Kolumne „Kreative Zerstörung“: Ein Smartphone als nationales Symbol

Hält der Erfolg des nationalen Produkts in China an, könnte Apple bis zu 20 Prozent seines Marktanteils in dem wichtigen Land verlieren.
Foto: ReutersEin bisschen erinnert es an einen Stellungskrieg, wie Apple und Samsung um den Kipp-Punkt der Weltherrschaft herumlungern. Mit dem gerade auf den Markt gebrachten neuen iPhone 15 könnte Apple seinen südkoreanischen Konkurrenzen vom Podest stoßen und zum ersten Mal zum globalen Sieger in der Schlacht um die Weltmarktanteile am mobilen Telefonieren werden. So hatten es viele Analysten vorausgesagt.
Wäre da nicht die unglückliche Einsicht, dass Krieg nicht nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, wie Carl von Clausewitz es einst gesagt hat. Wieder erwachender Nationalismus ist auch die Fortsetzung des Handelskriegs mit anderen Mitteln.
Und so sind die meisten Augen gerade nicht auf Apple oder Samsung gerichtet, sondern auf einen freudigen Dritten, dem dieser Tage ein bemerkenswerter Durchbruch an der Front der superschnellen Hightech-Telefonie gelungen ist.
China ist zurück im Spiel. Das Land kämpft nicht mit Waffen, sondern mit einem „Kameraden 60 Pro“ („Mate 60 Pro“). So heißt das neue Smartphone, das der chinesische Tech-Konzern Huawei vor einigen Tagen auf den Markt gebracht hat.
Es ist nicht nur ein Telefon, sondern die millionenfache Freiheitsstatue der staatskapitalistischen Wirtschaftsordnung und ein Symbol für den Unabhängigkeitskampf der Chinesen gegen die Sanktionen des Westens.
Schwierige Jahre für Huawei durch US-Sanktionen
Zur Erinnerung: 2019 verhängten die USA aus sicherheitspolitischen Gründen Sanktionen gegen den chinesischen Telekommunikationsanbieter. Für Huawei war das eine Katastrophe. Der Konzern hatte keinen Zugang mehr zu den notwendigen Chips.
In dieser Kolumne schreibt Miriam Meckel 14-täglich über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt und ein besseres Leben möglich machen.
Foto: Klawe RzeczyWie solch einen Chip aus dem Hut zaubern, wenn auch die notwendigen Expertisen und Maschinen nicht mehr greifbar sind? Und so rutschte der Marktanteil für Smartphones von Huawei von etwa einem Drittel Mitte 2020 auf sieben Prozent ab. In China nennt man so etwas einen „Gesichtsverlust“, und der traf nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die Parteiführung mit ihren hochgesteckten Zielen und dem Anspruch auf die weltweite Technologieführerschaft.
Huaweis Smartphone neuer Verkaufsschlager
Das traf auch die Chinesinnen und Chinesen selbst. Das neue Telefon von Huawei wird aus den Regalen gerissen und geht auf den chinesischen sozialen Medien mit Lobeshymnen viral. Manche Teile dieser Kommunikation sind sicher gezielte Propaganda.
Es schadet auch nicht, dass chinesische Regierungsmitarbeiter offiziell aufgefordert wurden, aus Sicherheitsgründen keine Apple-Produkte mehr mit ins Büro zu bringen. Unabhängig davon scheint ein neues Nationalbewusstsein bei den Chinesen zu erwachen. Nationalstolz ist jetzt auch eine Frage des richtigen Telefons.
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Für Apple sind das keine guten Nachrichten. Denn der chinesische Markt steht für etwa ein Fünftel des Konzernergebnisses. Die Weltmarktführerschaft interessiert nicht mehr, dafür aber sehr wohl, dass der US-Konzern zwischenzeitlich sechs Prozent Börsenwert, umgerechnet etwa 200 Milliarden Dollar, verloren hat, vor allem durch die Berichterstattung über das mögliche Nutzungsverbot in bestimmten staatlichen Einrichtungen und Unternehmen.
Made in China
Und das kann sich offenbar sehen lassen. Angeblich sollen 10.000 Teile und Komponenten nun „made in China“ sein. Huawei deklariert das Smartphone nicht als 5G-Gerät, aber erste Tests auch außerhalb Chinas zeigen: Das „Mate 60 Pro“ kann es an Geschwindigkeit und Bandbreite mit dem Apple iPhone aufnehmen. Und der Chip?
Den hat Chinas bester Hersteller, „Semiconductor Manufacturing International Corp.“, produziert, und zwar offenbar erfolgreich. Die Erwartungen des Westens, dass so etwas gelingen würde, waren in etwa vergleichbar damit, dass der Baron von Münchhausen sich an den eigenen Haaren aus dem Morast ziehen kann.
Die Leistungsfähigkeit überrascht den Westen.
Foto: BloombergHält der Erfolg des nationalen Produkts in China an, könnte Apple bis zu 20 Prozent seines Marktanteils in dem wichtigen Land verlieren. Vor allem aber wird er zum lebenden Beweis dafür, dass China in der Lage ist, sich selbst aus dem Morast internationaler Wirtschaftssanktionen zu befreien.
General Carl von Clausewitz hat in seinem Werk „Vom Kriege“ noch etwas Kluges gesagt: „Die Verteidigung ist an sich die stärkere Form des Kriegführens“. Der Kampf um die Gestaltung unserer technologischen Zukunft geht also weiter. China hat die Fronten erst mal abgesichert. Mal sehen, wann der „Kamerad Pro 60“ zum Angriff übergeht.