Prüfers Kolumne: An Apple a day – Bewegungsziele für Fortgeschrittene
Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe ein iPhone, was bekanntlich von Apple ist. Ohne dass ich es gefragt hätte, kommentiert es meine Fitness, die in einer App mit verschiedenfarbigen Ringen dargestellt wird, die sich über den Tag hinweg schließen, falls das Bewegungsziel erreicht wird. Das Handy gibt mir ein Bewegungsziel äquivalent dem Verbrauch von 400 Kalorien vor – habe ich das mal eingestellt? Keine Ahnung.
Die Kalorien soll ich abarbeiten. Dabei lässt mein iPhone aber nur gelten, wenn ich gehe, Schritte sind offenbar die einzige Bewegung, die mein Telefon erkennen kann. Fahrradfahren hilft also nichts, ich muss zu Fuß unterwegs sein. Wenn ich etwa morgens joggen gehe, registriert das Telefon das und lobt: „Fantastischer Start in den Tag! Du hast schon ein großes Stück Deines Bewegungsringes gefüllt.“
Leider muss ich dann ins Büro, da kann ich mich nicht viel bewegen. Da wird das Smartphone langsam ungeduldig: „Du kannst es noch schaffen!“ Wenn ich dann am Abend zum Beispiel noch bei Freunden bin oder Zeit mit der Familie verbringe, aber weder gehend noch laufend, dann versucht das Handy zu motivieren: „Nur noch 90 Kalorien, schließe Deinen Bewegungsring!“ Das geschieht in den meisten Fällen nicht. Dann teilt mir das Telefon am nächsten Tag mit, dass ich gestern mein Ziel nicht erreicht habe, und fragt an, ob ich mein Ziel nicht reduzieren möchte.
Die Illusion der Kontrolle des eigenen Todeszeitpunkts
Ich hatte bislang kein Ziel, keinen Ring, kein Problem. Jetzt habe ich alles davon. Eigentlich sollte mir mein Telefon Probleme abnehmen, anstatt mir welche zu bereiten. Ständig habe ich ein schlechtes Gefühl, eine Pflicht nicht erfüllt zu haben. Obwohl ich doch meinem Smartphone nichts schuldig bin.
In der „Süddeutschen Zeitung“ habe ich gelesen, dass Menschen das Bedürfnis nach einer Kontrollillusion haben. Sie streben nach Ersatzhandlungen, um ein offenkundig kaum zu kontrollierendes Ereignis wie den eigenen Tod scheinbar beherrschbar zu machen. Man glaube etwa, wenn man bei seiner App die Bewegungsziele erfülle, sei man sicher. Das aber sei Unsinn. Man könne trotzdem eine schwere Krankheit bekommen.
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Was mich angeht, habe ich ja nicht einmal bewusst nach Kontrolle gefragt. Mein Handy klagt mich eines liederlichen Lifestyles an, obwohl ich es eigentlich ganz okay anstelle, wie ich finde. Ich jogge regelmäßig und treibe zweimal in der Woche Sport. Aber das könnte ich meinem Handy nur beibringen, indem ich mir eine Smartwatch kaufe und diese dann ständig trage – meine unerwünschte Kontrollillusion also kontrollieren lasse. Da lasse ich mich lieber von meinem Telefon annölen.
Es gibt mir auch einmal die Woche einen Leistungsüberblick. Es lobt immer: „Du hast zweimal in der vergangenen Woche Dein Bewegungsziel übertroffen“, was bedeutet: fünfmal eben nicht erreicht.
Dieser pädagogische Ton macht mich total fertig. Man sagt ja, dass Künstliche Intelligenz uns irgendwann versklaven wird. Ich glaube, es wird noch viel schlimmer kommen: Sie wird uns dauernd belehren.
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