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Gastkommentar – Homo oeconomicusEs ist höchste Zeit, dass die Finanzpolitik der Länder wieder makroökonomisch koordiniert wird

Die Bundesländer geben mehr Geld aus als der Bund. Für die Konjunkturpolitik wird das jedoch nicht nutzbar, weil es keine Koordination mehr gibt, beklagt Achim Truger. 30.03.2021 - 16:34 Uhr Artikel anhören

Es gibt 16 unterschiedliche, länderspezifische Ausgestaltungen der Schuldenbremse.

Foto: AFP

Es wird wieder intensiv über die Schuldenbremse gestritten: Soll die Ausnahmeregel für höhere Kredite auch 2022 noch gelten? Muss die Schuldenbremse reformiert werden, weil sie kein konjunkturgerechtes Herauswachsen aus der Verschuldung erlaubt und nicht genug Spielraum für öffentliche Investitionen bietet? Droht sie andernfalls den Aufschwung zu behindern, weil Steuern und Abgaben erhöht oder Ausgaben gekürzt werden müssen?

Das sind wichtige Fragen. Doch steht dabei fast immer nur der Bundeshaushalt im Mittelpunkt. Zwar ist die makroökonomische Stabilisierung im Wesentlichen eine Bundesaufgabe, und Entscheidungen über Hilfen und Konjunkturpakete werden folgerichtig auf Bundesebene getroffen.

Und zweifellos lagen die Bundesausgaben 2019 mit 435 Milliarden Euro (12,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)) in einer makroökonomisch relevanten Dimension. Dennoch darf die Finanzpolitik der Länder nicht vernachlässigt werden.

Quantitativ war sie 2019 mit Ausgaben von 464 Milliarden Euro (13,4 Prozent des BIP) sogar bedeutender als die des Bundes. Die Länder unterstützen damit zudem über Zuweisungen die Kommunen, die wiederum den größten Anteil an den öffentlichen Investitionen tätigen.

Offensichtlich ist die Länderfinanzpolitik für die konjunkturelle Erholung nach der Coronakrise hochrelevant. Dazu muss sie aber zwischen den Ländern koordiniert werden. Doch genau da liegt das Problem. Die 16 Länder sind aus einer sehr unterschiedlichen finanzpolitischen Ausgangslage in die Coronakrise gegangen; sie haben in Art und Ausmaß unterschiedlich reagiert.

16 unterschiedliche Schuldenbremsen

Darüber hinaus gibt es auch 16 unterschiedliche, länderspezifische Ausgestaltungen der Schuldenbremse. Diese Ausgestaltung kann entscheidend sein, ob der Übergang aus der Coronakrise reibungslos gelingt oder mit krisenhaften Ausgabenkürzungen verbunden ist.

In Sachsen beispielsweise ist die Schuldenbremse extrem restriktiv: Kreditaufnahmebeschlüsse sind fast nur mit Zweidrittelmehrheit möglich und die aufgenommenen Coronakredite müssen in nur acht Jahren vollständig getilgt werden. Mittelfristig fehlen im Haushalt Mittel in Höhe von 1,5 Prozent des sächsischen BIP. Käme es zu entsprechenden Kürzungen, könnte das die sächsische Wirtschaft in die Rezession stürzen.

Achim Truger ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen.

Foto: Universität Duisburg-Essen, Bettina Engel-Albustin

Spart sich aber ein Land in die Krise, trifft das über die ökonomische Verflechtung auch die anderen Länder. Außerdem bekommt das zurückfallende Land über den Länderfinanzausgleich einen bedeutenden Teil seiner Einnahmeausfälle erstattet – zulasten der anderen Länder, deren finanzpolitische Spielräume dadurch eingeengt werden. Im schlimmsten Fall können sich die Länder und ganz Deutschland so gemeinsam in die Krise sparen.

Verwandte Themen Rezession Schuldenbremse Finanzpolitik Wirtschaftspolitik Konjunktur

Um das zu verhindern, gab es vor der Schuldenbremse den Finanzplanungsrat von Bund und Ländern. Heute gibt es nur noch den Stabilitätsrat, der darüber wacht, dass die Länder bloß nicht zu viel Schulden machen. Es ist höchste Zeit, dass die Finanzpolitik der Länder auch wieder makroökonomisch koordiniert wird.

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