Selbstorganisation: Zehn Vorschläge, wie Sie sich mehr Zeit im Alltag schaffen

Berlin. Vor Kurzem fragte mich eine Mitarbeiterin, zu deren Aufgaben es gehört, meine beruflichen Termine zu planen und in den Onlinekalender einzupflegen, ob es okay wäre, wenn sie den Termin mit Claus Müller diese Woche ausnahmsweise schiebt.
Seit etwa einem halben Jahr ist jeden Mittwoch von 10 bis 13 Uhr ein Zeitfenster für ihn geblockt. Und das, wie ich finde, aus gutem Grund. Claus Müller ist weder mein Psychoanalytiker noch mein heimlicher Lover, sondern ein Synonym für eine mir heilige Zeit.
Ein Zeitfenster, in dem nichts „verzweckt“ wird, sondern ich Raum zum Sammeln, Nachdenken, Erkunden oder Nichtstun habe. Jegliche Alltagsverpflichtungen, selbst Sport oder Wellnessprogramme, sind in diesen drei Stunden tabu. Klingt merkwürdig? Mir hilft es, um dem beklemmenden Gefühl zu entkommen, ständig nur gegen die Zeit zu laufen.
Den wöchentlichen Termin trage ich nicht nur in den Kalender ein, damit meine Mitarbeiterin mich in dieser Zeit nicht verplant, sondern auch, um mich selbst davor zu schützen, diesen wertvollen Freiraum den wachsenden alltäglichen Verpflichtungen unterzuordnen. Und leider habe ich in der Vergangenheit einer Verschiebung schon zugestimmt. Ein Fehler.
Plädoyer für das Nichtstun
Der Benediktinerpater Amseln Grün unterscheidet zwischen Chronos und Kairos. Chronos ist die lineare Zeit, die durch Uhren und Kalender erfasst wird und uns ermöglicht, den Alltag zu meistern. Diese Zeit will effizient genutzt und gemanagt werden.
Kairos hingegen repräsentiert die qualitative, existenzielle Zeit, die Intensität des Erlebens, die bedeutungsvollen Augenblicke, in denen wir tiefe Einsichten und echte Erfüllung finden. Diese heilige Zeit kann nicht geplant oder gemessen werden, sondern tritt spontan auf und schenkt unserem Leben Sinn und Tiefe.
Die Balance zwischen Chronos und Kairos ist entscheidend für ein erfülltes Leben. Chronos hilft uns, unseren Alltag zu strukturieren, während Kairos uns die Momente tiefer Bedeutung und Erfüllung schenkt.
Hier sind zehn erprobte Tipps für einen guten Umgang mit Ihrer kostbaren Lebenszeit:
1. Friss die Kröte Erledigen Sie die unangenehmsten Aufgaben gleich am Morgen. Wenn Sie das Schlimmste hinter sich haben, können Sie entspannt durch den Tag gehen.
2. Planung und Pufferzeiten Planen Sie Ihren Tag, aber lassen Sie ausreichend Pufferzeiten für Unvorhergesehenes. Verplanen Sie nur 50 Prozent Ihres Tages und halten den Rest für Unerwartetes frei.
3. Prioritäten setzen Bestimmen Sie, was Ihnen wirklich wichtig ist, und richten Sie Ihren Tagesablauf danach aus. Halten Sie Ihre Prioritäten schriftlich fest.
4. Fokus und Konzentration Arbeiten Sie konzentriert und ohne Ablenkungen. Nutzen Sie Apps, die Social Media blockieren, um fokussiert zu bleiben.
5. Pomodoro-Technik Arbeiten Sie in kurzen Intervallen von 25 Minuten, gefolgt von einer fünfminütigen Pause. Nach vier Intervallen machen Sie eine längere Pause.
6. Zwei-Minuten-Regel Erledigen Sie Aufgaben, die weniger als zwei Minuten dauern, sofort. Das verhindert, dass sie sich ansammeln.
7. Not-to-do-Liste Erstellen Sie eine Liste mit Angewohnheiten, die Sie vermeiden möchten. Dies hilft Ihnen, Zeitfresser zu identifizieren und zu eliminieren.
8. Zeit-Balance-Modell Achten Sie darauf, dass die Bereiche Körper und Gesundheit, Arbeit, Beziehungen und Sinn und Kultur in Ihrem Alltag ausreichend Gewicht haben.
9. Bewusste Pausen Nehmen Sie sich täglich Zeit für bewusste Pausen und entspannende Aktivitäten, um Ihren Akku wieder aufzuladen.
10. Zeiten der Muße Schaffen Sie sich regelmäßige Zeiten der Muße, in denen Sie sich ganz bewusst dem Nichtstun oder kreativen Tätigkeiten widmen. Das kann auch ein Spaziergang in der Natur, Meditation oder das Genießen von Kunst und Musik sein.


Indem Sie diese Strategien anwenden, können Sie einen guten Umgang mit Raum und Zeit entwickeln. Es ist ein steter Balanceakt, weder der Selbstausbeutung noch der Realitätsflucht zu verfallen. Nutzen Sie Ihre Zeit bewusst und finden Sie die Balance zwischen produktivem Arbeiten und erfüllenden Momenten.
Und bleiben Sie standhaft. Diesmal bin ich es geblieben und habe meiner Mitarbeiterin nicht erlaubt, den Claus-Müller-Termin zu schieben, auch wenn es mir in dem Moment nicht leichtgefallen ist.








