Lars Felds Ordnungsruf: Der Staat frisst die Wirtschaft auf

Kaum eine Woche vergeht ohne neue Hiobsbotschaften aus der deutschen Wirtschaft. Gesamtwirtschaftlich befindet sich das Land bestenfalls in einer Stagnation. Nach zwei Jahren mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) konvergieren die Prognosen derzeit auf ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent für das laufende Jahr. Das Wachstum des kommenden Jahres deutet ebenfalls keinen wirklichen Aufschwung an.
Der Internationale Währungsfonds projiziert nur noch eine Wachstumsrate von 0,9 Prozent für das Jahr 2026. Fast ein Drittel davon lässt sich auf Kalendereffekte zurückführen, weil mehr Feiertage auf Wochenenden fallen. Der Rest ergibt sich daraus, dass jeder Euro zusätzlich ausgegebener Staatsausgaben zu einem Euro höherem BIP führt. Die private Investitionstätigkeit dürfte hingegen weiter schwach bleiben.
Die deutsche Volkswirtschaft erreicht aktuell somit nur das Niveau des um Preiseffekte bereinigten BIP des vierten Quartals 2019. Im Jahr 2020 folgte mit der Coronakrise eine der schwersten Wirtschaftskrisen seit dem Zweiten Weltkrieg; nur die Finanzkrise hatte einen stärkeren Einbruch des BIP zur Folge. Insofern sehen wir aktuell nicht die schwerste Krise im makroökonomischen Sinne. Vielmehr liegen die Schrumpfungen des BIP der Jahre 2023 und 2024 betragsmäßig ungefähr im Rahmen dessen, was in den Rezessionen der Jahre 1966/67, 1974/75, 1982, 1993 und 2001/02 zu Buche schlug.
Die aktuelle Situation ist aus anderen Gründen besonders: Es dürfte sich um die schwerste Strukturkrise der deutschen Industrie in der Nachkriegszeit handeln. Die Industrieproduktion geht seit dem Jahr 2018 zurück. Die Industrie verlor seither bis zu 250.000 Arbeitsplätze. Dies wird durch den Dienstleistungssektor nicht mehr aufgefangen. Nur noch der Staat und staatsnahe Dienstleister stellen ein. Der Staatsanteil am BIP, die sogenannte Staatsquote, wächst. Schon im laufenden Jahr, jedenfalls aber kommendes Jahr dürfte sie 50 Prozent überschreiten.
Die Gründe für die Misere liegen auf der Hand; Strukturprobleme haben strukturelle Ursachen. Unternehmen investieren kaum mehr in Deutschland, weil sie mit zu hohen Kosten konfrontiert sind. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Arbeitskosten, Energiekosten, die Steuerbelastung und die Regulierungsintensität sind zu hoch. Die Unternehmen investieren lieber im Ausland. Eine Nachfrage nach ihren Produkten sehen diese Firmen offenbar, aber keine Zukunft in Deutschland.
Zwar hat die Geldpolitik ihren Anteil an der schwachen Investitionsentwicklung. Durch die restriktive Geldpolitik sind vor allem zinssensitive Branchen, allen voran die Bauwirtschaft, betroffen. Mittlerweile ist die Geldpolitik aber mehr oder weniger neutral. Und angesichts der dynamischen Inflationsentwicklung blieb der Europäischen Zentralbank nichts anderes übrig, als mit entschiedenen und raschen Zinserhöhungen die Inflation zu bekämpfen.
Die hohe Inflation hatte ihren Ursprung in der expansiven Fiskalpolitik in der Coronakrise, die durch eine expansive Geldpolitik akkommodiert wurde. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die darauffolgende Energiekrise verstärkten diese Entwicklung. Am Beginn dieser Entwicklung lässt sich somit der Kern des deutschen Strukturproblems erkennen: Der Staat nimmt für sich einen zu großen Teil der wirtschaftlichen Aktivität in Anspruch.
Eine Staatsquote von über 50 Prozent sagt noch wenig über die bestehenden Probleme aus. Die skandinavischen Staaten lagen viele Jahre über 50 Prozent des BIP, durften aber auf einen relativ effizienten Staat bauen. Der deutsche Staat ist weit davon entfernt, effizient zu sein.
Eine für Unternehmen wie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hohe Steuerbelastung trifft auf eine unzureichende Infrastruktur. Die Regulierungsdichte ist so hoch, dass die öffentliche Verwaltung sie kaum mehr administrieren kann. Daher wird mehr Personal auf der Ebene der Länder und Gemeinden eingestellt. Die Ministerien des Bundes und der Länder stellen weiter Personal ein – und erhöhen dann die Regulierungsdichte.
Besonders augenfällig sind doppelte Subventionsstrukturen. Abschläge, die Beschäftigte bei einem vorgezogenen Ruhestand in der Rente hinnehmen müssen, fallen zu niedrig aus, sind versicherungsmathematisch nicht fair. Vorruhestand wird somit subventioniert.
Nun will der Bund mit der Aktivrente das längere Arbeiten ebenfalls subventionieren. Im Strommarkt werden Anbieter, insbesondere der erneuerbaren Energien, hoch subventioniert; im Gegenzug subventioniert der Bund die Netzbetreiber und führt einen Industriestrompreis für einen Teil der Verbraucher ein. Der Irrsinn der Interventionsspiralen ließe sich mit vielen weiteren Beispielen illustrieren.






Der Staat ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Er muss von seinem Allzuständigkeitsanspruch herunter, ebenso wie Bürger und Unternehmen.
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