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TrainingWie krank ist noch gesund genug für Sport?

Unser Kolumnist ist wenige Wochen vor einem wichtigen Wettbewerb erkrankt. Was tun, wenn die Gesundheit durch Training Schaden nehmen kann? Thorsten Firlus 24.05.2024 - 04:00 Uhr
Kolumnist Firlus und die Anstiege der Bretagne. Foto: HB

Eingepackt hatte ich für die zwei Wochen Urlaub an den Küsten der Bretagne nahezu das gesamte Equipment für einen Triathlon: den dicken Neoprenanzug samt Haube, Handschuhen und Neoprensocken für Kaltwassertraining, Rennrad, Laufschuhe für Sprint, Trail und Ausdauer. Leider auch dabei ein Souvenir aus der Heimat: ein Infekt.

Er war von Tag eins in Frankreich mit im Urlaub. Die Stimme zwei Oktaven tiefergelegt, die Nase verstopfter als die Autobahn am Rückreisetag nach Pfingsten, milder Husten. 

Immer weiter: Wenn Laufen nicht geht, dann wird gewandert. Der GR34 in der Bretagne. Foto: Privat

Und das Ganze in der heißen Phase der Vorbereitung für einen  Langdistanztriathlon in Schottland, den Celtman. Im Alltag ist eine verschnupfte Nase kein Drama. Elend fühlte ich mich nicht, Fieber war auch nicht im Spiel. Aber trainieren – das schien mir angesichts der Symptome mindestens mal eine dumme Idee zu sein.

Sechs Wochen Trainingspause. Das ist quasi die Standardansage, die Ärzte einem Hobbysportler mitgeben. Egal, ob das Knie zwickt, das Herz stolpert oder die Lunge pfeift. Damit begeben sich Orthopäde oder Hausarzt erst mal in eine sichere Zone. Wer nicht trainiert, kann auch keinen Schaden nehmen aus der Kombination Krankheit und Sport.

Das hätte in meinem Falle quasi bedeutet, Pause bis zum Wettbewerb. Das ist natürlich auch nicht optimal. So einen Langdistanztriathlon, gar einen der ruppigeren Sorte wie der in Torridon mit eisigem Wasser, heftigen Anstiegen und vielleicht garstigen Wetterbedingungen übersteht man auch, weil man lange vorher intensiv trainiert. 

Das Risiko, aus lauter Unvernunft sich gravierende gesundheitliche Probleme einzufangen, weil man mit einer nicht auskurierten Erkältung zu früh ins harte Training einsteigt, sollte jeder ambitionierte Athlet kennen. Ich kenne Sportfreunde, die das mit einem Krankenhausbesuch bezahlt haben. 

Das war weder meine erste Erkältung noch die erste zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Und natürlich ist mir klar, dass Gesundheit wichtiger ist, als das Trainingspensum einzuhalten. Ich bin kein Profi, im Gegenteil, ich gebe viel Geld dafür aus, um dort zu starten, wo ich starte. Das auch noch mit bleibenden Schäden zu bezahlen, ist selbst mir zu riskant.

Die Herzfrequenzvariabilität in der Nacht: Grün gut, orange okay, rot – schlecht. Pünktlich am Urlaubsbeginn. Foto: Privat

Aber das heißt nicht, dass sich Hobbyathleten mit Tee und Ingwer aufs Sofa zurückziehen müssen. Habe ich auch nicht gemacht. Zwischen Bewegung und Belastung liegt ausreichend Spielraum, den ich genutzt habe. Für lange Stunden spazieren gehen in der wunderbaren Natur des Finistère. Da die Urlaubsorte am Atlantik lagen, half die vom Wind ordentlich angetriebene Meeresluft, die Nase – nun – zu befreien.

Hören Sie auf Ihren Körper. Ja, ja. Aber wie?

Wie viele Hobbyathleten vermesse ich mit einer Sportuhr nicht nur Entfernung und Geschwindigkeit meiner Einheiten, sondern auch Puls, Schlaf und die Herzfrequenzvariabilität. Ich nehme das zur Kenntnis und sortiere das ein, bleibe aber skeptisch. Meine letzte Coronainfektion feierte meine Sportuhr mit Erholungswert 100 am Morgen. Von 100. Klar, ich bewegte mich ein paar Tage kaum. Gesund war ich aber nicht.

Nun belegte die Uhr aber unruhigen Schlaf und schlechte Erholung in der Nacht, und das deckte sich mit meiner Wahrnehmung. Und hier kommt das Entscheidende – gewonnen nach zehn Jahren Erfahrung mit Sport und Krankheit: Hören Sie auf Ihren Körper!

Und verstehen Sie, was er sagt? Was ist das eigentlich, auf den Körper hören?

Der Körper kann Ihnen stimmenverwirrter als der Bautrupp zu Babel Signale senden, nicht jeder Schmerz im Fuß ist ein Bruch, nicht jedes Ziehen in der Brust der nahende Infarkt.

Zur Coronahochzeit hieß es, sobald die Nase läuft, solle man alles einstellen und sofort den Arzt rufen. Mein Problem: Sobald ich bei kühleren Temperaturen loslaufe am Morgen, läuft die Nase IMMER. Ich wäre nie gesund gewesen, nicht mal zu Zeiten, als ich 17 Kilometer Lauftraining vor dem Weg ins Büro noch für völlig normal hielt.

Nase frei: Die Meeresluft am Strand La Torche in Penmarc’h wirkt wie eine Perma-Inhalation. Foto: Privat

Wenn ich auf meinen Körper achte, dann heißt das für mich, darauf zu hören, worauf er Lust hat. Mit den Jahren entwickelt man sehr feine Antennen dafür, welche Signale wichtig sind. Neid zum Beispiel. Spürt man den, wenn eine Radfahrerin oder ein Läufer einen passiert? Oder denkt man sich: "Nee, hätte ich gar keine Lust drauf"? Kein Neid, besser pausieren. Wehmütig hinterherblicken: langsam wieder einsteigen. Der Clou ist, das sauber unterscheiden zu können von nur, keine Lust zu haben, weil zu viel Arbeit ist, das Wetter zu bescheiden oder Sie beim Stricken eine Masche verloren haben.

Die ersten anderthalb Wochen spürte ich nichts. Weder als Gruppen von Rennradfahrern auf den Pisten von Penmarc’h an mir vorbeischossen auf ihren glänzenden Rädern, noch als die Läufer bei Plougasnou die herrlichen Trails entlang der Küste rauf- und runterstürmten.

Zu jeder Genesung gehört positives Denken. Foto: Privat

Kein Neid, keine Sehnsucht. Stattdessen hatte ich reuelos Freude an langen Märschen und ordentlich Höhenmetern – mit quasi null Trainingseffekt laut meiner Sportuhr – und dennoch dem anschließenden Gefühl der wohligen Ermattung, die eine oder zwei süße Backwaren rechtfertigt.

Fast am Ende des Urlaubs, als die Vitalwerte ebenfalls wieder in Richtung normal tendierten, da kamen die ersten Signale angesichts der anderen: Hier würde ich gern den Berg mit dem Rad erklimmen, da würde ich gern die steinigen Pfade in Laufklamotten erobern. Der Neid, auf trainierende Läufer, der Wunsch, selbst das Rad zu greifen, sobald ich einen anderen sah, war da. 

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Neoprenanzug, Rennrad, Laufschuhe sind dann ungenutzt (wie mein Buch ...) einfach wieder mit heimgefahren. Ich habe das Beste aus der Zwangspause gemacht, Natur aufgesogen, vermutlich viel mehr gesehen, als wenn ich die gleichen Pfade abgehetzt wäre, reichlich langsame Bewegung (Stichwort Grundausdauer) gehabt und das gute Gefühl mit nach Hause genommen, vielleicht ein paar wichtige Einheiten versäumt, aber keinesfalls meine Gesundheit riskiert zu haben. Schließlich will ich gesund wiederkommen.

Natürlich mit Neo, Rad und Laufschuhen. 

Mehr: „Ziele müssen immer das Potenzial haben, dass man an ihnen scheitert“

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