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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie Deutschen setzen ihre Hoffnungen auf eine Energiequelle der Vergangenheit

Umfragen zufolge hat Wasserstoff zugunsten der eigentlich schon abgeschriebenen Atomkraft an Zuspruch eingebüßt, erklärt Janina Mütze. Das liegt auch an der politischen Kommunikation. 17.07.2023 - 04:00 Uhr
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Die EU forciert den Einsatz von Wasserstoff.

Foto: dpa

Was denken Sie: Welche Energiequelle ist für die Deutschen im Jahr des Atomausstiegs der künftige Hoffnungsträger? Man muss sich die Augen reiben: Laut den repräsentativen Umfragen von Civey ist es die Atomenergie. Drei von zehn Deutschen halten Kernkraft für die wichtigste Energiequelle von morgen, Tendenz steigend.

Ausgerechnet im April, als die letzten drei Meiler abgeschaltet wurden, hat die Atomkraft den vorherigen Liebling der Deutschen vom Thron gestoßen, den Wasserstoff. Die Anzahl derjenigen, die diesen für die bald bedeutendste Energieform halten, hat sich in nur zwei Jahren auf 21 Prozent halbiert.

Befeuert von der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung war das Gas lange ein vages Zukunftsversprechen, auf das man sich einigen konnte – über politische Lager hinweg. Wasserstoff ist auf der Erde reichlich vorhanden, kann leicht transportiert und gespeichert werden. Das und die Aussicht, CO2-Emissionen deutlich zu verringern, verhalfen Wasserstoff zu großer Popularität.

Viele Bürgerinnen und Bürger wandten sich Wasserstoffaktien zu, die kräftig im Wert stiegen. In der Wasserstoffindustrie selbst wurde der Hype nicht nur mit Genugtuung verfolgt: Man sorgte sich vor überhöhten Erwartungen.

Zu Recht, wie sich heute zeigt. Nicht nur an den Börsen ist die Begeisterung verflogen. Viele Studien attestieren Wasserstoff zwar eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. In der EU wird sein Einsatz forciert, etwa durch Wasserstofftankstellen.

Janina Mütze ist Co-Gründerin und CEO von Civey, dem Berliner Tech-Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung.

Foto: Civey, Marc Hohner

Doch je konkreter der Energieträger in unser Leben tritt – spätestens seit der Suche nach neuen Energieformen infolge des Ukrainekriegs –, desto mehr erkennen auch Laien: Es ist eine Zukunftstechnologie, die sich noch nicht flächendeckend einsetzen lässt.

Je nach Partei unterschiedliche Einstellung zu Wasserstoff als Energieträger

Zukunft ist Hoffnung, doch wenn wir von Energieknappheit und Nachhaltigkeit sprechen, wollen die Menschen etwas, das im Hier und Jetzt funktioniert. Auf die vielen offenen Fragen, Ungeduld und Ernüchterung trifft das Narrativ vom grünen Atomstrom, das europaweit Anklang findet: kennen wir, können wir, machen die anderen auch. Fukushima ist lange her.

>> Lesen Sie hier: Chile riskiert Zukunft als Lieferant von grünem Wasserstoff

Energie war nie ein wertfreies Thema, doch die Lager sind nun wieder sichtbarer als noch vor zwei Jahren. Für das Wasserstoffversprechen weiter offen zeigen sich am stärksten Anhänger der FDP. Unter denen der SPD hat die Wasserstoffbegeisterung zugunsten von Wind- und Solarenergie nachgelassen.

Im Lager der Grünen hat eine Verschiebung zu Windenergie stattgefunden. Unionswähler setzen heute stärker auf Atomstrom.

Wenn sich Menschen von einer Zukunftstechnologie abwenden, hin zu einer Lösung, die offiziell der Vergangenheit angehört, sagt das einiges über die Unsicherheit im Land und die politische Kommunikationskultur aus. Statt eines ideologischen Wettbewerbs um das eine Allheilmittel braucht es einen Wettbewerb um die verständlichste Erklärung von Energiepolitik.

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Janina Mütze ist Co-Gründerin und CEO von Civey, dem Berliner Tech-Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung.

Mehr: Verkehr, Wärme, Industrie – Bundesregierung will Wasserstoff in allen Bereichen einsetzen

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