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Newsletter ShiftWie autonome Fahrzeuge Science Fiction wahr werden lassen

Mobilität der Zukunft: ohne Menschen, aber mit mehr Kundenkontakten? Welche Robotaxis können wir bald auf den Straßen erwarten?Justus Heinisch 11.07.2025 - 13:06 Uhr Artikel anhören
Der ID.Buzz AD: Volkswagens autonomer Elektrobulli soll schon bald durch Deutschland fahren. Foto: David Hammersen/dpa

Als ich im Urlaub in Kopenhagen U-Bahn fuhr, wunderte ich mich, dass vorn kein Mensch am Führerstand saß. Die Metro dort ist eine der modernsten der Welt, sie fährt auf allen Linien autonom. Eine Maschine, die mich von A nach B bringt: Science Fiction ist hier Realität, dachte ich mir.

Nun funktioniert das automatisierte Fahren in der dänischen Hauptstadt in einem begrenzten Raum, für Massentransportmittel, auf vorgegebenen Routen. Doch die Idee von der Mobilität ohne Menschen am Steuer soll bald auch für den individuellen Verkehr wahr werden – auf europäischen Straßen. Immer mehr Autohersteller treiben Projekte zu selbstfahrenden Autos voran. Viele sind bereits in ausgewählten Städten in den USA Wirklichkeit geworden.

Da wäre die US-Firma Waymo, von der Sie sicherlich schon gehört haben. Die Autos der Google-Tochter erfassen die Umgebung durch eine Kombination aus Sensoren, Kameras, Radar und Lidar. Sie navigieren sicher durch den Verkehr, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Der Anbieter hat bereits etwa zehn Millionen Fahrten durchgeführt. Konkurrenten wie Baidu und Pony AI setzen auf ähnliche Dienste in ausgewählten US-Städten.

Da wäre auch Tesla. Elon Musks Konzern startete vor wenigen Tagen einen autonomen Fahrdienst im texanischen Austin. Bei den Fahrten sitzt ein „Überwachungsmitarbeiter“ im Wagen. Tesla setzt bei seinen selbstfahrenden Autos ausschließlich auf Kameras.

Teslas Robotaxi: Es fährt im texanischen Austin. Foto: Bloomberg

Musk hat schon vor einem Jahrzehnt von autonomen Fahrzeugen gesprochen. Und er war nicht der einzige Manager aus der Branche, der große Ankündigungen gemacht, aber erst sehr viel später – oder noch gar nicht – geliefert hat. Sinnbildlich dafür steht die Allianz aus den Autobauern Renault, Nissan und Mitsubishi. Die drei Firmen hatten einst angekündigt, bis 2022 selbstfahrende Autos zu produzieren. Nun, das hat nicht ganz geklappt.

Doch die jüngsten Projekte sind durchdachter als die Visionen der 2010-er-Jahre. Die Technik ist inzwischen ausgereift, die Geschäftsmodelle wirken realistisch. Umso spannender, was meine Kollegen Lazar Backovic und Thomas Jahn über die Ambitionen des Volkswagen-Konzerns berichten: VW hat ein vollautonomes Serienfahrzeug präsentiert, den ID.Buzz AD.

Große Versprechungen sollen nun wahr werden

Von 2026 an sollen die ersten dieser Robotaxis „made by VW“ auf europäischen und amerikanischen Straßen rollen. Für VW ist es ein Milliardenmarkt – und eine riskante Wette. Immerhin möchte der Konzern Milliardenbeträge einsparen.

Das Potenzial ist jedenfalls gigantisch, das sehen Sie sicher ähnlich. Künstliche Intelligenz (KI) dürfte die Entwicklung der Technik weiter beschleunigen. Und auch darüber hinaus gibt es spannende Ansätze.

In Ulm läuft ein Projekt der örtlichen Universität und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Dort sammeln Forschende Daten über das Verhalten von Fußgängerinnen, Fußgängern und Fahrzeugen, um Algorithmen für die Bewegungsabsichtserkennung zu entwickeln. Das ist ein langes Wort, ihr Ziel ist: Das Zusammenspiel zwischen selbstfahrenden Autos und Fußgängern soll sicherer und effektiver werden.

Die Otto von Guericke Universität Magdeburg und der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt wiederum entwickeln gemeinsam regionale Strategien zum autonomen Fahren in ländlichen Räumen, wo wir wieder bei Science Fiction wären. Das wäre doch cool, wenn ein Roboter-Bus uns bald durch Stadt und Land fährt.

Zu dem disruptiven Faktor der Technologie, den Plänen von VW und dem Markt für autonome Fahrzeuge habe ich Lazar Backovic, unserem Teamleiter Mobilität, einige Fragen gestellt. Viel Spaß beim Lesen!

In Conversation

Shift: Lazar, VW hat sein erstes vollautonomes Serienfahrzeug präsentiert – und das Handelsblatt war bei der Probefahrt des ID. Buzz AD in Hamburg dabei. Wie war’s?
Lazar Backovic: Mein Kollege Thomas Jahn war in Hamburg zur Testfahrt, und die verlief beeindruckend ruhig. Das Robotaxi fuhr ohne Eingriff durch den Innenstadtverkehr, parkende Lkw, Fahrräder, enge Gassen – alles souverän. Die Fahrweise war stellenweise noch etwas ruppig, aber technisch war alles stabil. Insgesamt zeigt VW damit: Autonomes Fahren ist nicht mehr bloß etwas fürs Labor.

Wie funktioniert die Technologie des ID. Buzz AD genau?
Volkswagens Robotaxi nutzt ein sogenanntes Level-4-System. Es gibt noch Lenkrad und Pedale, aber das Auto fährt autonom in einem definierten Gebiet. Weil es sich bei VW bis zum Serienbetrieb 2026 noch um eine Testphase handelt, sitzt immer noch ein Sicherheitsfahrer im Wagen. Technisch ist das Auto mit 27 Sensoren ausgestattet. Die Software kommt unter anderem vom Intel-Spin-off Mobileye. VW selbst liefert Fahrzeug, Integration und Plattform.

Volkswagen hat sich ein Sparprogramm auferlegt und investiert nun Milliarden in das Projekt. Geht der Konzern damit nicht eine hochriskante Wette ein?
Absolut. VW erwartet den wirtschaftlichen Break-even erst in den 2030-er-Jahren. Das ist viel Zeit, und VW muss eigentlich intern die Kosten senken.

Ist es ein Signal an die Branche, die in Deutschland in der Krise steckt, dass VW etwas so Innovatives und Riskantes wagt?
Ja, und das wird auch international so wahrgenommen. Während viele Hersteller bei Robotaxis zurückziehen – GM hat Cruise auf Eis gelegt, Ford ist raus –, traut sich VW als erster europäischer Hersteller mit einem serienreifen Produkt auf den Markt. Das sendet ein Signal: Wir spielen in dieser Zukunftstechnologie mit.

Die Google-Tochter Waymo ist der Spieler, an dem sich VW und Co. messen lassen müssen.

Auch andere Konzerne stellen Projekte zu autonomen Fahrzeugen vor. Doch schon vor Jahren gab es eine erste Welle an Ideen zu selbstfahrenden Autos. Die Versprechungen waren groß – und nichts wurde daraus. Was ist diesmal anders?
Damals waren die Erwartungen überzogen – Technologie, Regulierung und Gesellschaft waren nicht bereit. Heute ist man pragmatischer. Es geht weniger um eine Robotaxi-Lösung für alle, sondern um begrenzte Einsatzbereiche, abgesteckte Partnerschaften. Auch die Geschäftsmodelle scheinen mir etwas langweiliger, dafür realistischer.

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Gibt es Faktoren, die bei Dir für Skepsis sorgen? Teslas Autopilot ist offenbar fehleranfällig und hat bereits Unfälle versursacht...
Skepsis ist gesund. Technik allein reicht nicht – es braucht klare Regeln, verlässliche Genehmigungen, robuste Sicherheitssysteme. Und: Die Technik muss auch in Berlin-Kreuzberg nachts bei Regen funktionieren, nicht nur auf sonnigen kalifornischen Teststrecken. VW ist da vorsichtiger als Tesla, und das ist auch gut so. Am weitesten ist aus meiner Sicht gar nicht mal Tesla, sondern die Google-Tochter Waymo. Das ist der Spieler, an dem sich VW und Co. messen lassen müssen.

Was schätzt Du: Wie sieht der Straßenverkehr in Deutschland in fünf Jahren aus?
Wir werden erste autonome Shuttles im Regelbetrieb sehen – in ausgewählten Städten, auf klar definierten Routen. Vielleicht nachts zum Flughafen oder in ländlichen Regionen mit Fahrermangel. Individualverkehr mit dem klassischen Auto wird aber auch in fünf Jahren Platz eins im Bereich Fortbewegung hierzulande sein. Nur der Anteil an Elektroautos dürfte dann bedeutsam höher sein als heute.

Dieser Text ist zuerst am 7. Juli 2025 im Newsletter Handelsblatt Shift erschienen. Den Newsletter können Sie hier abonnieren.

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