Kolumne – Asia Techonomics: Südkoreanischer Kryptowahnsinn: 60 Börsen, 70 Währungen und keine Kontrolle

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Südkoreas Wirtschaft macht zwar keine zwei Prozent der Weltwirtschaftsleistung aus, aber zehn Prozent des Handelsvolumens mit Kryptowährungen finden dort statt. Die Spekulation mit Bitcoin, Ether, aber auch mit lokalen Kryptowährungen wie Enjin oder Luna Coin hat einen großen Stellenwert in der Gesellschaft erreicht – und deshalb auch in der politischen Diskussion.
Im kryptoverrückten Südkorea sind die Schattenseiten des Hypes und die politischen und regulatorischen Konsequenzen wie unter einem Brennglas zu beobachten. Ein genauerer Blick darauf lohnt sich.
Südkoreanische Anleger sind so erpicht auf Spekulationen mit Bitcoin und Co, dass sich in der zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt häufig höhere Preise für Kryptowährungen erzielen lassen als in anderen Teilen der Welt. Für dieses Phänomen hat sich sogar ein eigener Terminus gebildet: Kimchi-Premium, benannt nach dem eingelegten koreanischen Weißkohl.
Die Gründe für den Hype liegen in einer hohen Technologieaffinität der Bevölkerung und in einer hohen Risikobereitschaft bei Geldanlagen. In Zeiten, in denen das Einkommen auch studierter Arbeitnehmer oft nicht mehr zur Eigenheimfinanzierung reicht, versuchen viele Anleger den Sprung ins nahezu Unmögliche durch Kryptospekulation. Rund 60 Krypto-Handelsplattformen gibt es mittlerweile in Südkorea.
Ein Drittel der Kryptoanleger sind einer Studie des Big-Data-Plattformanbieters IGA Works zufolge Menschen in ihren 20er-Jahren. Fast ein Viertel aller Studierenden in Südkorea legt einer anderen Umfrage zufolge Geld in Kryptowährungen an.
Denn die erforderlichen Mindestsummen für Investitionen sind gering und die Renditeerwartungen hoch. Mit einer Währung hat das jedoch nichts mehr zu tun. Es geht nur ums Wetten auf Kursgewinne.
Die hohe Volatilität und der jüngste Preisverfall der Kryptowährungen in diesem Jahr sorgen bei den häufig jungen Anlegern allerdings für Unmut. Mehr als zwei Drittel der studierenden Kryptoanleger litten an „psychologischen Nebenwirkungen“, ergab eine aktuelle Umfrage. Dabei warnt die südkoreanische Notenbank schon länger davor, dass die hohen Bewertungen während der Corona-Pandemie rational nicht zu rechtfertigen seien.
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Der Frust der Anleger ist mittlerweile so groß, dass die Politik reagieren muss: Der Kryptomarkt in Südkorea bekommt endlich einige Regeln. Und in diesem Prozess ist erstaunlich zu sehen, was vorher alles nicht geregelt war.
Bei den meisten südkoreanischen Krypto-Handelsplattformen müssen sich die Nutzer noch nicht einmal mit ihrem Klarnamen anmelden. Viel einfacher kann man Geldwäsche eigentlich nicht machen. Nur bei vier Kryptobörsen müssen die Nutzer bisher Realnamen und Bankkonten vorweisen, darunter die Marktführer Upbit, Bithumb und Coinbit.

Jetzt müssen sich alle Kryptobörsen bis zum 24. September bei der Finanzaufsichtsbehörde FSC eine Zulassung holen. Deshalb räumen sie auf: Coinbit etwa verbannt von den 70 verschiedenen Kryptowährungen, die auf der Plattform gehandelt werden konnten, fünf komplett. Vor 28 weiteren Kryptowährungen warnt sie die Nutzer.
Einige Börsen ziehen nach, andere wiederum nicht. Das macht die Bewertung der fraglichen Coins, die auf so schöne Namen wie Dex oder Dexter, Pantheon oder Proto hören, nicht verlässlicher.



Die Regulierer versuchen nun, die Banken beim Geldwäsche-Check der Handelsplattformen und den Konten für Handelskunden mit in die Pflicht zu nehmen. Die Banken wollen aber mit einigen der Kryptobörsen nichts zu tun haben. Kann man es ihnen verdenken?
Südkorea zeigt, wie groß die Diskrepanz in der Finanzregulierung etwa zwischen dem Kauf einer Anleihe und einer Kryptowährung ist. Warum eigentlich? Und wie lange geht das noch so?





