Homo oeconomicus: Machen wir es den Dänen nach

Wer über Arbeitszeiten – am Tag, in der Woche, im Jahr oder im Lebensverlauf – spricht und Änderungen anregt, der trifft auf eine Welle der Empörung. Der vorsichtige Vorstoß der neuen Koalition, „die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit zu schaffen“, provoziert Widerstand, als ginge es um die Rückkehr zur Leibeigenschaft. Dabei haben sich nicht nur Arbeitswelten verändert, sondern ebenso die Zeitstrukturen in den privaten Haushalten.
Arbeitszeitflexibilität seitens der Arbeitgeber und Arbeitssouveränität seitens der Beschäftigten sind unter den heutigen Bedingungen nicht nur leichter zu vereinbaren, sondern – wie bereits im achten Familienbericht 2012 dargelegt – aus grundsätzlichen Erwägungen geboten.
Noch krasser wird der Widerstand, wenn man die Folgen der demografischen Alterung für unsere Wohlstandsentwicklung anspricht und daraus Schlussfolgerungen zieht. Dabei sind die Zusammenhänge einfach zu beschreiben: Das Bruttoinlandsprodukt resultiert entstehungsseitig aus dem insgesamt im Jahr geleisteten Arbeitsvolumen multipliziert mit der Arbeitsproduktivität je Stunde. Zwar liegt die Anzahl der Erwerbstätigen mit knapp 46 Millionen Menschen immer noch nahezu auf ihrem Höchststand, und die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden war zuletzt so hoch wie nie.
Millionen Erwerbstätige weniger
Doch bis zum Jahr 2036 gehen fast 20 Millionen Babyboomer in Rente, aber gerade einmal 12,5 Millionen Jüngere werden aus dem vorhandenen Potenzial nachrücken. Allein in dieser Legislaturperiode werden 5,2 Millionen Menschen das Renteneintrittsalter von 66 Jahren erreichen, während lediglich 3,1 Millionen Menschen mit einem Alter von 20 Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten werden.
Da die Produktivität je Erwerbstätigenstunde in den vergangenen zehn Jahren nahezu stagnierte und zuletzt sogar rückläufig war, muss der Blick – trotz aller Hoffnungen auf generative Künstliche Intelligenz – auf das Arbeitsvolumen gerichtet werden. Um dies gegen den demografischen Trend zu steigern, sind alle denkbaren Instrumente zu nutzen:
Aber dazu gehört zwingend eine Diskussion über das Jahresarbeitsvolumen und die Lebensarbeitszeit. Jeweils hat Dänemark gezeigt, dass es geht: 2023 wurde ein gesetzlicher Feiertag gestrichen, jüngst das Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2040 auf 70 Jahre erhöht.

Angesichts der vor uns sich öffnenden demografischen Lücke ist es jedenfalls rechtfertigungsbedürftig, warum hierzulande ein Vollzeiterwerbstätiger über 240 Stunden im Jahr weniger arbeitet als sein Pendant in der Schweiz oder – allgemeiner – warum in kaum einem Industrieland so wenig gearbeitet wird wie in Deutschland.
Solange keine gigantischen Produktivitätssprünge realistisch zu erwarten sind, müssen wir – natürlich bezahlt – mehr arbeiten. Ein zusätzlicher Werktag würde bis zu 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, also bis zu 8,6 Milliarden Euro einbringen. Dafür gibt es viele Wege, aber keinen, der daran vorbeiführt.








