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GastkommentarWir brauchen Innovationslabore für die Verwaltung

Das Digitalministerium kann eine Staatsreform zwar anstoßen. Die Digitalisierung gelingt aber nur mit neuer Führungskultur und neuen Talenten in den Behörden, ist Werner Bruns überzeugt. 30.06.2025 - 04:05 Uhr Artikel anhören
Werner Bruns ist Professor für Digital Transformation Management an der Rheinischen Hochschule Köln. Foto: W. Bruns, Moment/Getty Images

Die Idee eines Digitalministeriums geistert seit Jahren durch die politische Debatte, nun gibt es eines. Das kann klare Vorteile bringen: Das Ministerium könnte innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, digitale Infrastruktur fördern, die Wettbewerbsfähigkeit von Start-ups stärken und der Forschung in wichtigen Bereichen strategische Orientierung geben.

Die deutsche Wirtschaft ist in vielen Schlüsseltechnologien exzellent aufgestellt. Was fehlt, ist oft die koordinierte politische Unterstützung. Dafür braucht es neue Räume für Kooperation und Experimente und den politischen Willen, sie zu nutzen.

Ein Weg wäre die Einrichtung von Innovationslaboren, um dort Verwaltungsinnovation praktisch zu testen, statt in langwierigen Gesetzesprozessen zu entwickeln.

In enger Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Bundesressorts werden zukünftig Reallabore nötig sein, etwa zur Digitalisierung von Antragsverfahren und zu KI-gestützter Entscheidungsfindung.

Regulatorische Sandboxen - also kontrollierte Umgebungen zum Test neuer Technologien und Verfahren - könnten ein kontrolliertes Abweichen von geltenden Verwaltungsvorschriften ermöglichen, etwa um digitale Signaturen oder KI-gestützte Verwaltungsprozesse zu erproben.

Das Digitalministerium muss mächtig sein

Der entscheidende Knackpunkt liegt aber beim Staat selbst. Ein Digitalministerium ohne klare Kompetenzen in den Kernbereichen der Verwaltung, so wie Justiz, Inneres oder Finanzen, wird kaum in der Lage sein, das Verwaltungshandeln substanziell zu verändern. Prozesse bleiben langsam, Schnittstellen inkompatibel, Zuständigkeiten diffus.

Damit stellt sich eine Grundsatzfrage: Ist das klassische Modell bürokratischer Herrschaft, wie es Max Weber einst skizzierte, mit Hierarchien, Regeln und klaren Zuständigkeiten noch zeitgemäß?

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In einer Welt, die von Dynamik, Unsicherheit und technologischem Wandel geprägt ist, scheint dieses Modell an seine Grenzen zu stoßen. Statt klarer Regeln braucht es flexible Strukturen.

Entscheidungen im Kontext der digitalen Transformation erfordern mehr Freiheiten für disruptive Entwicklungen, und genau hier wirkt das streng regelgebundene Denken Max Webers eher hinderlich.

Was es braucht, ist daher nicht nur ein neues Ministerium, sondern ein neues Denken. Die Verwaltung der Zukunft muss agiler, interdisziplinärer und technologieoffener sein. Sie braucht Experimentierräume, interministerielle Zusammenarbeit und eine Führungskultur, die Veränderung erlaubt, statt sie zu blockieren.

In einem demokratischen Rechtsstaat bleibt die Bindung an Recht und Gesetz unverzichtbar, gerade auch im digitalen Raum. Was aber verändert werden muss, ist die Art und Weise, wie Gesetze entstehen, wie sie interpretiert und umgesetzt werden.

Keine reine Symbolpolitik

Flexiblere gesetzliche Rahmenbedingungen, beschleunigte Pilotverfahren, all das sind Bausteine für eine moderne Governance. Dazu bedarf es des Kulturwandels und auch einer neuen Personalstrategie.

Ohne veränderte Führungskultur und neue Talente wird Digitalisierung nicht gelingen. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die digitale Kompetenz, Risikobereitschaft und Innovationsorientierung systematisch fördern.

Konkret heißt das:

    Einführung eines „Big Public Digital Talent“-Programms, mit dem Digitalexpertinnen und -experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung gezielt rekrutiert und ausgebildet werden.Maximale Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechts für IT-nahe Berufe.Das Digitalministerium braucht klare gesetzliche Mandate, die ressortübergreifende Steuerungskompetenzen bei Digitalprojekten festschreiben. Es muss ein gleichrangiges Mitzeichnungsrecht für alle Gesetze mit Digitalbezug haben sowie das Recht, bei allen IT- und Datenprojekten der Bundesverwaltung beteiligt zu werden.

Ein Digitalministerium kann also ein sinnvoller Schritt sein, wenn es nicht Symbolpolitik bleibt. Es kann Impulse setzen, Strukturen verändern helfen und die Digitalisierung strategisch steuern.

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Doch ohne den Mut zur Veränderung, ohne ein neues Verständnis von staatlichem Handeln wird es nicht mehr als ein weiteres Rädchen im bürokratischen Getriebe bleiben.

Der Autor: Werner Bruns ist Professor für Digital Transformation Management an der Rheinischen Hochschule Köln. Zuvor hat er im Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg und  im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gearbeitet.

Mehr: Digitalministerium im Aufbau – „Wildberger braucht Leute, die ihm ehrlich sagen, was nicht funktioniert“

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