichtaufgabe erhoben wird, sollten Bund und Länder einen Großteil der Förderprogramme in reguläre Mittel für kommunalen Klimaschutz umwandeln.
Die Mittel sollten mit einer hohen Autonomie der Kommunen hinsichtlich Mitteleinsatz und schlanker Berichtspflichten einhergehen. Die Kommunen stünden wiederum in der Pflicht, die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen regelmäßig nachzuweisen.
Die Zeit zu handeln ist jetzt: Bayern und Hessen können noch dieses Jahr den Start machen. In Bayern und Hessen werden im Herbst neue Landtage und Regierungen gewählt. Die Kandidaten und Kandidatinnen für die Landtage sollten sich parteiübergreifend dafür einsetzen, Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen, und die dazugehörigen Mittel bereitstellen.
Nur wer sich dafür einsetzt, dass die 11.000 Kommunen in der Lage sind, die Klimaziele vor Ort umzusetzen, der befolgt die Vorgaben unserer Verfassung wirklich. Klimaschutz darf kein „Nice-to-have“, sondern muss ein „Must-have“ für jede Stadt und jede Gemeinde sein.



Die Autoren: Katrin Habenschaden ist Zweite Bürgermeisterin von München. Hans-Josef Vogel ist ehemaliger Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen. Stefan Metzdorf ist Landrat des Landkreises Trier-Saarburg. Philipp von der Wippel ist Gründer der zivilgesellschaftlichen Organisation Project Together.
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