Homo oeconomicus: Warum es wichtig ist, auf die Grundbedeutung des Begriffs Ökonomie zurückzukommen

Ina Praetorius ist evangelische Theologin und Autorin von „Wirtschaft ist Care“.
Denkt eigentlich heutzutage irgendwo irgendwer grundsätzlich darüber nach, was Wirtschaft ist und wozu sie dient? So wie zum Beispiel Aristoteles vor ungefähr 2300 Jahren in seiner „Politik“? Ja, hier, ich!
Als Theologin muss ich keine Ökonomin fragen, wenn ich wissen will, was Ökonomie ist. Schließlich habe ich Griechisch gelernt: Oikos heißt „Haus“ oder „Haushalt“. Nomos heißt „Gesetz“ oder „Lehre“. Die Oikonomia ist die Theorie und Praxis des zweckmäßigen Haushaltens.
Haushalte, Oikoi, haben laut Aristoteles die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Hausbewohnerinnen und -bewohner bekommen, was sie zum Leben brauchen. Ein World Economic Forum wäre demnach eine Veranstaltung, bei der alle Beteiligten darüber beraten, wie siebeneinhalb Milliarden (bald mehr) Bewohnerinnen und Bewohner des Großhaushalts Welt mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden.
Und zwar wirklich alle, auch Kinder und Kindeskinder. Oder gibt es einen guten Grund, unseren Nachkommen das gute Leben im Welthaushalt zu verwehren, das wir Gegenwärtigen für uns beanspruchen?
Das kleine gelbe Schulbuch „Grundwissen Wirtschaft“ von Günter Ashauer, mit dem ich mir vor vielen Jahren autodidaktisch wirtschaftswissenschaftliche Elementarbegriffe angeeignet habe, bestätigt den etymologischen Befund: „Es ist Aufgabe der Wirtschaftslehre zu untersuchen, wie die Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse am sinnvollsten hergestellt, verteilt und ge- oder verbraucht werden.“
Das hört sich ganz ähnlich und ebenso schlicht an wie der erste Satz des einschlägigen Wikipedia-Artikels: „Wirtschaft oder Ökonomie ist die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen.“
Großer Einfluss
Und nun? Wo wird eine Oikonomia betrieben, die den Namen verdient? Sicher nicht dort, wo Fachleute des Wirtschaftens notorisch nur zählen, was Geld einbringt. Wo sie den erwiesenermaßen größten Wirtschaftssektor, die unbezahlte Care-Arbeit in Privathaushalten, wider besseres Wissen wegdenken. Indem sie ihn als außerökonomische Sphäre, als „etwas Anderes“ behandeln, ihn gleichzeitig stillschweigend als Ressource nutzen.
Ganz ähnlich übrigens, wie man auch „die Natur“ meint ausbeuten zu können, ohne sich ihres Werts und ihrer Grenzen bewusst zu sein. Befriedigt denn ein Mittagessen zu Hause kein Bedürfnis, bloß weil man nicht wie im Restaurant dafür bezahlt? Ist Atmen kein Bedürfnis, weil Luft geschenkt ist?
Warum ist es wichtig, auf die Grundbedeutung der Oikonomia zurückzukommen? Weil Ökonominnen und Ökonomen höchst einflussreiche Leute sind und wir es uns als Menschheit nicht leisten können, unser Überleben in die Hände von Menschen zu legen, die unsere Lebensgrundlagen geringschätzen, obwohl ihre selbst gesetzte Aufgabe darin besteht, ebendiese Lebensgrundlagen zu sichern.
Deshalb sollen es alle wissen: Wirtschaft ist Oikonomia. Oikonomia ist Welthaushalten. Und Welthaushalten bedeutet, umsichtig und klug füreinander und für die Welt zu sorgen.





