Verteidigung: Die Rüstung braucht Milliarden Euro – doch wie viel ist genug?

Seit es die Nato gibt, gibt es die Diskussion um die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten. Ging es in den ersten Jahrzehnten des Verteidigungsbündnisses vor allem um eine faire Lastenteilung zwischen den USA und den europäischen Nato-Staaten, so geht es seit Mitte der 2000er-Jahre zusehends um die jeweiligen nationalen Einzelaufwendungen.
Denn in den Jahren der Friedensdividende seit 1990 sind die Nato-Streitkräfte immer weiter geschrumpft und ihr Gerät veraltete immer mehr. Die Diskussion um mehr Finanzmittel ging über Jahre und mündete schließlich in der Festlegung des Zwei-Prozent-Ziels auf dem Gipfel in Wales 2014.
Das Zwei-Prozent-Ziel wurde 2023 auf dem Gipfel von Vilnius als Mindestausgaben definiert
Was wurde in Wales festgelegt?
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Aufgrund der vollumfänglichen russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 und der damit verbundenen weiteren drastischen Zuspitzung der Bedrohungslage wurde das Zwei-Prozent-Ziel 2023 auf dem Gipfel von Vilnius nochmals angepasst. Zwei Prozent wurden jetzt als Mindestausgaben definiert.
Bis 2030 wird Russland willens und fähig sein, die Nato militärisch herauszufordern
Die jetzige Diskussion schließt sich daran nahtlos an, denn was heißt „mindestens zwei Prozent“? Hier darf es nicht um einen inflationären politischen Überbietungswettbewerb gehen, sondern um eine klare und nachvollziehbare finanzielle Ableitung aus den neuen Nato-Verteidigungsplanungen, die derzeit finalisiert werden.
Diese Planungen werden den Nato-Staaten an Qualität und Quantität deutlich mehr abverlangen als bisher. Und das nicht irgendwann, sondern in einem überschaubaren Zeitraum. Denn alle Nato-Analysten sind sich einig, dass zum Ende dieses Jahrzehnts Russland willens und dazu in der Lage sein könnte, die Nato militärisch herauszufordern.
Was heißt das konkret für Deutschland? Auch wenn Details der neuen Nato-Planungen noch geheim sind, können Experten schon konkrete Hinweise geben.
So wird die Bundeswehr deutlich aufwachsen müssen: von der bisherigen Iststärke von rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten nicht nur auf die schon lange geplante Sollstärke von rund 203.000, sondern eher auf bis zu 240.000 Soldatinnen und Soldaten. Das bedeutet dann nicht nur ein deutliches Mehr an Soldzahlungen, sondern die Beschaffung von viel mehr Ausrüstung – vom Stiefel bis zum Panzer, Flugzeug und weiterer Infrastruktur.
Allein bei der Infrastruktur geht man schon heute von einem Investitionsbedarf von rund 50 Milliarden Euro aus. Dazu kommt noch die qualitative Forderung der Nato nach neuen und modernen Fähigkeiten, vor allem Flugabwehr. Das heißt mehr Investitionen in diese kostenintensiven Bereiche wie Flugabwehrraketen oder etwa die neuen der Klasse F-127 – der Preis der geplanten fünf Schiffe für die 2030er-Jahre wird schon jetzt auf mehr als 15 Milliarden geschätzt.
Es sind diese von Deutschland mitformulierten und mitgetragenen Fähigkeitsforderungen, die nach konservativer Schätzung in den kommenden Jahren Ausgaben für die Bundeswehr von jährlich mehr als 100 Milliarden Euro erfordern, die die Diskussion bestimmen sollten – und nicht irgendwelche willkürlichen Prozentzahlen.
Die Frage der Verteidigungsausgaben wird wahrscheinlich das zentrale Thema des Nato-Gipfels in Den Haag im Juni dieses Jahres werden. Donald Trump ist in die Debatte mit der Forderung nach fünf Prozent sehr hoch eingestiegen. Realistisch, weil finanziell verkraftbar und mittelfristig und politisch umsetzbar, erscheint jedoch eher eine Festlegung auf drei Prozent als Mindestziel. Wissend, dass auch dies nur wieder eine Hilfsgröße ist.






Für Deutschland wäre dies ein Finanzvolumen von mindestens 130 Milliarden – eine gewaltige Summe. Doch es geht darum, dass alle Nato-Staaten ihre Streitkräfte wieder aufbauen und grundlegend modernisieren müssen – allen voran das wirtschaftlich starke, große und zentral in Europa gelegene Deutschland. Auch darum geht es bei der Bundestagswahl am 23. Februar.
Der Autor:
Johann Wadephul ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.





