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Prüfers KolumneDas Problem mit Karriere-Ratgebern

Die einen raten zu einem „Karriere-Kompass“ statt einer festen Route. Die anderen sprechen von einem „Klettergerüst“ statt einer Leiter. Unser Autor ist skeptisch – und empfiehlt Superkräfte.Tillmann Prüfer 08.02.2025 - 10:55 Uhr
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Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

Ich habe gelesen, dass in Vorstellungsgesprächen gerne Stressfragen gestellt werden. Also Fragen, auf die sich die Kandidatin oder der Kandidat gar nicht vorbereiten kann. Stressfragen sollen den Gesprächspartner aus dem Konzept bringen und davon abhalten, ein auswendig gelerntes Programm abzuspulen.

Eine Stressfrage ist zum Beispiel: Was haben Sie heute gefrühstückt? Wenn Sie eine Farbe wären, welche Farbe wäre das? Wenn Sie ein Superheld wären, welche Superkraft hätten Sie dann?

Lorraine Twohill, die Marketingchefin bei Google, behauptete neulich in einem Podcast, dass sie tatsächlich eine Superkraft habe. Offenbar wird das bei Google bei der Einstellung vorausgesetzt, dass man Superkräfte hat oder zumindest bei sich selbst vermutet. Bei Superkräften denkt man an fliegende Menschen, Laseraugen oder die Fähigkeit, durch Wände zu gehen.

Lorraine Twohills Superkraft ist hingegen, „die wichtigste Geschichtenerzählerin“ des Unternehmens zu sein. Twohill ist seit 2003 bei Google und laut Selbstbeschreibung „nicht sonderlich technisch versiert“. Sie versteht hingegen, dass Menschen keine komplizierten Algorithmen verstehen wollen, sondern einfache Geschichten. Sie war damals eine der ersten Frauen aus Europa, die bei Google eingestellt wurden.

Twohill rät jungen Menschen übrigens, ihre Karriere nicht zu akribisch durchzuplanen. Das Leben sei eher ein Klettergerüst als eine Leiter. Die Frage ist nur, was für eines. Es gibt solche, die ziemlich wackeln, oder auch solche, die ziemlich in Bodennähe sind, sodass man nicht nach oben kommt. Twohill meint: Man sollte nicht jede Sprosse vorausplanen, sondern einfach mal loslegen. Lernen, scheitern, weiterklettern – vielleicht sogar kopfüber.

Karte vs. Kompass

Der amerikanische Autor Seth Godin meint Ähnliches. Man sollte für die Karriere keine Landkarte haben, sondern einen Kompass. Das klingt gut, aber wer jemals versucht hat, mit einem Kompass einen Parkplatz zu finden, weiß: Karten haben durchaus ihre Vorteile.

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Das Problem bei Karriere-Ratgebern ist, dass die entweder irre Anforderungen stellen. Wie, wann man schlafen, meditieren und seinen Grüntee trinken soll. Oder, dass sie so tun, als wäre eine Karriere so etwa wie ein Selbsterfahrungs-Ausflug: Genieß die Reise. Es gibt keinen perfekten Plan! Leider ist das Problem, dass auf dieser Reise, manche in Fünf-Sterne-Hotels einchecken und andere Jahrzehnte in Budget-Hotels.

Karriere-Ratgeber lehren auch, bei den sogenannten Stressfragen im Gespräch auf Zeit zu spielen. Und zu sagen, „Da muss ich erst mal nachdenken“, und in einem zweiten Schritt soll man eine Antwort mit einer Botschaft verbinden, die man rüberbringen will. Etwa die: „Ich wäre Grün, weil die Farbe so optimistisch ist wie ich.“ Lorraine Twohill hat übrigens 22 Bewerbungsrunden durchgemacht, bis sie ihren Job hatte. Allein um das durchzuhalten, braucht man Superkräfte.

Mehr: Das macht Sie wirklich zu einer guten Führungskraft

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