Prüfers Kolumne: Mein Freund, der lästernde Roboter

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe gelesen, dass Menschen positiver auf Roboter reagieren, wenn die Maschinen persönliche Geheimnisse preisgeben. Das berichten laut „Süddeutscher Zeitung“ die Informatiker Takahiro Tsumura und Seiji Yamada vom Japan National Institute of Informatics im Fachmagazin „Plos One“. Damit bezieht man sich auf Erkenntnisse der Sozialpsychologie, wonach geteilte Geheimnisse Vertrauen schaffen.
Wer etwa mit Kollegen seine Meinung teilt, dass er den Chef nicht mag, geht ein Risiko ein, nämlich beim Chef verpfiffen zu werden. Diese Verletzlichkeit schafft gleichzeitig Vertrauen. Man schaffe sozusagen eine Gruppe der Wissenden um die Defizite der Führungskraft.
Bei dem Experiment in Japan mussten die Teilnehmer per Bildschirm mit einem Roboter Kontakt aufnehmen. Bei der Auswertung gaben die Probanden an, dass sie den Roboter sympathischer fanden, wenn dieser über Probleme am Arbeitsplatz gesprochen hat, etwa: „Ich bin dankbar, mit dir zu reden, schließlich gibt es auch ein paar Leute hier, die mich nicht akzeptieren.“ Lobte der Roboter bloß das schöne Wetter, machte er sich nicht sympathischer.
Dass ausgerechnet Lästereien über Kollegen uns eine Maschine menschlicher und sympathischer erscheinen lassen, sollte uns nachdenklich stimmen. Psychologen der University of California in Riverside haben 2019 ermittelt, dass 14 Prozent aller Gespräche in Büros sich um Kollegen drehen, die nicht anwesend sind.
Psychologen sagen, dass diese Gespräche meist nicht dazu dienen, anderen zu schaden, sondern die eigene Position zu stärken. Wer sich über den Chef beschwert, fühlt sich also oft schwach und sucht nach Unterstützung. Und sobald gelästert wird, machen wir gern mit, weil wir uns so bestärkt fühlen.
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Gut, dass Roboter nun wissen, wie sie uns zu ihren Freunden machen können. Denn eigentlich sind die alles andere als freundschaftlich mit uns verbunden. Forscher der Universität Pennsylvania haben neulich eine Liste von Berufen erarbeitet, die bald von Künstlichen Intelligenzen wie dem Sprachmodell ChatGTP übernommen werden könnten. Es trifft etwa: Buchhalter, Mathematiker, Programmierer, Dolmetscher, Schriftsteller, Journalisten.



Laut den Forschern seien rund 80 Prozent der Arbeitnehmer in den USA in Berufen tätig, in denen mindestens eine Aufgabe durch KI schneller erledigt werden könne. Das bedeutet, der Roboter, der sich bei uns über seinen Arbeitsplatz beschwert, ist derselbe, der wenig später unseren Arbeitsplatz übernehmen wird.
Wir können uns also schon mal darauf einstellen, wie die breite Einführung Künstlicher Intelligenz funktioniert. Wir bekommen eine Horde nörgelnder Kollegen, die sich die ganze Zeit über die Leute beschweren, mit denen sie zusammenarbeiten müssen. Bis jene Mitarbeiter dann auch durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden. Das Ganze geht so lange, bis die Roboter unter sich sind. Wäre interessant zu wissen, über was die sich dann unterhalten. Vielleicht loben sie das Wetter.





