1. Startseite
  2. Meinung
  3. Homo Oeconomicus
  4. Uta Meier-Gräwe: Frauen in Care-Berufen werden vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt

Gastkommentar – Homo oeconomicusFrauen in Care-Berufen werden vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt

Immer noch rechtfertigen Wissenschaftler den Lohnrückstand von Frauen mit ihrer Arbeit in angeblich unproduktiven Berufen. Das muss aufhören, fordert Uta Meier-Gräwe. 04.05.2021 - 12:00 Uhr Artikel anhören

Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung.

Foto: Gleichstellungsbüro Freiburg

Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte im Dezember eine Studie zur Lohneinkommensentwicklung bis 2025. Das Fazit ist brisant: Berufe, die in der zweiten Welle der Corona-Pandemie erneut als „systemrelevant“ ins Blickfeld gerückt sind, werden bei Gehaltserhöhungen bis 2025 das Nachsehen haben.

Begründet wird das mit dem geringeren Produktivitätswachstum in den arbeitsintensiven Branchen des Gesundheits- und Sozialwesens oder des Einzelhandels. Es werde nur etwa halb so hoch ausfallen wie im verarbeitenden Gewerbe und der Chemie- und Elektroindustrie.

Zudem werden der Studie zufolge die Einkommen von Besserverdienenden am stärksten zulegen, besonders die von Paaren ohne Kinder. Mit Nachteilen müssen dagegen berufstätige Frauen rechnen. Sie werden auch 2025 nur rund 60 Prozent des Bruttoverdienstes der Männer erreichen.

Für diese Prognose nennt die Stiftung zwei Gründe: Frauen seien häufig in unterdurchschnittlich produktiven Wirtschaftszweigen beschäftigt und arbeiteten häufiger in Teilzeit. Während Männer mit minderjährigen Kindern zu 94 Prozent in Vollzeit arbeiten, sind es bei den Frauen nur 34 Prozent. Daher sei kaum verwunderlich, dass Frauen bei der Einkommensentwicklung benachteiligt sind. Die Lohnlücke werde sich gegenüber 2017 um weitere 1800 Euro vergrößern.

Wer jetzt glaubt, die Forschungsgruppe würde Handlungsempfehlungen geben, wird enttäuscht. Man verbleibt unbeirrt in der monetären Argumentationslogik neoklassischer Wirtschaftsmodelle. Carearbeit gilt als „produktivitätsschwacher“ Kostenfaktor. Punkt.
Die große „Ungerechtigkeitsmaschine“, wie die Ökonomin Mascha Madörin es nennt, läuft also weiter wie geschmiert. Allen Ernstes?

Viele Frauen werden vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt

Ein neues Produktivitätskonzept ist überfällig: Die angemessene Bewertung arbeitsintensiver Dienstleistungsberufe und unbezahlter Carearbeit stellt eine der großen Zukunftsaufgaben dar und muss parallel zur Bewältigung der Klimakrise angegangen werden.

Zudem braucht es praxistaugliche Überlegungen, wie Finanzströme für diese sozial-ökologische Transformation umgelenkt werden können. Ein Teil wäre durch Digitalisierungsgewinne oder durch eine Care-Abgabe von Unternehmen zu finanzieren.

Ebenso notwendig ist das Schließen von Steuerschlupflöchern. Auch Abgaben für Immobilien oder Erbschaften, wie sie der Internationale Währungsfonds fordert, können helfen, die Transformation zu finanzieren.

Verwandte Themen Medizin Deutschland

Es geht nicht länger an, dass vor allem Frauen, die mit ihren umfänglichen Zeitbindungen für un- und unterbezahlte Carearbeit das Fundament jeder Geld- und Volkswirtschaft generieren, vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt bleiben. Orthodoxe Wachstumsmodelle, die das legitimieren, gehören auf den Prüfstand.

Mehr: Der Chefökonom: Durch mehr Geschlechtergerechtigkeit wäre in Deutschland mehr Wohlstand möglich.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt