Homo oeconomicus: Von der föderalen Kleinstaaterei geht die größte Gefahr aus
Politischer Mut wird selten honoriert, jedenfalls zu spät für den nur befristet beauftragten politischen Agenten. In dieser systematischen Klemme befindet sich auch der Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung. Die Erfahrungen dazu sind allgemein ernüchternd, die Erwartungen dafür konnten nie erfüllt werden.
Nun sind die Hoffnungen aufgrund des institutionellen Rahmens – neues Ministerium, neue Regeln für den interministeriellen Umgang – dennoch hoch.
Mit der auf der Kabinettsklausur beschlossenen „Modernisierungsagenda“ scheint diesmal ein kräftiger Schritt nach vorn zu gelingen. Die besonderen Hemmnisse werden ehrlich angesprochen: das ressortbezogene Silodenken, die föderale Ordnung, die Einstellung der Verwaltung, die politische Attraktivität der Regelungslücke.
Wenn man allerdings umfassend modernisieren will, dann gehört die Beweislastumkehr an den Anfang: Die Beweislast hat nicht mehr der Veränderer, sondern der Beharrer. Durchdekretiert über alle föderalen Ebenen sollte das allfällige, weil wohlfeile Widerstände jedenfalls schwächen.
Die in der Agenda aufgeführten Maßnahmen „Erhöhung von Schwellenwerten, Ausweitung von Ermessensspielräumen, Pauschalierungen, Stichtagsregelungen, Genehmigungsfiktionen, Präklusionsregelungen und Bagatellvorbehalten“ setzen ihre Hoffnung auf den Mut der Beamten vor Ort, all dies zu nutzen und zu ermöglichen.
Das fragt allerdings nach einer Überprüfung des zerklüfteten Staatshaftungsrechts (Richterrecht aus dem alten Westen, ansonsten DDR-Recht in Brandenburg und Thüringen, Landesrecht in Sachsen-Anhalt), um die Erwartungen auf Flexibilität zu stabilisieren.
Die föderale Verklemmung ist eine zentrale Herausforderung, die nach einer Verfassungskommission ruft. Das neue Ministerium kann allenfalls katalysierend wirken, wenn die identifizierten Projekte erneut an der Kleinstaaterei zu scheitern drohen.
Die Bundesländer spielen seit der Föderalismusreform 2006 eine eigenartige Rolle: Sie wollen nicht mehr Kompetenzen, wenn diese mit mehr Verantwortung einhergehen – etwa mehr Steuerautonomie –, und verweigern sich trotz steigender Abhängigkeit vom Bund einer Stärkung seiner Kompetenzen etwa im eGovernment.
Zuletzt haben sich die Länder gegen die Zusätzlichkeit bei der Verwendung der Mittel aus dem Infrastruktur-Sondervermögen verwehrt. Die Wirksamkeit des Staates wird geschwächt, zumal die Länder ihrer Verantwortung in der Finanzierung und Steuerung der Kommunen nicht nachkommen.
Die kommunale Selbstverwaltung ist in Zeiten digital definierter Standards neu zu justieren. Wir werden sehen, ob die Zentralisierung der iKfz-Portale beim Kraftfahrt-Bundesamt gelingt. Die entstehenden Freiräume der Gemeinden verlangen nach Leistungsverträgen der Länder mit den kommunalen Ämtern, um eine zielführende Nutzung für einen wirksamen Staat sicherzustellen.