Gastkommentar – Homo oeconomicus: Wie sich die Signa-Gläubiger von René Benko blenden ließen

Nach der spektakulären Insolvenz der Signa-Gruppe erholen sich die Gläubiger von ihren Rückschlägen. Beim Insolvenzverwalter meldeten sie Forderungen von über acht Milliarden Euro an. Das ist beeindruckend viel Geld. Die Investoren wollten prächtig verdienen, nun droht der Totalverlust.
Wie kann es sein, dass derartige Fehlinvestitionen getätigt werden? Als Grund für das Scheitern der Investitionen werden steigende Finanzierungskosten infolge der Zinswende und die Inflation der Baukosten genannt. Doch warum war eine solche Entwicklung in den Investitionsrechnungen offenbar übersehen worden?
Eine mögliche Erklärung könnte lauten: Investitionsentscheidungen berücksichtigen nicht nur berechenbare Risiken, denn sie finden unter Bedingungen von Ungewissheit statt.
Zwar wird eine Vielzahl von Berechnungen angestellt, doch letztendlich gibt es eine Fülle an Unwägbarkeiten, die sich der genauen Kalkulation und Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten entziehen.
Damit Investoren ihr Geld dennoch riskieren und es nicht verstecken, bedarf es Erzählungen, die Überzeugungsarbeit leisten. Solche imaginierten Zukünfte finden sich etwa in den bunten Zeichnungen der fertigen Tower und in schillernden Beschreibungen des wirtschaftlichen Potenzials der Projekte. Das Zukunftsbild eines im Futur II vorgestellten, gelungenen Projekts hilft, Zweifel zu beseitigen und macht Investoren gewogen, sich auf die Unwägbarkeiten einzulassen.
Bei René Benko hört man, dass er seine Investoren auch in seine prächtige Villa und auf seine Superjacht eingeladen hat. Wer so reich ist, so die unterschwellige Botschaft, wird schon wissen, wie er mit Geld umzugehen hat.
Mit Erwartungsmanagement Zweifel der Investoren überwunden
All dies ist Teil des Erwartungsmanagements des Unternehmers, mit dem mögliche Zweifel der Investoren überwunden werden sollen. Dahinter können auch betrügerische Absichten stehen, wie es offenbar bei Wirecard der Fall war. Doch viel wichtiger ist die Unkalkulierbarkeit der Zukunft.

Die Signa-Gruppe ist nicht das einzige Beispiel enttäuschter Zukunftsbilder. Das wissen die Aktionäre bei Bayer und Evergrande nur zu gut. Doch auch die Investoren bei Apple, Tesla und Nvidia haben sich mit ihrem Geld auf eine ungewisse Zukunft eingelassen. Damit sind sie prächtig gefahren – zumindest bis jetzt.

Entgegen dem ökonomischen Lehrbuchwissen beruht die Dynamik des Kapitalismus nicht allein auf rationaler Kalkulation, wie viel auch immer gerechnet wird. Sie beruht auch auf Zukunftsbildern, die Emotionen und Intuitionen hervorrufen und dadurch Überzeugungen schaffen, die Investitionsbereitschaft begründen. Dass man dabei auch schiefliegen kann, lernen die Investoren der Signa-Gruppe derzeit genauso wie die Stadt Hamburg und die beteiligten Bauunternehmen.





