Gastkommentar - Global Challenges: Wird Deutschlands Sicherheit im Indo-Pazifik verteidigt?

Der Indo-Pazifik hat sich seit dem letzten Jahrzehnt zum neuen strategischen Gravitationszentrum der Welt entwickelt; hier prallen die Interessen der aufstrebenden Großmacht China und der etablierten Großmacht USA sowie ihrer Verbündeten am stärksten aufeinander.
„Indo-Pazifik“ hat vielfach den älteren Begriff „Asien-Pazifik“ abgelöst und markiert eine echte Zeitenwende in den internationalen Beziehungen. War die Ära Asien-Pazifiks durch Dynamiken der Globalisierung und wirtschaftlichen Verflechtung mit Asien im Zentrum gekennzeichnet, wird das Indo-Pazifik-Zeitalter durch geostrategische Ansätze im Angesicht des Aufstiegs Chinas charakterisiert.
So soll aus Sicht der USA und ihrer Verbündeten durch die Zusammenführung der strategischen Schauplätze Pazifischer und Indischer Ozean und die mit Letzterem verbundenen Ressourcen Indiens ein Gegengewicht zu China gebildet werden, das diese erweiterte strategische Region nicht einfach dominieren kann. Indo-Pazifik-Politik ist damit nicht zuletzt auch China-Politik. Bezeichnenderweise hält Beijing, das sich über Kalter-Krieg-Denken beklagt, standhaft am Begriff Asien-Pazifik fest.
Ein möglicher militärischer Konflikt um Taiwan ist nicht der einzige Brandherd in der Region
Neben der Sorge vor einem möglichen militärischen Konflikt um Taiwan gilt die Aufmerksamkeit mit Blick auf den Indo-Pazifik vor allem den Dynamiken im Südchinesischen Meer, wo China seine Territorialansprüche gegen mehrere südostasiatische Staaten durchzusetzen sucht. Seit dem Amtsantritt Xi Jinpings 2012 ist China dabei deutlich forscher vorgegangen und hat durch den Bau von Militäranlagen Fakten geschaffen.
Während sich einzelne südostasiatische Staaten mit Kritik am Vorgehen Chinas zurückhalten, haben andere wie Vietnam und jüngst auch wieder die Philippinen klarer Position bezogen, und setzen dabei auch auf die Unterstützung durch die USA.
Für Washington und seine Verbündeten gefährdet Chinas Vorgehen in der Region die „regelbasierte internationale Ordnung“; ein zum Mantra gewordener Begriff, der im Kern die UN-Charta und das Völkerrecht meint. Dass Großmächte sich am liebsten an die Regeln halten, die sie selbst (mit-)geschaffen haben, oder sich über diese hinwegsetzen, wenn es ihnen passt (Stichwort: Irak-Krieg), steht auf einem anderen Blatt.
Vor genau vier Jahren hat auch die Bundesregierung „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ veröffentlicht und seither im Jahresturnus über deren Umsetzung berichtet. Sie benennen sieben „Gestaltungsfelder“ der Indo-Pazifik-Politik, vom Multilateralismus über den Freihandel bis zur Kulturpolitik, und kamen noch 2020 recht inklusiv daher („Das 21. Jahrhundert gemeinsam gestalten“).
Braucht Deutschland wirklich eine Fregatte im Indo-Pazifik?
Nicht nur die Tonlage hat sich jedoch in den letzten vier Jahren in den Beziehungen zwischen China und Deutschland als auch zwischen China und der EU verändert. Aktuell befindet sich wieder eine deutsche Fregatte, diesmal samt Begleitschiff, auf Indo-Pazifik-Tour. Auch andere Truppenteile, insbesondere die Luftwaffe, haben ihre dortigen Aktivitäten, etwa im Rahmen von Großmanövern, mit Enthusiasmus ausgebaut.
Verteidigungsminister Pistorius besuchte jüngst vor Hawaii ein derartiges Manöver und reiste im Anschluss nach Südkorea und die Philippinen. Angesichts stark wachsender Verteidigungsausgaben spielt die Region auch für Rüstungsaufträge der deutschen Industrie zunehmend eine Rolle.
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Eine öffentliche Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Indo-Pazifik gibt es aber nur in Ansätzen. Während Kritiker des Engagements etwas geschichtsvergessen von „Kanonenbootdiplomatie“ sprechen, argumentieren Befürworter, dass die Sicherheit des „Euro-Atlantiks“ und des Indo-Pazifiks untrennbar miteinander verbunden seien. Deutschland müsse angesichts der bedrohten „regelbasierten internationalen Ordnung“ auch dort Flagge zeigen und den Schulterschluss mit Partnern wie Japan, Australien oder Indien suchen.
Naturgemäß verändert die Entsendung einer Fregatte nicht das Kräftegleichgewicht in der Region. Sie kann aber in bewegten Zeiten als wichtiges Signal an China und die Partner in der Region verstanden werden. Bedeutsame Symbolpolitik eben.
Fraglich bleibt indes, ob die Signale auch von Beijing ernst genommen werden und zu Verhaltensänderungen führen können oder ob sie nur das Sicherheitsdilemma in der Region befeuern.

Angesichts von Deutschlands beschränkten Verteidigungskapazitäten stellt sich zudem die Frage, ob die im Indo-Pazifik genutzten Ressourcen nicht eher im näheren Umfeld der Bundesrepublik gebraucht werden. Eine ernsthafte Beschäftigung mit derartigen Fragen setzt eine echte öffentliche Debatte zum Thema voraus. Die fehlt bislang.
Der Autor: Patrick Köllner ist Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien (GIGA) und Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien.
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