Asia Techonomics: Chinas Online-Verbrecher – Wie Nachbarstaaten jetzt durchgreifen
Zur Festnahme kommt es am Mittwoch, kurz nach Mitternacht. Seit Juli war Alice Guo, eine frühere Bürgermeisterin auf den Philippinen, untergetaucht. Gefasst wird sie in dieser Woche schließlich von Beamten in Indonesien – knapp 3000 Kilometer entfernt von ihrem ehemaligen Amtssitz in der Gemeinde Bamban auf der philippinischen Hauptinsel Luzon.
Dort haben sich schwere Vorwürfe gegen die Ex-Politikerin gehäuft: Sie steht unter Verdacht, zusammen mit einem chinesischen Verbrechersyndikat beim Onlinebetrug und Menschenhandel Millionensummen erbeutet zu haben. Guo bestritt die Vorwürfe in der Vergangenheit.
Ihre Festnahme sendet aber in jedem Fall ein klares Signal an die kriminellen Netzwerke mit Verbindungen nach China, die jahrelang in den Nachbarländern der Volksrepublik nahezu ungestört ihr Unwesen treiben konnten: Die Zeit der Straflosigkeit ist vorüber, lautet die Botschaft der Ermittler.
Philippinen gehen gegen Betrüger vor
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos jr. lässt seine Behörden hart gegen sogenannte Scam-Center durchgreifen, in denen Tausende Beschäftigte über Dating-Apps und Chatdienste weltweit nach Betrugsopfern suchen. Auch andere Länder in Südostasien verstärken den Druck auf die kriminellen Banden. Sie nähren damit die Hoffnung auf ein Ende einer milliardenschweren Abzockindustrie, die auch Menschen in Deutschland trifft.
Auf den Philippinen stehen die illegalen Machenschaften seit Anfang des Jahres im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Bei einer Razzia in Bamban entdeckten Ermittler einen Gebäudekomplex, in dem Hunderte Mitarbeiter damit beschäftigt waren, zu Fremden über das Internet Vertrauen aufzubauen – und sie hinterher mit diversen Betrugsmaschen um ihr Geld zu bringen.
Viele der Beschäftigten in der Betrugsfabrik, die sich als Onlinekasino tarnte, waren aber auch selbst Opfer – von Menschenhändlern, die sie zu der Arbeit zwangen.
Bürgermeisterin mit falscher Identität
Mehrere Spuren führten von dem Scam-Zentrum zu Guo: ein auf ihren Namen registriertes Auto, an sie ausgestellte Rechnungen und ein Fluchttunnel, der auf ihrem Grundstück endete. Der philippinische Senat schaltete sich in die Untersuchung ein. Ermittler leiteten ein Verfahren gegen Guo und aus China stammende mutmaßliche Komplizen ein – wegen Geldwäsche und Menschenhandels.
Sie fanden dabei anhand von Fingerabdrücken heraus, dass Guo offenbar nicht, wie von ihr behauptet, gebürtige Philippinerin ist. Stattdessen handele es sich bei der inzwischen ihres Amtes enthobenen Bürgermeisterin um die Chinesin Guo Hua Ping, die als Teenagerin auf die Philippinen gekommen sei.
Präsident Marcos verspricht nun eine schnelle juristische Aufarbeitung: „Frau Guo hat Anspruch auf rechtlichen Schutz. Aber wir werden nicht zulassen, dass dies die Lösung des Falles verzögert“, sagte er am Mittwoch. Der Ausgang des Verfahrens werde „ein Sieg für das philippinische Volk“ sein.
Marcos hatte zuvor bereits eine Schließung der meist chinesisch geführten Onlinekasinos angeordnet, die unter seinem Vorgänger Rodrigo Duterte florierten und sich vielfach als Fassaden für die sogenannten Betrugsfabriken herausstellten. Vergangene Woche meldeten die Behörden den Fund eines solchen Scam-Centers mit mehr als 160 Beschäftigten auf der Insel Cebu.
Betrüger verursachen Milliardenschäden
Seit der Coronapandemie haben sich die Online-Betrugsnetzwerke in mehreren südostasiatischen Ländern ausgebreitet, darunter auch Kambodscha, Laos und Myanmar. Die Hintermänner stammen laut einer Studie der Denkfabrik USIP vorwiegend aus China – und profitierten davon, dass lokale Behörden lange Zeit kaum etwas gegen ihre Machenschaften unternahmen.
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Sie konnten Schätzungen zufolge so mehr als 60 Milliarden Dollar im Jahr einnehmen – mithilfe Hunderttausender Zwangsarbeiter in ihren Scam-Komplexen. Hauptziel sind Internetnutzer in den USA, Geschädigte gab es aber auch in Deutschland.
Doch nicht nur die Philippinen gehen gegen die Abzocker vor: Die Behörden in Laos haben den chinesischen Betreibern einer Sonderwirtschaftszone an der Grenze zu Thailand und Myanmar ein Ultimatum zur Schließung sämtlicher Betrugsfabriken bis Ende vergangenen Monats gestellt. Bei einer Razzia nach Ablauf der Frist wurden 60 chinesische und laotische Staatsbürger festgenommen. Bereits in den Wochen zuvor entdeckten die Behörden Scam-Zentren mit Hunderten Mitarbeitern.
In Singapur kamen in den vergangenen Monaten zehn aus China stammende Hintermänner der Scam-Industrie vor Gericht und wurden wegen Geldwäschevorwürfen zu Haftstrafen verurteilt. Die Milliardensummen, mit denen sie hantierten, stammten laut den Strafverfolgern unter anderem aus dem Betrugsnetzwerk in Südostasien.
Zwei der Verurteilten waren laut philippinischen Behörden Geschäftspartner der nun gefassten Guo. Doch diese sind inzwischen wieder frei – Singapur hat sie nach Kambodscha abgeschoben.