Gastkommentar – Beyond the obvious: Die Euro-Krise wird seit Beginn immer weiter verschleppt statt gelöst

Das Weltfinanzsystem ist nicht sicherer, sondern unsicherer geworden.
Im März 2012 hielt Jaime Caruana, General Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), bei einer Zentralbanktagung einen Vortrag unter der Überschrift „Notenbankpolitik vor, während und nach der Krise“. Unter dem Eindruck der Finanzkrise betonte er, wie bedeutsam es sei, dass Notenbanken und Staaten alles Erdenkliche tun, um eine sogenannte Bilanzrezession zu bekämpfen.
Den Begriff Bilanzrezession hat Richard Koo, Chefökonom der Investmentbank Nomura, zur Beschreibung der Folgen der geplatzten Aktien- und Immobilienpreisblase in Japan in den 1990er-Jahren geprägt.
Kurz gesagt geht es darum, dass nach einem Kollaps der Vermögenspreise Unternehmen und Private kein Geld mehr ausgeben wollen, weil sie darauf aus sind, ihre zu hohen Schulden abzubauen. Infolgedessen würde die Wirtschaft ohne staatliche Stützungsmaßnahmen in die Depression stürzen.
So sieht Koo es als Erfolg von Notenbank und Staat, einen solchen Einbruch der japanischen Wirtschaft verhindert zu haben. Das japanische Bruttoinlandsprodukt ist nie unter das durch die Blase nach oben gedrückte Niveau von Ende der 1980er-Jahre gesunken. Eine Massenarbeitslosigkeit wie in der großen Depression in den USA wurde vermieden.
Genau deshalb meinte BIZ-Chef Jaime Caruana 2012, wäre es mit Blick auf die Finanz- und Euro-Krise, die ab 2008/ 2009 begann, unerlässlich, ebenso entschlossen zu handeln. Er verband das aber mit einer deutlichen Warnung vor vier Gefahren:

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.
Die Instrumente würden nicht mehr anschlagen
Heute, ein Jahrzehnt nach der Rede Caruanas müssen wir feststellen, dass alle vier Risiken sich materialisiert haben. Das Weltfinanzsystem ist nicht sicherer, sondern unsicherer geworden. Die Verschuldung hat immer neue Höchststände erreicht. Die Akteure gehen immer mehr Risiken ein.
Sollte es zu einer erneuten Krise kommen, dürften die Instrumente der Notenbanken sich als deutlich weniger effektiv erweisen als noch vor wenigen Jahren. Die Medizin schlägt nicht mehr an. Zugleich sind die Nebenwirkungen in Form von Inflation und möglichem Vertrauensverlust in den Geldwert nicht von der Hand zu weisen.
Auch dies hat der Chef der „Notenbank der Notenbanken“, wie die BIZ auch genannt wird, bereits 2012 vorhergesehen. Er fürchtete um die hart erarbeitete Glaubwürdigkeit der Notenbanken und deren Autonomie, zumal sich die Staatsverschuldung in vielen Ländern auf einem nicht tragfähigen Weg befindet. Er warnte vor dem Gespenst der „fiskalischen Dominanz“, also vor Notenbanken, die die Zinsen nicht mehr anheben können, weil die Schuldner – Staaten wie Privatsektor – es nicht verkraften.
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Verfolgt man die Schlagzeilen dieser Tage, so mehren sich die Anzeichen für genau diese Problematik. Die Akteure haben die Zeit nicht genutzt, um die Bilanzen wirklich zu bereinigen und die Wirtschaft durch Reformen wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
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Nun also die Fortsetzung mit anderen Mitteln: Zinsen deutlich unter der Inflationsrate und dauerhaft höhere Staatsverschuldung. Nachhaltig ist auch das nicht, was die Akteure wissen. Aber es kauft Zeit, nur um dem oder der Nachfolgerin ein dann wohl noch größeres Problem zu hinterlassen.



Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.
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