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Asia TechonomicsDoppelfenster wie in Deutschland: Japan will mehr Energieeffizienz lernen

Schöner wohnen statt Schimmel an den Wänden: Japans Baubranche isoliert die Häuser kaum und hat verheerende Energiewerte. Die Kooperation mit Deutschland soll das ändern.Martin Kölling 16.03.2023 - 11:38 Uhr Artikel anhören

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.

Foto: Klawe Rzeczy

Tokio. Die japanische Industrie gilt als sehr energieeffizient. Bis hin zu Haushaltsgeräten und den allgegenwärtigen Klimaanlagen haben Regierung und Unternehmen den Stromhunger massiv gezügelt. Doch bei einem Thema ist Japan dahingehend kein Vorbild: dem Hausbau. Das merke ich schon an meiner Wohnung, Baujahr 2001.

Sie liegt in einem der ersten Wohnblöcke in Japan, die Doppelverglasung verbaut haben. Die ist mit deutscher Dämmung nicht zu vergleichen. Der Abstand zwischen den Scheiben beträgt nur wenige Millimeter, schön eingefasst in einen Rahmen aus dem wunderbaren Wärmeleiter Aluminium. Aber das ist immer noch besser als die schlichte Einfachverglasung, die man in Japan heute noch in Einfamilienhäusern einbauen darf.

Während die Bundesregierung bei den ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen vor allem auf eine Zusammenarbeit bei der Energiesicherheit hofft, blickt Japan daher auch auf die Bauindustrie.

Das wurde Anfang März beim Treffen des Deutsch-Japanischen Energiewenderats in Tokio deutlich: Neben der Dekarbonisierung der Ölbranche diskutierte das mit Wissenschaftlern und Unternehmern besetzte Beratungsgremium beider Regierungen über klimaneutralen Wohnungsbau.

Für Tatsuya Terazawa, Chef des Instituts für Energiewirtschaft, ist dies ein wichtiges Thema, bei dem Deutschland Vorbild sei. „Wir können viel von den deutschen Erfahrungen lernen“, sagte der Leiter der japanischen Delegation im Rat nach der Sitzung. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie der bestehende Gebäudebestand besser gedämmt werden kann.

In Japan sind nur Produktion und Produkte energieeffizient

Gerade in Japan verspricht dieser Bereich ein großes Absatzpotenzial für Technologie aus Deutschland. Denn bisher haben Bauherren noch die Freiheit, bei der Dämmung auf Kosten der Umwelt zu sparen. „Japan war führend bei der Energieeffizienz, aber die niedrig hängenden Früchte sind gepflückt“, sagte Terazawa. Und die hingen in der Industrie, nicht im Wohnungsbau. Darauf konzentriere man sich jetzt, denn dort sei man schwach gewesen.

Ein Beispiel liefert er gleich mit. Erst 2025 sollen strengere Energieeffizienzstandards für den Bau von Einfamilienhäusern gesetzlich vorgeschrieben werden. Damit will die Regierung den Energiebedarf neu gebauter Häuser um 20 Prozent senken. Das dürfte nicht schwer sein. Denn das Wohnen in vielen älteren Häusern gleicht bis heute einem Leben im Einklang mit der Natur.

Ist es draußen kalt, friert man drinnen, sobald man die Klimaanlage oder den traditionellen Gas- oder Kerosinbrenner ausschaltet, der Wärme und Abgase an die Raumluft abgibt. Ist es dann im Sommer heiß, schwitzt zumindest der umweltbewusste Bürger. Jedenfalls hatte ich in den meisten meiner Wohnungen ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Klimaanlage einschaltete. Denn die Kühle entwich durch dünne, zugige Fenster und dünne, schlecht isolierte Wände.

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Und gerade in den Wänden steckt der sprichwörtliche Wurm. Sie sind oft schlecht gedämmt oder nicht luftdicht, meist sogar beides. Daraus resultierende Wärmebrücken führen daher schnell zu Kondenswasser und Schimmelbildung im Holzfachwerk, das die meisten japanischen Familienhäuser trägt. Die Bauherrenweisheit – so sagte mir einmal ein Experte – lautet daher: Die ersten zehn Jahre genießt man das Haus, in der zweiten Dekade lebt man darin und in der dritten leidet man. Dann reißt man das Haus ab und baut wieder neu.

Zum Glück dämmen inzwischen viele der großen Fertighauskonzerne besser. Das ist ein gutes Werbeargument im harten Wettbewerb um Kunden. Bislang hat es die Regierung aber zum Wohle der heimischen Baukonjunktur unterlassen, die Bauherren und das Heer der finanzschwachen Hausbauer zum Einsatz teurerer Technologie zu zwingen.

Das soll sich nun ändern. Zwar hinken auch die kommenden Standards den europäischen noch hinterher. Aber eine hohe Hürde für den Import deutscher Baustoffe wird damit endlich ein Stück weit abgebaut. Der fehlende regulatorische Rahmen für ein Mindestmaß an Isolierung war ein wichtiger Grund dafür, dass es moderne Baufolien und Dämmstoffe aus dem Ausland in Japan bisher so schwer hatten. Und so kommt womöglich auch mehr Zug in die Energieeffizienz im Bausektor.

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