Asia Techonomics: Warum sich China vor keiner Inflation fürchten muss

Soldaten in Peking: Die chinesische Bevölkerung muss sich kaum über steigende Preise ärgern.
Düsseldorf. China scheint in Sachen Inflation in einer Parallelwelt zu leben. Im Februar lag die Inflationsrate bei gerade einmal 1,0 Prozent im Jahresvergleich. In der Euro-Zone dagegen bei 8,5 Prozent. Die Kerninflationsrate, also ohne volatile Lebensmittel- und Energiepreise, die in der Euro-Zone steigt und im Februar bei 5,6 Prozent lag, betrug in China sogar nur 0,6 Prozent.
Es ist ein Phänomen, wie schnell sich Lieferkettenverzögerungen in China zwar bei uns in Teuerungen niedergeschlagen haben, wie sehr aber das Land nun vom Inflationsdilemma der Euro-Zone und der USA abgeschirmt ist. Und das nicht nur kurzfristig wegen der Covid-Abriegelungen im vergangenen Jahr. In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sind die Inflationsraten seit Ausbruch der Pandemie Ende 2019 kaum einmal auf über zwei Prozent gestiegen – und der Trend dürfte Ökonomen zufolge anhalten.
Dafür gibt es vier Gründe – und diese Entwicklung wird China auch künftig vor andere geldpolitische Herausforderungen stellen als Europa oder die USA.
Grund 1: Schwaches Wachstum und schwacher Konsum
Chinas massive Covid-Beschränkungen im Jahr 2022 haben das Wirtschaftswachstum gedrosselt auf nur noch drei Prozent im vergangenen Jahr. Für 2023 rechnet die Staatsführung mit rund fünf Prozent. Dennoch sehen Ökonomen etwa vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auch für das laufende Jahr, dass das tatsächliche Wirtschaftswachstum Chinas deutlich unter dem Potenzialwachstum liegen wird. Das schlägt auf das Preisniveau.
Vor allem der private Konsum ist bisher nicht der erhoffte Wachstumstreiber in China. Die Konsumenten sind nach den Covid-Lockdowns verunsichert und geben nur zögerlich Geld aus.
Grund 2: Kaum Energiepreisinflation
In China haben nach Ausbruch des russischen Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 die Energiepreise die Inflation nicht so stark getrieben wie in Europa. Das hängt mit Langfristlieferverträgen zusammen – und damit, dass China russisches Öl zu günstigeren Preisen aufgekauft hat.
>> Lesen Sie auch: Kommentar – Die Opec verfolgt eine Ölpreispolitik ohne jede Rücksicht auf die Folgen
Der jüngste Anstieg beim Ölpreis dürfte sich zwar auch bei den chinesischen Inflationszahlen bemerkbar machen, aber eben nicht so stark wie in anderen Ländern.
Die Monatsbetrachtung der Inflationstreiber zeigt auch, dass Lebensmittelpreise im zweiten Halbjahr 2022 ein größerer Treiber waren als Energiepreise. Bei der Zusammensetzung des chinesischen Warenkorbs sind Lebensmittel und insbesondere Schweinefleisch von zentraler Bedeutung. Der Anstieg des Preises für Schweinefleisch ist auch ein Grund, warum der IWF für Ende dieses Jahres eine Inflation von 1,9 Prozent sieht.
Grund 3: Zurückhaltende Fiskal- und Geldpolitik
Durch die schnelle Wirtschaftserholung bereits im zweiten Quartal 2020 musste die chinesische Führung nicht durch Konjunkturpakete und Zinssenkungen so massiv gegen eine Covid-Rezession ansteuern wie die USA oder Europa.

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Chinas oberster Geldpolitiker Yi Gang darf weiter an der Spitze der Zentralbank bleiben und er ist überzeugt: Chinas vorsichtige Geldpolitik habe das Umfeld für ein hochqualitatives Wachstum geschaffen. Das klingt sehr nach einer Fortsetzung der bisherigen Politik.
Grund 4: Kaum Lieferkettenengpässe
Die Lieferkettenprobleme sind und waren in China nicht so hoch. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass es gerade die Auslandsexporte aus China heraus waren, die infolge der Covidrestriktion die Engpässe in Europa ausgelöst haben. Zudem war durch die zeitversetzte Konjunkturentwicklung in China der Nachfrageüberhang auch nicht so groß. Auch für die Zeit der Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft erwartet der Internationale Währungsfonds keine größeren Probleme bei Nachfrage und Angebot.
Weitere Kolumnen der Reihe Asia Techonomics:






In seinem im Februar veröffentlichten Länderbericht prognostiziert der IWF ein leichtes Anziehen der Inflation auf 1,9 Prozent zum Jahresende und dann wieder ein Absinken auf 1,7 Prozent Ende 2024. Die Kerninflationsrate sieht der IWF bei 2,0 Prozent Ende dieses und 2,3 Prozent Ende kommenden Jahres. China dürfte mit Blick auf die Inflation also weiter in einer Parallelwelt leben.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Nicole Bastian, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Martin Kölling und Mathias Peer im wöchentlichen Wechsel über die spannendsten technologischen und wirtschaftlichen Trends in der dynamischsten Region der Welt.
Mehr: Chinapolitik – Das wollen Macron und von der Leyen in China erreichen





