Gastkommentar – Homo oeconomicus: Gebundenes Vermögen und die Angst vor dem Steuerschlupfloch
Erich Theodor Barzen berät als Rechtsanwalt der Solidaris-Gruppe Unternehmen des Non-Profit-Sektors. Zuvor war er Finanzchef einer großen evangelischen Landeskirche.
Foto: HandelsblattStößt die Ampelkoalition, trunken vor Idealismus, ungewollt ein neues Steuerschlupfloch auf? Oder droht das Gegenteil: eine Strafsteuer erdrosselt bereits im Wochenbett eine wertvolle Innovation, die GmbH mit gebundenem Vermögen? Polemiken beiseite: Was steckt hinter der Auseinandersetzung?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, für „Unternehmen mit gebundenem Vermögen“ eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Diese soll „Steuersparkonstruktionen“ ausdrücklich ausschließen. Charakteristikum der künftigen GmbH-gebV wäre die dauerhafte und irreversible Thesaurierung aller Gewinne, also deren Einbehaltung im Unternehmen. Gewinnausschüttungen dürfte es nicht geben.
Einbehaltene Gewinne einer GmbH werden lediglich von der Körperschaft- und Gewerbesteuer erfasst (zusammen etwa 30 Prozent), nicht aber von der Einkommensteuer. Diese fällt erst bei der Ausschüttung an Privatpersonen an. Im Falle der GmbH-gebV also nie.
Daran entzündete sich ein Streit unter Koryphäen des Steuerrechts. Gegner der neuen Rechtsform sehen die Wettbewerbsneutralität in Gefahr. Denn Gewinne einer „normalen“ GmbH werden zweistufig besteuert. Bei Vollausschüttung und Spitzensteuersatz partizipiert der Fiskus mit etwa 50 Prozent am unternehmerischen Erfolg, mithin 20 Prozentpunkte mehr als bei einer GmbH-gebV. Kritiker dringen deshalb mit Nachdruck darauf, die Körperschaftsteuer für GmbHs mit gebundenem Vermögen massiv anzuheben.
Konsequenzen für das private Portemonnaie
Sind diese Forderung und die Sorge vor Wettbewerbsverzerrungen berechtigt? Wer Überschüsse im Unternehmen belässt, hat mehr Kapital zur Verfügung. Wer mehr Kapital zur Verfügung hat, hat einen Wettbewerbsvorteil. Für diese Erkenntnis braucht man kein Steuerberaterexamen. Aber liegt darin eine Wettbewerbsverzerrung?
Eine Thesaurierung hat unausweichlich Konsequenzen für das private Portemonnaie der Kapitalgeberin. Als Gesellschafterin hat sie keine Einkünfte. Wer dem Fiskus ein Schnippchen schlagen will, geht anders vor. Die Gefahr, dass findige Berater die GmbH mit gebundenem Vermögen als Steuersparmodell empfehlen könnten, ist gering.
Der Gesetzgeber privilegiert einbehaltene Gewinne bewusst. Damit will er die Eigenkapitalbasis deutscher Unternehmen stärken und Investitionen sowie Wachstum fördern. Das ist sinnvoll. Mit dem regelmäßigen Beschluss zur Gewinnverwendung legen die Gesellschafter selbst fest, ob sie sich diese Privilegierung zunutze machen wollen.
Jedes Jahr können sie sich erneut für die Thesaurierung entscheiden, wenn gewünscht, unendliche Male. Bei der GmbH-gebV wird diese Entscheidung einmal für immer getroffen. Für das Finanzamt darf das keinen Unterschied machen. Alles andere wäre eine Strafsteuer, die den Wettbewerb verzerrt.