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Globale TrendsEuropa braucht einen Standortpatriotismus seiner Wirtschaftselite

Die EU sollte die Reformvorschläge des früheren EZB-Chefs Draghi umsetzen. Unternehmer müssten dann Patriotismus zeigen. Damit könnte Europa die „America first“-Politik von Trump kontern.Torsten Riecke 18.12.2024 - 11:26 Uhr Artikel anhören
Schwarz-Rot-Gold: Wirtschaftsführer müssen auch patriotische Entscheidungen treffen. Foto: ddp

Der Kontrast zu Amerika könnte größer kaum sein: Dort hat der japanische Tech-Investor Softbank gerade angekündigt, in den kommenden Jahren 100 Milliarden Dollar in neue Technologien wie Künstliche Intelligenz zu investieren. Das sei ein Vertrauensbeweis in die Zukunft Amerikas unter der Führung Donald Trumps, sagte Softbank-Chef Masayoshi Son.

Son hat sich ganz offensichtlich vom Optimismus in der US-Wirtschaft anstecken lassen. Dort ist die Stimmung der kleineren Unternehmen nach dem Wahlsieg Trumps auf den höchsten Stand seit 2018 gestiegen. Viele Manager in den USA unterstützen Trump und damit auch seine nationalistische „America first“-Politik – allen voran Tesla-Chef Elon Musk.

Europa sollte dem seinen eigenen Standortpatriotismus entgegensetzen.

Können Unternehmer Patrioten sein?

Der erste Reflex deutscher Unternehmen auf Trumps Versprechen folgt jedoch einem gewohnten Muster – nämlich dorthin zu gehen, wo es mehr Geld zu verdienen gibt. So schauen sich deutsche Firmen verstärkt nach Übernahmen in den USA um.

Höttges folgt damit dem Shareholder-Value-Prinzip des 2006 verstorbenen US-Ökonomen Milton Friedman. Dessen legendäre Maxime „The business of business is business“ hat der sogenannte Business Roundtable, ein Zusammenschluss von Großunternehmen-CEOs, allerdings bereits 2019 durch das patriotische Versprechen ersetzt: Der Zweck eines Unternehmens sei die „Förderung einer Wirtschaft, die allen Amerikanern dient“. Ein Satz, den Trump vermutlich sofort unterschreiben würde.

Könnte es sein, dass es in Europa nicht nur zu viel Bürokratie und Regulierung gibt, wie Höttges zu Recht moniert, sondern auch zu wenig Standortpatriotismus in der Wirtschaft? Ein Begriff übrigens, der in Deutschland bislang nur im Streit darüber Furore machte, ob die Fußballnationalmannschaft künftig Nike- statt Adidas-Trikots tragen darf.

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter riecke@handelsblatt.com. Foto: Klawe Rzeczy

Dabei spürt jeder, der sich mit deutschen und europäischen Managern unterhält, dass es bei vielen nicht nur einen kollektiven Unmut über die wirtschaftliche Misere hierzulande gibt, sondern auch einen kollektiven patriotischen Willen, den Wirtschaftsstandort Europa zu sichern.

Europa braucht nicht Milei oder Musk

Der Gedanke ist so neu nicht. Unternehmen haben in der Vergangenheit als „Deutschland AG“, „UK plc“ oder „Corporate America“ den Wohlstand des eigenen Landes immer auch als patriotische Aufgabe verstanden. Das ist allerdings oft auf Kosten von Effizienz und Wettbewerb und damit auch des Standorts gegangen.

Es wäre deshalb fatal, das nationalistische Versprechen Trumps mit einer Wiederauferstehung des deutschen Korporatismus zu kontern. Stattdessen sollten wir den sogenannten „Draghi-Report“ zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit in der EU zum Leitfaden für einen Standortpatriotismus in Europa machen.

80 Prozent der europäischen Topmanager würden laut Conference Board in den kommenden drei Jahren lieber in Europa investieren, wenn die vom früheren EZB-Chef Mario Draghi vorgeschlagenen Reformen umgesetzt werden. Wir brauchen nicht Milei oder Musk, wir haben Draghi!

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Voraussetzung dafür, dass Reformen und Patriotismus in Europa Hand in Hand gehen, ist allerdings, dass die europäische Wirtschaftselite das Dilemma des kollektiven Handelns überwindet. Warum gemeinsam den heimischen Standort mit „patriotischen Entscheidungen“ retten, wenn man im Alleingang ohnehin davon profitiert und in der Zwischenzeit in den USA hohe Profite einstreichen kann?

Auflösen lässt sich dieses Dilemma nur, so sagen die Experten des McKinsey Global Institute (MGI), wenn die Führungseliten in den Unternehmen vorangehen und entschlossen mithelfen, den Standort Europa zu sichern. Mit anderen Worten: Patriotismus beginnt auch in der Chefetage.

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