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Asia TechonomicsDie neue rote Bibel – So erobert die Lifestyle-App Xiaohongshu China

Xiaohongshu wird bei jüngeren Chinesen immer beliebter. Die Plattform bietet auch deutschen Unternehmen großes E-Commerce-Potenzial – doch mit dem Erfolg steigen die Sicherheitsbedenken.Martin Benninghoff 04.04.2024 - 09:39 Uhr
Xiaohongshu: Die Lifestyle-App erobert den chinesischen Markt. Und bald auch Europa? Foto: LightRocket/Getty Images

Shanghai. Während Europäer und Amerikaner über ein Verbot der chinesischen App Tiktok diskutieren, sprechen viele Chinesen über Xiaohongshu. Die Video- und Foto-Sharing-App aus Shanghai, die eine Mischung aus Instagram, Pinterest und Amazon ist, gibt es zwar schon seit 2013, aber zuletzt ging es steil bergauf bei der Beliebtheit und der Relevanz am Markt.

Die Plattform ist einer der wichtigsten Newcomer in der schnelllebigen App-Welt Chinas. Auch die Internetgiganten Alibaba und Tencent haben Geld in sie investiert. 

Xiaohongshu bedeutet übersetzt „kleines rotes Buch“, aber Worte des „Großen Vorsitzenden“ Mao Zedong sind darin nur am Rande zu finden (nämlich beispielsweise in Form von alten Buchcovern, wie eine Stichprobe zeigt). Die App ist die im vergangenen Jahr am schnellsten gewachsene große Social-Media-Plattform Chinas und derzeit die Referenz in Sachen Lifestyle, Reisen und Produkte.

Xiaohongshu erwirtschaftet die Einnahmen durch Werbung und zunehmend erfolgreich auch durch E-Commerce. Die wachsende Popularität hat der Plattform 2023 nach einem Bericht der „Financial Times“ erstmals einen Nettogewinn von 500 Millionen Dollar eingebracht – 2022 hatte sie noch Verlust gemacht. Auch international dürfte sie künftig mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Die Lifestyle-App funktioniert intuitiv und wirkt wertig, vor allem nutzwertig. Wer beispielsweise in Shanghai Türkisch essen gehen will, manövriert sich durch Hunderte Videos und Bilder der Angebote in der kosmopolitischsten aller chinesischen Städte. Andersherum: Auf Xiaohongshu diskutieren europareisende Chinesen engagiert, wie man am besten in den Berliner Edel-Technoclub „Berghain“ kommt oder in den Nackt-Nachtclub „KitKat“ und welche Klamotten man dazu am besten trägt (oder eben nicht).

„Key Opinion Leader“ als Influencer

Die regelmäßig postenden Influencer, in der E-Commerce-Fachsprache „Key Opinion Leader“ genannt, geben auch auf dieser Plattform den Ton an – und lassen Nähe und eine Community entstehen. Die App ist gerade bei jüngeren chinesischen Frauen zwischen 18 und 35 Jahren beliebt, gewinnt aber auch bei Männern an Popularität. Sie wird vor allem in den modernsten und jüngsten Städten Chinas – Shenzhen, Shanghai oder Guangzhou – genutzt. 

In China bestellen immer mehr Menschen bei Xiaohongshu. Foto: Visual China Group/Getty Images

2023 erreichte Xiaohongshu mehr als 300 Millionen aktive User im Monat, ein Anstieg von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Konkurrent Douyin, das chinesische Tiktok, nutzen rund 750 Millionen Menschen.

Xiaohongshu hat allerdings nach Ansicht von Branchenexperten einen gehobeneren Ruf als Douyin und zielt auf besonders kaufkräftige Frauen (und Männer) ab, die Wert auf bestimmte Marken legen, auch Luxuslabel aus Europa. 

Aldi Süd und Rossmann sind bei Xiaohongshu zu finden

Die App erreicht diese Zielgruppe mit E-Commerce-Angeboten, die von Produkttipps bis zur Kaufabwicklung alles unter einem Dach bieten. Niemand muss hier also mehr ein Video sehen und danach auf die chinesische Internet-Plattform Taobao hinüberwechseln – Xiaohongshu will die Nutzer wie Douyin bei sich behalten. Influencer preisen dafür Produkte über kurze Videos oder Livestreams an. 

Dadurch kann nach Ansicht von Experten die Markenidentität besser aufgebaut – und die Kundenbeziehung nachhaltiger gepflegt werden. „In China folgen viele junge Menschen Influencern“, sagt Enikö Holm von der E-Commerce- und Digital-Marketing-Agentur Genuine in Shanghai. Sie fühlten sich einer Community zugehörig. 

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien. Foto: Klawe Rzeczy

Wer durch die Videos scrollt, soll mit einem Klick bestimmte Artikel direkt kaufen, Influencer müssen aber offenlegen, ob sie für bestimmte Empfehlungen Geld kassieren. Die Regeln sollen Vertrauen erhalten und die Community schützen, ein Ramsch-Image verhindern.

Auch einige deutsche Unternehmen haben das Potenzial von Xiaohongshu für ihre chinesischen Aktivitäten erkannt und sind auf der Plattform aktiv: beispielsweise der Discounter Aldi oder der Drogeriemarkt Rossmann.

» Lesen Sie auch: Wie Chinas unklare Datenregeln deutsche Unternehmen verunsichern

Aldi Süd ist in Shanghai sehr präsent, wenn auch anders als in Deutschland: Die Läden sind viel kleiner, dafür wird Umsatz mit Lieferdiensten gemacht. Holm rät Marken, die sich in China erst bekannt machen wollen, zum Einsatz von „Key Opinion Leadern“ auf Plattformen wie Xiaohongshu oder Douyin.

Xiaohongshu: Bald mehr im Fokus geopolitischer Spannungen?

Eine chinesische App wie Xiaohongshu ist allerdings nicht ohne Risiko zu haben – weder für die User noch für die Unternehmen. Die schiere Masse an Nutzerdaten könnten theoretisch analog zu Douyin oder Chinas bekanntester Kommunikationsapp Wechat durch den autokratischen und undemokratischen Staat missbraucht werden. 

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Außerdem gibt es Kritik an jugendgefährdenden Inhalten, geschönten Reiseberichten und zweifelhaften Schönheitsidealen in der App, die reichlich Beauty-Content bietet.

Bislang drückt Chinas Regierung bei einem geplanten Börsengang Xiaohongshus auf die Bremse – noch gibt es auch keine englische Version. Und international steht jede chinesische App im Fokus geopolitischer Spannungen mit den USA: Je beliebter und attraktiver Xiaohongshu wird, desto größer wird die Debatte um Sicherheitsbedenken werden. Die App ist also ein Opfer ihres Erfolges und ihrer gestiegenen Reichweite – wie jede chinesische Plattform.

Mehr: Das neue Selbstbewusstsein – Wie chinesische Tech-Unternehmen den deutschen Markt erobern wollen

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